ein Bursche ein Juchhei los, was aber so einsam klingt, wie ein Eulenschrei in einer Sturmnacht. -- Bier wird mäßig getrunken, Branntwein noch mäßiger, aber siedender Kaffee "zur Abkühlung" in ganzen Strömen, und mindestens sieben blanke Zinnkessel sind in steter Bewegung. -- Zwischen dem Tanzen verschwindet die Braut von Zeit zu Zeit und kehrt allemal in einem andern Anzuge zurück, so viel ihr derer zu Gebote stehen, vom Traustaate an bis zum gewöhnlichen Sonntags- putze, in dem sie sich noch stattlich genug ausnimmt, in der damastenen Kappe mit breiter Goldtresse, dem schweren Seidenhalstuche und einem so imposanten Körperumfange, als ihn mindestens vier Tuchröcke übereinander hervorbringen können. Sobald die Hängeuhr in der Küche Mitternacht geschlagen hat, sieht man die Frauen sich von ihren Bänken er- heben und mit einander flüstern; gleichzeitig drängt sich das junge Volk zusammen, nimmt die Braut in seine Mitte und beginnt einen äußerst künstlichen Schneckentanz, dessen Zweck ist, im raschen Durch- einanderwimmeln immer eine vierfache Mauer um die Braut zu erhalten, denn jetzt gilt's den Kampf zwischen Ehe und Jungfrauschaft. -- So wie die Frauen anrücken, wird der Tanz lebhafter, die Ver- schlingungen bunter, die Frauen suchen von allen Seiten in den Kreis zu dringen, die Junggesellen
ein Burſche ein Juchhei los, was aber ſo einſam klingt, wie ein Eulenſchrei in einer Sturmnacht. — Bier wird mäßig getrunken, Branntwein noch mäßiger, aber ſiedender Kaffee „zur Abkühlung“ in ganzen Strömen, und mindeſtens ſieben blanke Zinnkeſſel ſind in ſteter Bewegung. — Zwiſchen dem Tanzen verſchwindet die Braut von Zeit zu Zeit und kehrt allemal in einem andern Anzuge zurück, ſo viel ihr derer zu Gebote ſtehen, vom Trauſtaate an bis zum gewöhnlichen Sonntags- putze, in dem ſie ſich noch ſtattlich genug ausnimmt, in der damaſtenen Kappe mit breiter Goldtreſſe, dem ſchweren Seidenhalstuche und einem ſo impoſanten Körperumfange, als ihn mindeſtens vier Tuchröcke übereinander hervorbringen können. Sobald die Hängeuhr in der Küche Mitternacht geſchlagen hat, ſieht man die Frauen ſich von ihren Bänken er- heben und mit einander flüſtern; gleichzeitig drängt ſich das junge Volk zuſammen, nimmt die Braut in ſeine Mitte und beginnt einen äußerſt künſtlichen Schneckentanz, deſſen Zweck iſt, im raſchen Durch- einanderwimmeln immer eine vierfache Mauer um die Braut zu erhalten, denn jetzt gilt’s den Kampf zwiſchen Ehe und Jungfrauſchaft. — So wie die Frauen anrücken, wird der Tanz lebhafter, die Ver- ſchlingungen bunter, die Frauen ſuchen von allen Seiten in den Kreis zu dringen, die Junggeſellen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0299"n="283"/>
ein Burſche ein Juchhei los, was aber ſo einſam<lb/>
klingt, wie ein Eulenſchrei in einer Sturmnacht. —<lb/>
Bier wird mäßig getrunken, Branntwein noch<lb/>
mäßiger, aber ſiedender Kaffee „zur Abkühlung“ in<lb/>
ganzen Strömen, und mindeſtens ſieben blanke<lb/>
Zinnkeſſel ſind in ſteter Bewegung. — Zwiſchen<lb/>
dem Tanzen verſchwindet die Braut von Zeit zu<lb/>
Zeit und kehrt allemal in einem andern Anzuge<lb/>
zurück, ſo viel ihr derer zu Gebote ſtehen, vom<lb/>
Trauſtaate an bis zum gewöhnlichen Sonntags-<lb/>
putze, in dem ſie ſich noch ſtattlich genug ausnimmt,<lb/>
in der damaſtenen Kappe mit breiter Goldtreſſe, dem<lb/>ſchweren Seidenhalstuche und einem ſo impoſanten<lb/>
Körperumfange, als ihn mindeſtens vier Tuchröcke<lb/>
übereinander hervorbringen können. Sobald die<lb/>
Hängeuhr in der Küche Mitternacht geſchlagen hat,<lb/>ſieht man die Frauen ſich von ihren Bänken er-<lb/>
heben und mit einander flüſtern; gleichzeitig drängt<lb/>ſich das junge Volk zuſammen, nimmt die Braut<lb/>
in ſeine Mitte und beginnt einen äußerſt künſtlichen<lb/>
Schneckentanz, deſſen Zweck iſt, im raſchen Durch-<lb/>
einanderwimmeln immer eine vierfache Mauer um<lb/>
die Braut zu erhalten, denn jetzt gilt’s den Kampf<lb/>
zwiſchen Ehe und Jungfrauſchaft. — So wie die<lb/>
Frauen anrücken, wird der Tanz lebhafter, die Ver-<lb/>ſchlingungen bunter, die Frauen ſuchen von allen<lb/>
Seiten in den Kreis zu dringen, die Junggeſellen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[283/0299]
ein Burſche ein Juchhei los, was aber ſo einſam
klingt, wie ein Eulenſchrei in einer Sturmnacht. —
Bier wird mäßig getrunken, Branntwein noch
mäßiger, aber ſiedender Kaffee „zur Abkühlung“ in
ganzen Strömen, und mindeſtens ſieben blanke
Zinnkeſſel ſind in ſteter Bewegung. — Zwiſchen
dem Tanzen verſchwindet die Braut von Zeit zu
Zeit und kehrt allemal in einem andern Anzuge
zurück, ſo viel ihr derer zu Gebote ſtehen, vom
Trauſtaate an bis zum gewöhnlichen Sonntags-
putze, in dem ſie ſich noch ſtattlich genug ausnimmt,
in der damaſtenen Kappe mit breiter Goldtreſſe, dem
ſchweren Seidenhalstuche und einem ſo impoſanten
Körperumfange, als ihn mindeſtens vier Tuchröcke
übereinander hervorbringen können. Sobald die
Hängeuhr in der Küche Mitternacht geſchlagen hat,
ſieht man die Frauen ſich von ihren Bänken er-
heben und mit einander flüſtern; gleichzeitig drängt
ſich das junge Volk zuſammen, nimmt die Braut
in ſeine Mitte und beginnt einen äußerſt künſtlichen
Schneckentanz, deſſen Zweck iſt, im raſchen Durch-
einanderwimmeln immer eine vierfache Mauer um
die Braut zu erhalten, denn jetzt gilt’s den Kampf
zwiſchen Ehe und Jungfrauſchaft. — So wie die
Frauen anrücken, wird der Tanz lebhafter, die Ver-
ſchlingungen bunter, die Frauen ſuchen von allen
Seiten in den Kreis zu dringen, die Junggeſellen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/299>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.