und Memnon erhielt zum zweiten Male Befehl, gegen die Macedo- nier auf der Küste zu kämpfen. An der Spitze von fünftausend Griechischen Söldnern eilte er aus seinen Besitzungen am Skaman- der 14) über das Idagebirge nach Cyzikus, dem wichtigsten Hafen- platz an der Propontis, von wo aus die Küste bis zum Hellespont beherrscht wurde; fast wäre es ihm gelungen, sich der Stadt, deren Thore, da man Kalas Heer zu sehen glaubte, nicht geschlossen wa- ren, zu bemächtigen; da das mislang, verwüstete er das Gebiet der Stadt 15) und eilte gen Aeolis, wo Parmenion schon Pitane be- lagerte; Memnons Erscheinen entsetzte die Stadt. Dann brach er schnell nach Troas auf, wo Kalas bereits bedeutend vorgedrungen war; die Stadt Lampsakus, ganz der Persischen Sache ergeben, gab seinen Bewegungen einen trefflichen Stützpunkt 15b); an Truppen überlegen, siegte er in einem Gefechte, und Kalas war gezwungen, sich an den Hellespont zurückzuziehen und sich auf die feste Stellung von Rhötion zu beschränken 16). Es ist auffallend, daß Memnon hier seine Bewegungen einstellte, bevor er die Mace- donier ganz aus Asien verdrängt hatte, daß er sie auf einer Küste, die ihnen bei der überlegenen Seemacht Persiens leicht gesperrt werden konnte, im Besitz zweier so wichtigen Positionen ließ, von denen die eine den Hellespont und den Uebergang nach Asien be- herrschte, die andere nicht nur der Macedonischen Seemacht in der Cumäischen Bucht eine treffliche Rhede bot, sondern auch mitten unter den Aeolischen Stämmen und dem befreundeten Mitylene nah auf die ersten Erfolge eines Krieges entscheidenden Einfluß ausüben konnte. Einem Feldherrn, wie Memnon war, konnten diese Uebel- stände nicht entgehen; die Satrapen warfen ihm späterhin vor, daß er, um sich unentbehrlich zu machen, den Krieg zu verlängern suche; entweder das, oder die Eifersucht der Satrapen nahm ihm die Mittel, jene Fehler zu verbessern.
Der Gang, welchen die Verhältnisse in Hellas zu Gunsten Alexanders genommen hatten, die Rüstungen, welche während des
14) Namentlich die Städte Ilion, Cebren und Skepsis an den Aesopusquellen; Demosth. in Aristoer. p. 602.
15)Polyaen. l. c.
15b)v. Freinsheim supplem. Curl. I. 3. 28. Aristol. Oecon. II. p. 1351. b.
16)Diod. XVII. 7.
und Memnon erhielt zum zweiten Male Befehl, gegen die Macedo- nier auf der Küſte zu kämpfen. An der Spitze von fünftauſend Griechiſchen Söldnern eilte er aus ſeinen Beſitzungen am Skaman- der 14) über das Idagebirge nach Cyzikus, dem wichtigſten Hafen- platz an der Propontis, von wo aus die Küſte bis zum Hellespont beherrſcht wurde; faſt wäre es ihm gelungen, ſich der Stadt, deren Thore, da man Kalas Heer zu ſehen glaubte, nicht geſchloſſen wa- ren, zu bemächtigen; da das mislang, verwüſtete er das Gebiet der Stadt 15) und eilte gen Aeolis, wo Parmenion ſchon Pitane be- lagerte; Memnons Erſcheinen entſetzte die Stadt. Dann brach er ſchnell nach Troas auf, wo Kalas bereits bedeutend vorgedrungen war; die Stadt Lampſakus, ganz der Perſiſchen Sache ergeben, gab ſeinen Bewegungen einen trefflichen Stützpunkt 15b); an Truppen überlegen, ſiegte er in einem Gefechte, und Kalas war gezwungen, ſich an den Hellespont zurückzuziehen und ſich auf die feſte Stellung von Rhötion zu beſchränken 16). Es iſt auffallend, daß Memnon hier ſeine Bewegungen einſtellte, bevor er die Mace- donier ganz aus Aſien verdrängt hatte, daß er ſie auf einer Küſte, die ihnen bei der überlegenen Seemacht Perſiens leicht geſperrt werden konnte, im Beſitz zweier ſo wichtigen Poſitionen ließ, von denen die eine den Hellespont und den Uebergang nach Aſien be- herrſchte, die andere nicht nur der Macedoniſchen Seemacht in der Cumäiſchen Bucht eine treffliche Rhede bot, ſondern auch mitten unter den Aeoliſchen Stämmen und dem befreundeten Mitylene nah auf die erſten Erfolge eines Krieges entſcheidenden Einfluß ausüben konnte. Einem Feldherrn, wie Memnon war, konnten dieſe Uebel- ſtände nicht entgehen; die Satrapen warfen ihm ſpäterhin vor, daß er, um ſich unentbehrlich zu machen, den Krieg zu verlängern ſuche; entweder das, oder die Eiferſucht der Satrapen nahm ihm die Mittel, jene Fehler zu verbeſſern.
Der Gang, welchen die Verhältniſſe in Hellas zu Gunſten Alexanders genommen hatten, die Rüſtungen, welche während des
14) Namentlich die Städte Ilion, Cebren und Skepſis an den Aeſopusquellen; Demosth. in Aristoer. p. 602.
15)Polyaen. l. c.
15b)v. Freinsheim supplem. Curl. I. 3. 28. Aristol. Oecon. II. p. 1351. b.
16)Diod. XVII. 7.
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und Memnon erhielt zum zweiten Male Befehl, gegen die Macedo-
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der 14) über das Idagebirge nach Cyzikus, dem wichtigſten Hafen-
platz an der Propontis, von wo aus die Küſte bis zum Hellespont
beherrſcht wurde; faſt wäre es ihm gelungen, ſich der Stadt, deren
Thore, da man Kalas Heer zu ſehen glaubte, nicht geſchloſſen wa-
ren, zu bemächtigen; da das mislang, verwüſtete er das Gebiet der
Stadt 15) und eilte gen Aeolis, wo Parmenion ſchon Pitane be-
lagerte; Memnons Erſcheinen entſetzte die Stadt. Dann brach er
ſchnell nach Troas auf, wo Kalas bereits bedeutend vorgedrungen
war; die Stadt Lampſakus, ganz der Perſiſchen Sache ergeben,
gab ſeinen Bewegungen einen trefflichen Stützpunkt 15b); an
Truppen überlegen, ſiegte er in einem Gefechte, und Kalas war
gezwungen, ſich an den Hellespont zurückzuziehen und ſich auf die
feſte Stellung von Rhötion zu beſchränken 16). Es iſt auffallend,
daß Memnon hier ſeine Bewegungen einſtellte, bevor er die Mace-
donier ganz aus Aſien verdrängt hatte, daß er ſie auf einer Küſte,
die ihnen bei der überlegenen Seemacht Perſiens leicht geſperrt
werden konnte, im Beſitz zweier ſo wichtigen Poſitionen ließ, von
denen die eine den Hellespont und den Uebergang nach Aſien be-
herrſchte, die andere nicht nur der Macedoniſchen Seemacht in der
Cumäiſchen Bucht eine treffliche Rhede bot, ſondern auch mitten
unter den Aeoliſchen Stämmen und dem befreundeten Mitylene nah
auf die erſten Erfolge eines Krieges entſcheidenden Einfluß ausüben
konnte. Einem Feldherrn, wie Memnon war, konnten dieſe Uebel-
ſtände nicht entgehen; die Satrapen warfen ihm ſpäterhin vor,
daß er, um ſich unentbehrlich zu machen, den Krieg zu verlängern
ſuche; entweder das, oder die Eiferſucht der Satrapen nahm ihm
die Mittel, jene Fehler zu verbeſſern.
Der Gang, welchen die Verhältniſſe in Hellas zu Gunſten
Alexanders genommen hatten, die Rüſtungen, welche während des
14) Namentlich die Städte Ilion, Cebren und Skepſis an den
Aeſopusquellen; Demosth. in Aristoer. p. 602.
15) Polyaen.
l. c.
15b) v. Freinsheim supplem. Curl. I. 3. 28. Aristol.
Oecon. II. p. 1351. b.
16) Diod. XVII. 7.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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