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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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gerechte Sache, auf seinen Kriegsruhm; er glaubte gern den stolzen
Versicherungen seiner Großen und gewissen Träumen, die ihm gün-
stig genug von den Chaldäern zu Babylon, wo sich eben damals
das Reichsheer versammelte, gedeutet waren; er hatte das Macedoni-
sche Lager in dem Scheine einer ungeheuren Fcucrsbrunst, den
Macedonischen König in Persischer Fürstentracht durch Babylons
Straßen reiten, dann Roß und Reuter verschwinden sehen. Und
als sich dann in der Ebene von Babylon seine Völker versammelt
hatten, als das bunte Gewimmel der reichgeschmückten Neuterschaa-
ten, der schwergewaffneten Griechen und Kardaker, der Völker vom
Indus und vom Nil, von Turan und Iran in endlosem Zuge an
ihm vorüberzog 14 d), da mochte er mit hohem Selbstgefühl ei-
nem Feinde entgegen gehen, dessen Macht kaum dem zwanzigsten
Theile seines Heeres gleich kam. Umgeben von der ganzen Pracht
eines Asiatischen Sultans, begleitet von seinem Hofstaat und Ha-
rem, von den Harems der Persischen Satrapen und Fürsten, von
den Schaaren der Eunuchen und Stummen, zu den Hunderttau-
senden unter den Waffen eine endlose Karavane geschmückter Wa-
gen, goldener Baldachine, lärmenden Trosses, so war der König
über den Euphrat in die Ebene von Ouchä gezogen; dort wurde
gelagert, dort in der weiten Ebene, die der Persischen Reutermacht
vor allen günstig und der Menge leichten Volkes nicht gefährlich
war, wollte man den Feind erwarten, ihn zermalmen. Da kam
der flüchtige Satrap aus Cilicien ins Lager; er brachte die erste
beunruhigende Nachricht von Alexanders Nähe, von der Schnellig-
keit seiner Bewegungen; man erwartete täglich die Staubwolke im
Westen. Es verging ein Tag nach dem anderen, man wurde gleich-
gültig gegen die Gefahr, die nicht näher kam, man vergaß, was
schon verloren, man verspottete den Feind, der das enge Küstenland
nicht zu verlassen wage, der wohl ahne, daß die Hufe der Persi-
schen Rosse hinreichen würden, seine Macht zu zertreten; nur zu
gern hörte Darius die übermüthigen Worte seiner Großen: der
Macedonier werde, eingeschüchtert durch die Nähe der Perser, nicht

14 d) Curtius Angabe, Darius habe durch ein Gehege die Zäh-
lung seines Heeres, wie einst Xerxes, vorgenommen, ist ein etwas
müßiger rhetorischer Schmuck.

gerechte Sache, auf ſeinen Kriegsruhm; er glaubte gern den ſtolzen
Verſicherungen ſeiner Großen und gewiſſen Träumen, die ihm gün-
ſtig genug von den Chaldäern zu Babylon, wo ſich eben damals
das Reichsheer verſammelte, gedeutet waren; er hatte das Macedoni-
ſche Lager in dem Scheine einer ungeheuren Fcucrsbrunſt, den
Macedoniſchen König in Perſiſcher Fürſtentracht durch Babylons
Straßen reiten, dann Roß und Reuter verſchwinden ſehen. Und
als ſich dann in der Ebene von Babylon ſeine Völker verſammelt
hatten, als das bunte Gewimmel der reichgeſchmückten Neuterſchaa-
ten, der ſchwergewaffneten Griechen und Kardaker, der Völker vom
Indus und vom Nil, von Turan und Iran in endloſem Zuge an
ihm vorüberzog 14 d), da mochte er mit hohem Selbſtgefühl ei-
nem Feinde entgegen gehen, deſſen Macht kaum dem zwanzigſten
Theile ſeines Heeres gleich kam. Umgeben von der ganzen Pracht
eines Aſiatiſchen Sultans, begleitet von ſeinem Hofſtaat und Ha-
rem, von den Harems der Perſiſchen Satrapen und Fürſten, von
den Schaaren der Eunuchen und Stummen, zu den Hunderttau-
ſenden unter den Waffen eine endloſe Karavane geſchmückter Wa-
gen, goldener Baldachine, lärmenden Troſſes, ſo war der König
über den Euphrat in die Ebene von Ouchä gezogen; dort wurde
gelagert, dort in der weiten Ebene, die der Perſiſchen Reutermacht
vor allen günſtig und der Menge leichten Volkes nicht gefährlich
war, wollte man den Feind erwarten, ihn zermalmen. Da kam
der flüchtige Satrap aus Cilicien ins Lager; er brachte die erſte
beunruhigende Nachricht von Alexanders Nähe, von der Schnellig-
keit ſeiner Bewegungen; man erwartete täglich die Staubwolke im
Weſten. Es verging ein Tag nach dem anderen, man wurde gleich-
gültig gegen die Gefahr, die nicht näher kam, man vergaß, was
ſchon verloren, man verſpottete den Feind, der das enge Küſtenland
nicht zu verlaſſen wage, der wohl ahne, daß die Hufe der Perſi-
ſchen Roſſe hinreichen würden, ſeine Macht zu zertreten; nur zu
gern hörte Darius die übermüthigen Worte ſeiner Großen: der
Macedonier werde, eingeſchüchtert durch die Nähe der Perſer, nicht

14 d) Curtius Angabe, Darius habe durch ein Gehege die Zäh-
lung ſeines Heeres, wie einſt Xerxes, vorgenommen, iſt ein etwas
müßiger rhetoriſcher Schmuck.
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[159/0173] gerechte Sache, auf ſeinen Kriegsruhm; er glaubte gern den ſtolzen Verſicherungen ſeiner Großen und gewiſſen Träumen, die ihm gün- ſtig genug von den Chaldäern zu Babylon, wo ſich eben damals das Reichsheer verſammelte, gedeutet waren; er hatte das Macedoni- ſche Lager in dem Scheine einer ungeheuren Fcucrsbrunſt, den Macedoniſchen König in Perſiſcher Fürſtentracht durch Babylons Straßen reiten, dann Roß und Reuter verſchwinden ſehen. Und als ſich dann in der Ebene von Babylon ſeine Völker verſammelt hatten, als das bunte Gewimmel der reichgeſchmückten Neuterſchaa- ten, der ſchwergewaffneten Griechen und Kardaker, der Völker vom Indus und vom Nil, von Turan und Iran in endloſem Zuge an ihm vorüberzog 14 d), da mochte er mit hohem Selbſtgefühl ei- nem Feinde entgegen gehen, deſſen Macht kaum dem zwanzigſten Theile ſeines Heeres gleich kam. Umgeben von der ganzen Pracht eines Aſiatiſchen Sultans, begleitet von ſeinem Hofſtaat und Ha- rem, von den Harems der Perſiſchen Satrapen und Fürſten, von den Schaaren der Eunuchen und Stummen, zu den Hunderttau- ſenden unter den Waffen eine endloſe Karavane geſchmückter Wa- gen, goldener Baldachine, lärmenden Troſſes, ſo war der König über den Euphrat in die Ebene von Ouchä gezogen; dort wurde gelagert, dort in der weiten Ebene, die der Perſiſchen Reutermacht vor allen günſtig und der Menge leichten Volkes nicht gefährlich war, wollte man den Feind erwarten, ihn zermalmen. Da kam der flüchtige Satrap aus Cilicien ins Lager; er brachte die erſte beunruhigende Nachricht von Alexanders Nähe, von der Schnellig- keit ſeiner Bewegungen; man erwartete täglich die Staubwolke im Weſten. Es verging ein Tag nach dem anderen, man wurde gleich- gültig gegen die Gefahr, die nicht näher kam, man vergaß, was ſchon verloren, man verſpottete den Feind, der das enge Küſtenland nicht zu verlaſſen wage, der wohl ahne, daß die Hufe der Perſi- ſchen Roſſe hinreichen würden, ſeine Macht zu zertreten; nur zu gern hörte Darius die übermüthigen Worte ſeiner Großen: der Macedonier werde, eingeſchüchtert durch die Nähe der Perſer, nicht 14 d) Curtius Angabe, Darius habe durch ein Gehege die Zäh- lung ſeines Heeres, wie einſt Xerxes, vorgenommen, iſt ein etwas müßiger rhetoriſcher Schmuck.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/173>, abgerufen am 19.04.2024.