Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

weckt worden sein; nun war die Zeit der Barbaren vorüber, Griechi-
sches Leben gewann Raum in den Ländern vieljähriger Knechtschaft,
Griechischer Ursprung, sonst in Mitten Asiatischer Barbarei verach-
tet und vergessen, wurde der schönste Ruhm und die höchste Berech-
tigung. Alexander gab den Soliern demokratische Verfassung; er
benutzte die nächste Gelegenheit, ihnen die Brandschatzung zu erlas-
sen und ihre Geißeln zurückzugeben 14a).

Nach Tarsus zurückgekehrt, ließ der König seine Reuterei, un-
ter Philotas Führung, über das Aleische Feld an den Pyramus-
strom vorrücken, während er selbst mit dem anderen Heere an der
Küste entlang über Magarsus nach Mallus zog, zweien Städten,
deren alte, mit den Heroensagen der Hellenen verknüpfte Erinne-
rungen dem Könige Gelegenheit gaben, sie durch das ehrenvolle
Anerkenntniß ihres mit den Macedoniern gemeinsamen Ursprungs
näher an sein Interesse zu knüpfen; auch hatte sich, namentlich in
Mallus, das Volk schon vor dem Erscheinen Alexanders gegen seine
bisherigen Unterdrücker erhoben und sich laut für die Macedonische
Sache erklärt; den blutigen Kampf zwischen der Persischen und der
Volksparthei entschied und stillte erst Alexanders Erscheinen; er gab
der Stadt die Freiheit, erließ ihr die bisher an den Perserkönig
entrichteten Tribute und hielt für den Argivischen Heros Amphi-
lochus, den angeblichen Gründer der Stadt, mit dem er selbst als
Nachkomme der Argivischen Herakliden sich verwandt nannte, ein
feierliches Todtenopfer 14b). --

Noch während des Aufenthaltes in Mallus erhielt Alexander
die Nachricht, daß der König Darius mit einem ungeheuren Heere
vom Euphrat herangerückt sei, und bereits einige Zeit in der Sy-
rischen Stadt Onchä oder Sochi, kaum zwei Tagereisen von den
Pässen entfernt stehe 14 c). Alexander versammelte sofort einen

14a) Arrian. II. 12. 4.
14b) Arrian. II. 5. Strab. XIV.
p. 233.
14 c) Rennel hat in der Gegend von Derbesak, ostwärts
unter den Pässen von Beylan, dies Sochi (Onchas bei Curt. IV. 1. 3.)
zu finden geglaubt, und offenbar wäre auf diesem so oft zu Schlach-
ten gebrauchten Felde (Strabo XVI. p. 357.), ohne Darius Marsch durch
die Amanischen Pforten, auch der Kampf mit den Macedoniern ent-
schieden worden; die zwei Tagereisen Entfernung von den Amanischen

weckt worden ſein; nun war die Zeit der Barbaren vorüber, Griechi-
ſches Leben gewann Raum in den Ländern vieljähriger Knechtſchaft,
Griechiſcher Urſprung, ſonſt in Mitten Aſiatiſcher Barbarei verach-
tet und vergeſſen, wurde der ſchönſte Ruhm und die höchſte Berech-
tigung. Alexander gab den Soliern demokratiſche Verfaſſung; er
benutzte die nächſte Gelegenheit, ihnen die Brandſchatzung zu erlaſ-
ſen und ihre Geißeln zurückzugeben 14a).

Nach Tarſus zurückgekehrt, ließ der König ſeine Reuterei, un-
ter Philotas Führung, über das Aleiſche Feld an den Pyramus-
ſtrom vorrücken, während er ſelbſt mit dem anderen Heere an der
Küſte entlang über Magarſus nach Mallus zog, zweien Städten,
deren alte, mit den Heroenſagen der Hellenen verknüpfte Erinne-
rungen dem Könige Gelegenheit gaben, ſie durch das ehrenvolle
Anerkenntniß ihres mit den Macedoniern gemeinſamen Urſprungs
näher an ſein Intereſſe zu knüpfen; auch hatte ſich, namentlich in
Mallus, das Volk ſchon vor dem Erſcheinen Alexanders gegen ſeine
bisherigen Unterdrücker erhoben und ſich laut für die Macedoniſche
Sache erklärt; den blutigen Kampf zwiſchen der Perſiſchen und der
Volksparthei entſchied und ſtillte erſt Alexanders Erſcheinen; er gab
der Stadt die Freiheit, erließ ihr die bisher an den Perſerkönig
entrichteten Tribute und hielt für den Argiviſchen Heros Amphi-
lochus, den angeblichen Gründer der Stadt, mit dem er ſelbſt als
Nachkomme der Argiviſchen Herakliden ſich verwandt nannte, ein
feierliches Todtenopfer 14b). —

Noch während des Aufenthaltes in Mallus erhielt Alexander
die Nachricht, daß der König Darius mit einem ungeheuren Heere
vom Euphrat herangerückt ſei, und bereits einige Zeit in der Sy-
riſchen Stadt Onchä oder Sochi, kaum zwei Tagereiſen von den
Päſſen entfernt ſtehe 14 c). Alexander verſammelte ſofort einen

14a) Arrian. II. 12. 4.
14b) Arrian. II. 5. Strab. XIV.
p. 233.
14 c) Rennel hat in der Gegend von Derbeſak, oſtwärts
unter den Päſſen von Beylan, dies Sochi (Onchas bei Curt. IV. 1. 3.)
zu finden geglaubt, und offenbar wäre auf dieſem ſo oft zu Schlach-
ten gebrauchten Felde (Strabo XVI. p. 357.), ohne Darius Marſch durch
die Amaniſchen Pforten, auch der Kampf mit den Macedoniern ent-
ſchieden worden; die zwei Tagereiſen Entfernung von den Amaniſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="157"/>
weckt worden &#x017F;ein; nun war die Zeit der Barbaren vorüber, Griechi-<lb/>
&#x017F;ches Leben gewann Raum in den Ländern vieljähriger Knecht&#x017F;chaft,<lb/>
Griechi&#x017F;cher Ur&#x017F;prung, &#x017F;on&#x017F;t in Mitten A&#x017F;iati&#x017F;cher Barbarei verach-<lb/>
tet und verge&#x017F;&#x017F;en, wurde der &#x017F;chön&#x017F;te Ruhm und die höch&#x017F;te Berech-<lb/>
tigung. Alexander gab den Soliern demokrati&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung; er<lb/>
benutzte die näch&#x017F;te Gelegenheit, ihnen die Brand&#x017F;chatzung zu erla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und ihre Geißeln zurückzugeben <note place="foot" n="14a)"><hi rendition="#aq">Arrian. II. 12. 4.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Nach Tar&#x017F;us zurückgekehrt, ließ der König &#x017F;eine Reuterei, un-<lb/>
ter Philotas Führung, über das Alei&#x017F;che Feld an den Pyramus-<lb/>
&#x017F;trom vorrücken, während er &#x017F;elb&#x017F;t mit dem anderen Heere an der<lb/>&#x017F;te entlang über Magar&#x017F;us nach Mallus zog, zweien Städten,<lb/>
deren alte, mit den Heroen&#x017F;agen der Hellenen verknüpfte Erinne-<lb/>
rungen dem Könige Gelegenheit gaben, &#x017F;ie durch das ehrenvolle<lb/>
Anerkenntniß ihres mit den Macedoniern gemein&#x017F;amen Ur&#x017F;prungs<lb/>
näher an &#x017F;ein Intere&#x017F;&#x017F;e zu knüpfen; auch hatte &#x017F;ich, namentlich in<lb/>
Mallus, das Volk &#x017F;chon vor dem Er&#x017F;cheinen Alexanders gegen &#x017F;eine<lb/>
bisherigen Unterdrücker erhoben und &#x017F;ich laut für die Macedoni&#x017F;che<lb/>
Sache erklärt; den blutigen Kampf zwi&#x017F;chen der Per&#x017F;i&#x017F;chen und der<lb/>
Volksparthei ent&#x017F;chied und &#x017F;tillte er&#x017F;t Alexanders Er&#x017F;cheinen; er gab<lb/>
der Stadt die Freiheit, erließ ihr die bisher an den Per&#x017F;erkönig<lb/>
entrichteten Tribute und hielt für den Argivi&#x017F;chen Heros Amphi-<lb/>
lochus, den angeblichen Gründer der Stadt, mit dem er &#x017F;elb&#x017F;t als<lb/>
Nachkomme der Argivi&#x017F;chen Herakliden &#x017F;ich verwandt nannte, ein<lb/>
feierliches Todtenopfer <note place="foot" n="14b)"><hi rendition="#aq">Arrian. II. 5. Strab. XIV.<lb/>
p. 233.</hi></note>. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Noch während des Aufenthaltes in Mallus erhielt Alexander<lb/>
die Nachricht, daß der König Darius mit einem ungeheuren Heere<lb/>
vom Euphrat herangerückt &#x017F;ei, und bereits einige Zeit in der Sy-<lb/>
ri&#x017F;chen Stadt Onchä oder Sochi, kaum zwei Tagerei&#x017F;en von den<lb/>&#x017F;&#x017F;en entfernt &#x017F;tehe <note xml:id="note-0171" next="#note-0172" place="foot" n="14 c)">Rennel hat in der Gegend von Derbe&#x017F;ak, o&#x017F;twärts<lb/>
unter den Pä&#x017F;&#x017F;en von Beylan, dies Sochi (Onchas bei <hi rendition="#aq">Curt. IV. 1. 3.)</hi><lb/>
zu finden geglaubt, und offenbar wäre auf die&#x017F;em &#x017F;o oft zu Schlach-<lb/>
ten gebrauchten Felde <hi rendition="#aq">(Strabo XVI. p. 357.)</hi>, ohne Darius Mar&#x017F;ch durch<lb/>
die Amani&#x017F;chen Pforten, auch der Kampf mit den Macedoniern ent-<lb/>
&#x017F;chieden worden; die zwei Tagerei&#x017F;en Entfernung von den Amani&#x017F;chen</note>. Alexander ver&#x017F;ammelte &#x017F;ofort einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0171] weckt worden ſein; nun war die Zeit der Barbaren vorüber, Griechi- ſches Leben gewann Raum in den Ländern vieljähriger Knechtſchaft, Griechiſcher Urſprung, ſonſt in Mitten Aſiatiſcher Barbarei verach- tet und vergeſſen, wurde der ſchönſte Ruhm und die höchſte Berech- tigung. Alexander gab den Soliern demokratiſche Verfaſſung; er benutzte die nächſte Gelegenheit, ihnen die Brandſchatzung zu erlaſ- ſen und ihre Geißeln zurückzugeben 14a). Nach Tarſus zurückgekehrt, ließ der König ſeine Reuterei, un- ter Philotas Führung, über das Aleiſche Feld an den Pyramus- ſtrom vorrücken, während er ſelbſt mit dem anderen Heere an der Küſte entlang über Magarſus nach Mallus zog, zweien Städten, deren alte, mit den Heroenſagen der Hellenen verknüpfte Erinne- rungen dem Könige Gelegenheit gaben, ſie durch das ehrenvolle Anerkenntniß ihres mit den Macedoniern gemeinſamen Urſprungs näher an ſein Intereſſe zu knüpfen; auch hatte ſich, namentlich in Mallus, das Volk ſchon vor dem Erſcheinen Alexanders gegen ſeine bisherigen Unterdrücker erhoben und ſich laut für die Macedoniſche Sache erklärt; den blutigen Kampf zwiſchen der Perſiſchen und der Volksparthei entſchied und ſtillte erſt Alexanders Erſcheinen; er gab der Stadt die Freiheit, erließ ihr die bisher an den Perſerkönig entrichteten Tribute und hielt für den Argiviſchen Heros Amphi- lochus, den angeblichen Gründer der Stadt, mit dem er ſelbſt als Nachkomme der Argiviſchen Herakliden ſich verwandt nannte, ein feierliches Todtenopfer 14b). — Noch während des Aufenthaltes in Mallus erhielt Alexander die Nachricht, daß der König Darius mit einem ungeheuren Heere vom Euphrat herangerückt ſei, und bereits einige Zeit in der Sy- riſchen Stadt Onchä oder Sochi, kaum zwei Tagereiſen von den Päſſen entfernt ſtehe 14 c). Alexander verſammelte ſofort einen 14a) Arrian. II. 12. 4. 14b) Arrian. II. 5. Strab. XIV. p. 233. 14 c) Rennel hat in der Gegend von Derbeſak, oſtwärts unter den Päſſen von Beylan, dies Sochi (Onchas bei Curt. IV. 1. 3.) zu finden geglaubt, und offenbar wäre auf dieſem ſo oft zu Schlach- ten gebrauchten Felde (Strabo XVI. p. 357.), ohne Darius Marſch durch die Amaniſchen Pforten, auch der Kampf mit den Macedoniern ent- ſchieden worden; die zwei Tagereiſen Entfernung von den Amaniſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/171
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/171>, abgerufen am 22.11.2024.