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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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strande hinabzurücken, um die Straße, welche Armenien und Me-
dien mit dem Thale des Kur und dem Kaspischen Meere verbin-
det, zu öffnen; er sollte von dort aus, am Strande entlang, nach
Hyrkanien und weiter der großen Armee nachziehen 75). Die
Pässe von Pyl-Rudbar, die aus Medien am Amardusstrom hinab
zum Meere führen, und welche durch das kriegerische und raub-
lüsterne Bergvolk der Amardier gesperrt wurden, beschloß Alexander
durch einen Streifzug gegen diese Amardier sofort zu öffnen 76).
Während die Hauptmasse des Heeres im Lager von Arvas zurück-
blieb, zog er selbst an der Spitze der Hypaspisten, der Phalangen
Könus und Amyntas, einiger Rittergeschwader und mehrerer leichter
Corps gen Westen; die Amardier, im Vertrauen auf die Unzu-
gänglichkeit ihrer Berge, da noch nie ein Feind in ihre Wälder
eingedrungen war, hatten sich bisher um die Macedonier nicht viel
gekümmert; da rückte Alexander von der Ebene heran; die nächsten
Ortschaften wurden genommen, die Bewohner flüchteten sich in die
waldigen Gebirge. Mit unsäglicher Mühe zogen die Macedonier
durch diese wegelosen, dicht verwachsenen und schauerlichen Wälder
nach; oft mußten sie sich mit dem Schwerte den Weg durch das
Dickicht bahnen 77), während bald hier, bald da einzelne Haufen
von Amardiern sie überfielen, oder aus der Ferne mit ihren Spee-
ren trafen; als aber Alexander immer höher hinaufdrang und die
Höhen mit seinen Wegen und Posten immer dichter einschloß, da
schickten die Amardier Gesandte an den König und unterwarfen
sich und ihr Land seiner Gnade; er nahm von ihnen Geißeln, ließ
sie übrigens im ungestörten Besitz und stellte sie unter dem Sa-
trapen Autophradates von Tapurien 78).

75) Diese Pässe, deren heutigen Namen ich nicht weiß, liegen
zwischen Ardebil und den Küstenorten Astara und Lenkoran. Die
Kadusier, "wie der Grieche die Gelä nennt" (Plin. VI. 11. und 16.),
bewohnen das Gebirge von Gilan, ostwärts bis zum Amardusflusse
(dem Kizil-Ozein oder Sefid-rud). Mannert hat sich über den Weg
Parmenions vollkommen geirrt (Persien p. 132 sqq.).
76) Dieser
Paßweg liegt auf dem Wege von Kaswin nach Raescht; cf. Morier
Voy. II.
26.
77) Eben so Timur in diesen Gegenden; Chereffed-
din VI. 21. p.
161.
78) Arrian. III. 24. 3. Curt. VI. 5. 11.
Die Barbaren, wird erzählt, bekamen bei einem Ueberfalle unter an-

ſtrande hinabzurücken, um die Straße, welche Armenien und Me-
dien mit dem Thale des Kur und dem Kaspiſchen Meere verbin-
det, zu öffnen; er ſollte von dort aus, am Strande entlang, nach
Hyrkanien und weiter der großen Armee nachziehen 75). Die
Päſſe von Pyl-Rudbar, die aus Medien am Amardusſtrom hinab
zum Meere führen, und welche durch das kriegeriſche und raub-
lüſterne Bergvolk der Amardier geſperrt wurden, beſchloß Alexander
durch einen Streifzug gegen dieſe Amardier ſofort zu öffnen 76).
Während die Hauptmaſſe des Heeres im Lager von Arvas zurück-
blieb, zog er ſelbſt an der Spitze der Hypaspiſten, der Phalangen
Könus und Amyntas, einiger Rittergeſchwader und mehrerer leichter
Corps gen Weſten; die Amardier, im Vertrauen auf die Unzu-
gänglichkeit ihrer Berge, da noch nie ein Feind in ihre Wälder
eingedrungen war, hatten ſich bisher um die Macedonier nicht viel
gekümmert; da rückte Alexander von der Ebene heran; die nächſten
Ortſchaften wurden genommen, die Bewohner flüchteten ſich in die
waldigen Gebirge. Mit unſäglicher Mühe zogen die Macedonier
durch dieſe wegeloſen, dicht verwachſenen und ſchauerlichen Wälder
nach; oft mußten ſie ſich mit dem Schwerte den Weg durch das
Dickicht bahnen 77), während bald hier, bald da einzelne Haufen
von Amardiern ſie überfielen, oder aus der Ferne mit ihren Spee-
ren trafen; als aber Alexander immer höher hinaufdrang und die
Höhen mit ſeinen Wegen und Poſten immer dichter einſchloß, da
ſchickten die Amardier Geſandte an den König und unterwarfen
ſich und ihr Land ſeiner Gnade; er nahm von ihnen Geißeln, ließ
ſie übrigens im ungeſtörten Beſitz und ſtellte ſie unter dem Sa-
trapen Autophradates von Tapurien 78).

75) Dieſe Päſſe, deren heutigen Namen ich nicht weiß, liegen
zwiſchen Ardebil und den Küſtenorten Aſtara und Lenkoran. Die
Kaduſier, „wie der Grieche die Gelä nennt“ (Plin. VI. 11. und 16.),
bewohnen das Gebirge von Gilan, oſtwärts bis zum Amardusfluſſe
(dem Kizil-Ozein oder Sefid-rud). Mannert hat ſich über den Weg
Parmenions vollkommen geirrt (Perſien p. 132 sqq.).
76) Dieſer
Paßweg liegt auf dem Wege von Kaswin nach Raeſcht; cf. Morier
Voy. II.
26.
77) Eben ſo Timur in dieſen Gegenden; Chereffed-
din VI. 21. p.
161.
78) Arrian. III. 24. 3. Curt. VI. 5. 11.
Die Barbaren, wird erzählt, bekamen bei einem Ueberfalle unter an-
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[269/0283] ſtrande hinabzurücken, um die Straße, welche Armenien und Me- dien mit dem Thale des Kur und dem Kaspiſchen Meere verbin- det, zu öffnen; er ſollte von dort aus, am Strande entlang, nach Hyrkanien und weiter der großen Armee nachziehen 75). Die Päſſe von Pyl-Rudbar, die aus Medien am Amardusſtrom hinab zum Meere führen, und welche durch das kriegeriſche und raub- lüſterne Bergvolk der Amardier geſperrt wurden, beſchloß Alexander durch einen Streifzug gegen dieſe Amardier ſofort zu öffnen 76). Während die Hauptmaſſe des Heeres im Lager von Arvas zurück- blieb, zog er ſelbſt an der Spitze der Hypaspiſten, der Phalangen Könus und Amyntas, einiger Rittergeſchwader und mehrerer leichter Corps gen Weſten; die Amardier, im Vertrauen auf die Unzu- gänglichkeit ihrer Berge, da noch nie ein Feind in ihre Wälder eingedrungen war, hatten ſich bisher um die Macedonier nicht viel gekümmert; da rückte Alexander von der Ebene heran; die nächſten Ortſchaften wurden genommen, die Bewohner flüchteten ſich in die waldigen Gebirge. Mit unſäglicher Mühe zogen die Macedonier durch dieſe wegeloſen, dicht verwachſenen und ſchauerlichen Wälder nach; oft mußten ſie ſich mit dem Schwerte den Weg durch das Dickicht bahnen 77), während bald hier, bald da einzelne Haufen von Amardiern ſie überfielen, oder aus der Ferne mit ihren Spee- ren trafen; als aber Alexander immer höher hinaufdrang und die Höhen mit ſeinen Wegen und Poſten immer dichter einſchloß, da ſchickten die Amardier Geſandte an den König und unterwarfen ſich und ihr Land ſeiner Gnade; er nahm von ihnen Geißeln, ließ ſie übrigens im ungeſtörten Beſitz und ſtellte ſie unter dem Sa- trapen Autophradates von Tapurien 78). 75) Dieſe Päſſe, deren heutigen Namen ich nicht weiß, liegen zwiſchen Ardebil und den Küſtenorten Aſtara und Lenkoran. Die Kaduſier, „wie der Grieche die Gelä nennt“ (Plin. VI. 11. und 16.), bewohnen das Gebirge von Gilan, oſtwärts bis zum Amardusfluſſe (dem Kizil-Ozein oder Sefid-rud). Mannert hat ſich über den Weg Parmenions vollkommen geirrt (Perſien p. 132 sqq.). 76) Dieſer Paßweg liegt auf dem Wege von Kaswin nach Raeſcht; cf. Morier Voy. II. 26. 77) Eben ſo Timur in dieſen Gegenden; Chereffed- din VI. 21. p. 161. 78) Arrian. III. 24. 3. Curt. VI. 5. 11. Die Barbaren, wird erzählt, bekamen bei einem Ueberfalle unter an-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/283>, abgerufen am 28.03.2024.