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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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friedlichen Ehestandes, in dem die Frau aber nie
vergißt, daß sie am Hochzeitstage ihres Mannes
Hut getragen. Noch bleibt den Gästen, bevor sie
sich zerstreuen, eine seltsame Aufgabe: der Bräutigam
ist nämlich während der Menuett unsichtbar ge-
worden, -- er hat sich versteckt, offenbar aus Furcht
vor der behuteten Braut, und das ganze Haus wird
umgekehrt, ihn zu suchen; man schaut in und unter
die Betten, raschelt im Stroh und Heu umher,
durchstöbert sogar den Garten, bis endlich Jemand
in einem Winkel voll alten Gerümpels den Quast
seiner Zipfelmütze oder ein Endchen der Küchen-
schürze entdeckt, wo er dann sofort gefaßt und mit
gleicher Gewalt und viel weniger Anstand als seine
schöne Hälfte der Brautkammer zugeschleppt wird.
Bei Begräbnissen fällt wenig Ungewöhnliches vor,
außer daß der Tod eines Hausvaters seinen Bienen
angesagt werden muß, wenn nicht binnen Jahresfrist
alle Stöcke abzehren und verziehen sollen, weshalb, so-
bald der Verscheidende den letzten Athemzug gethan, so-
fort der Gefaßteste unter den Anwesenden an den Stand
geht, an jeden Korb pocht und vernehmlich spricht:
"Einen Gruß von der Frau, der Herr ist todt,"
worauf die Bienen sich christlich in ihr Leid finden
und ihren Geschäften nach wie vor obliegen. Die
Leichenwacht, die in Stille und Gebet abgehalten
wird, ist eine Pflicht jener entfernten Nachbarn, so

friedlichen Eheſtandes, in dem die Frau aber nie
vergißt, daß ſie am Hochzeitstage ihres Mannes
Hut getragen. Noch bleibt den Gäſten, bevor ſie
ſich zerſtreuen, eine ſeltſame Aufgabe: der Bräutigam
iſt nämlich während der Menuett unſichtbar ge-
worden, — er hat ſich verſteckt, offenbar aus Furcht
vor der behuteten Braut, und das ganze Haus wird
umgekehrt, ihn zu ſuchen; man ſchaut in und unter
die Betten, raſchelt im Stroh und Heu umher,
durchſtöbert ſogar den Garten, bis endlich Jemand
in einem Winkel voll alten Gerümpels den Quaſt
ſeiner Zipfelmütze oder ein Endchen der Küchen-
ſchürze entdeckt, wo er dann ſofort gefaßt und mit
gleicher Gewalt und viel weniger Anſtand als ſeine
ſchöne Hälfte der Brautkammer zugeſchleppt wird.
Bei Begräbniſſen fällt wenig Ungewöhnliches vor,
außer daß der Tod eines Hausvaters ſeinen Bienen
angeſagt werden muß, wenn nicht binnen Jahresfriſt
alle Stöcke abzehren und verziehen ſollen, weshalb, ſo-
bald der Verſcheidende den letzten Athemzug gethan, ſo-
fort der Gefaßteſte unter den Anweſenden an den Stand
geht, an jeden Korb pocht und vernehmlich ſpricht:
„Einen Gruß von der Frau, der Herr iſt todt,“
worauf die Bienen ſich chriſtlich in ihr Leid finden
und ihren Geſchäften nach wie vor obliegen. Die
Leichenwacht, die in Stille und Gebet abgehalten
wird, iſt eine Pflicht jener entfernten Nachbarn, ſo

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[285/0301] friedlichen Eheſtandes, in dem die Frau aber nie vergißt, daß ſie am Hochzeitstage ihres Mannes Hut getragen. Noch bleibt den Gäſten, bevor ſie ſich zerſtreuen, eine ſeltſame Aufgabe: der Bräutigam iſt nämlich während der Menuett unſichtbar ge- worden, — er hat ſich verſteckt, offenbar aus Furcht vor der behuteten Braut, und das ganze Haus wird umgekehrt, ihn zu ſuchen; man ſchaut in und unter die Betten, raſchelt im Stroh und Heu umher, durchſtöbert ſogar den Garten, bis endlich Jemand in einem Winkel voll alten Gerümpels den Quaſt ſeiner Zipfelmütze oder ein Endchen der Küchen- ſchürze entdeckt, wo er dann ſofort gefaßt und mit gleicher Gewalt und viel weniger Anſtand als ſeine ſchöne Hälfte der Brautkammer zugeſchleppt wird. Bei Begräbniſſen fällt wenig Ungewöhnliches vor, außer daß der Tod eines Hausvaters ſeinen Bienen angeſagt werden muß, wenn nicht binnen Jahresfriſt alle Stöcke abzehren und verziehen ſollen, weshalb, ſo- bald der Verſcheidende den letzten Athemzug gethan, ſo- fort der Gefaßteſte unter den Anweſenden an den Stand geht, an jeden Korb pocht und vernehmlich ſpricht: „Einen Gruß von der Frau, der Herr iſt todt,“ worauf die Bienen ſich chriſtlich in ihr Leid finden und ihren Geſchäften nach wie vor obliegen. Die Leichenwacht, die in Stille und Gebet abgehalten wird, iſt eine Pflicht jener entfernten Nachbarn, ſo

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/301>, abgerufen am 23.11.2024.