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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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und Bundestruppen, mit den Thessaliern und den Thraciern des
Sitalces ostwärts vorrückte, und die Pässe nach Oberasien besetzte,
ging der König westwärts, um sich des Weges von Iconium und
des sogenannten rauhen Ciliciens zu versichern, dessen Bewohner,
freie räuberische Bergvölker, wie ihre Pisidischen Nachbaren, leicht
die Verbindung mit Kleinasien stören konnten. Er ging demnach
von Tarsus nach der Stadt Anchiale, die, von Sardanapal 13) ge-
gründet, das Standbild dieses Assyrischen Königs aufbewahrte, mit
der merkwürdigen Inschrift: "Anchiale und Tarsus hat Sardana-
pal an Einem Tage gegründet; du aber Fremdling, iß, trinke, liebe;
was sonst der Mensch hat, ist nicht der Rede werth." -- Dann
kam der König nach der Stadt Soli, der Heimath der Solöcis-
men, die, obschon Griechischen Ursprungs 14), den Persern so an-
hing, daß sich Alexander bewogen fühlte, nicht nur eine Besatzung
in der Stadt zu lassen, sondern ihr eine Buße von zweihundert
Talenten Silber aufzulegen. Von hier aus machte er mit drei
Divisionen der Macedonier und mit den Schützen und Agrianern
einen Streifzug in das rauhe Cilicien; in sieben Tagen hatte er
theils durch Gewalt, theils in Güte die Unterwerfung dieser Ge-
birgsbewohner vollendet und somit seine Verbindung mit den west-
lichen Provinzen gesichert. Er kehrte nach Soli zurück, und, um
den Hellenischen Ursprung der Stadt zu ehren und sie für die Helle-
nische Sache zu gewinnen, veranstaltete er in derselben zur Feier
seiner Wiedergenesung und des glücklichen Beginns des Feldzuges
jenseits des Taurus mannichfache Festlichkeiten, deren Freude durch
die Botschaft aus Karien, daß die Perser aus allen Plätzen der
Küste, so wie aus Cos verjagt seien, erhöht wurde; durch das
große Opfer, das dem Asklepios gebracht wurde, durch den Fest-
aufzug des gesammten Heeres, durch den Fackellauf, durch die
gymnischen und künstlerischen Wettkämpfe mag in den, der Grie-
chischen Sitte fast schon entwöhnten Soliern die Erinnerung an die
Heimath und an den eigenen Ursprung auf das Lebhafteste er-

13) Cf. O. Müller im Rheinischen Museum 1829.
14) Sie
war von Argivern gegründet, s. interpp. ad Curt. III. 7. 2. Ihre Be-
ziehung auf Solon (Diog. Laert.) dankt sie der sehr oberflächlichen
Namensähnlichkeit.

und Bundestruppen, mit den Theſſaliern und den Thraciern des
Sitalces oſtwärts vorrückte, und die Päſſe nach Oberaſien beſetzte,
ging der König weſtwärts, um ſich des Weges von Iconium und
des ſogenannten rauhen Ciliciens zu verſichern, deſſen Bewohner,
freie räuberiſche Bergvölker, wie ihre Piſidiſchen Nachbaren, leicht
die Verbindung mit Kleinaſien ſtören konnten. Er ging demnach
von Tarſus nach der Stadt Anchiale, die, von Sardanapal 13) ge-
gründet, das Standbild dieſes Aſſyriſchen Königs aufbewahrte, mit
der merkwürdigen Inſchrift: „Anchiale und Tarſus hat Sardana-
pal an Einem Tage gegründet; du aber Fremdling, iß, trinke, liebe;
was ſonſt der Menſch hat, iſt nicht der Rede werth.“ — Dann
kam der König nach der Stadt Soli, der Heimath der Solöcis-
men, die, obſchon Griechiſchen Urſprungs 14), den Perſern ſo an-
hing, daß ſich Alexander bewogen fühlte, nicht nur eine Beſatzung
in der Stadt zu laſſen, ſondern ihr eine Buße von zweihundert
Talenten Silber aufzulegen. Von hier aus machte er mit drei
Diviſionen der Macedonier und mit den Schützen und Agrianern
einen Streifzug in das rauhe Cilicien; in ſieben Tagen hatte er
theils durch Gewalt, theils in Güte die Unterwerfung dieſer Ge-
birgsbewohner vollendet und ſomit ſeine Verbindung mit den weſt-
lichen Provinzen geſichert. Er kehrte nach Soli zurück, und, um
den Helleniſchen Urſprung der Stadt zu ehren und ſie für die Helle-
niſche Sache zu gewinnen, veranſtaltete er in derſelben zur Feier
ſeiner Wiedergeneſung und des glücklichen Beginns des Feldzuges
jenſeits des Taurus mannichfache Feſtlichkeiten, deren Freude durch
die Botſchaft aus Karien, daß die Perſer aus allen Plätzen der
Küſte, ſo wie aus Cos verjagt ſeien, erhöht wurde; durch das
große Opfer, das dem Asklepios gebracht wurde, durch den Feſt-
aufzug des geſammten Heeres, durch den Fackellauf, durch die
gymniſchen und künſtleriſchen Wettkämpfe mag in den, der Grie-
chiſchen Sitte faſt ſchon entwöhnten Soliern die Erinnerung an die
Heimath und an den eigenen Urſprung auf das Lebhafteſte er-

13) Cf. O. Müller im Rheiniſchen Muſeum 1829.
14) Sie
war von Argivern gegründet, ſ. interpp. ad Curt. III. 7. 2. Ihre Be-
ziehung auf Solon (Diog. Laert.) dankt ſie der ſehr oberflächlichen
Namensähnlichkeit.
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[156/0170] und Bundestruppen, mit den Theſſaliern und den Thraciern des Sitalces oſtwärts vorrückte, und die Päſſe nach Oberaſien beſetzte, ging der König weſtwärts, um ſich des Weges von Iconium und des ſogenannten rauhen Ciliciens zu verſichern, deſſen Bewohner, freie räuberiſche Bergvölker, wie ihre Piſidiſchen Nachbaren, leicht die Verbindung mit Kleinaſien ſtören konnten. Er ging demnach von Tarſus nach der Stadt Anchiale, die, von Sardanapal 13) ge- gründet, das Standbild dieſes Aſſyriſchen Königs aufbewahrte, mit der merkwürdigen Inſchrift: „Anchiale und Tarſus hat Sardana- pal an Einem Tage gegründet; du aber Fremdling, iß, trinke, liebe; was ſonſt der Menſch hat, iſt nicht der Rede werth.“ — Dann kam der König nach der Stadt Soli, der Heimath der Solöcis- men, die, obſchon Griechiſchen Urſprungs 14), den Perſern ſo an- hing, daß ſich Alexander bewogen fühlte, nicht nur eine Beſatzung in der Stadt zu laſſen, ſondern ihr eine Buße von zweihundert Talenten Silber aufzulegen. Von hier aus machte er mit drei Diviſionen der Macedonier und mit den Schützen und Agrianern einen Streifzug in das rauhe Cilicien; in ſieben Tagen hatte er theils durch Gewalt, theils in Güte die Unterwerfung dieſer Ge- birgsbewohner vollendet und ſomit ſeine Verbindung mit den weſt- lichen Provinzen geſichert. Er kehrte nach Soli zurück, und, um den Helleniſchen Urſprung der Stadt zu ehren und ſie für die Helle- niſche Sache zu gewinnen, veranſtaltete er in derſelben zur Feier ſeiner Wiedergeneſung und des glücklichen Beginns des Feldzuges jenſeits des Taurus mannichfache Feſtlichkeiten, deren Freude durch die Botſchaft aus Karien, daß die Perſer aus allen Plätzen der Küſte, ſo wie aus Cos verjagt ſeien, erhöht wurde; durch das große Opfer, das dem Asklepios gebracht wurde, durch den Feſt- aufzug des geſammten Heeres, durch den Fackellauf, durch die gymniſchen und künſtleriſchen Wettkämpfe mag in den, der Grie- chiſchen Sitte faſt ſchon entwöhnten Soliern die Erinnerung an die Heimath und an den eigenen Urſprung auf das Lebhafteſte er- 13) Cf. O. Müller im Rheiniſchen Muſeum 1829. 14) Sie war von Argivern gegründet, ſ. interpp. ad Curt. III. 7. 2. Ihre Be- ziehung auf Solon (Diog. Laert.) dankt ſie der ſehr oberflächlichen Namensähnlichkeit.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/170>, abgerufen am 28.03.2024.