ihren Nachkommen den ungestörten Genuß des Hofes sichert, nach dem Spruche: "Wen die Herrschaft einleitet, den leitet sie nicht wieder heraus." Wäh- rend dieser Ceremonie schlüpft der Bräutigam in seine Kammer und erscheint alsbald in Kamisol, Zipfelmütze und Küchenschürze. In diesem Aufzuge muß er an seinem Ehrentage den Gästen aufwarten, nimmt auch keinen Theil am Hochzeitsmahle, son- dern steht, mit dem Teller unterm Arme, hinter der Braut, die ihrerseits keinen Finger rührt und sich wie eine Prinzessin bedienen läßt. -- Nach Tische beginnen auf der Tenne die althergebrachten Tänze: "der halbe Mond," "der Schustertanz," "hinten im Garten", manche mit den anmuthigsten Ver- schlingungen. -- Das Orchester besteht aus einer oder zwei Geigen und einer invaliden Baßgeige, die der Schweinehirt oder Pferdeknecht aus dem Steg- reif streicht. -- Ist das Publikum sehr musikliebend, so kommen noch wohl ein Paar Topfdeckel hinzu und eine Kornschwinge, die abwechselnd von den Gästen mit einem Spane aus Leibeskräften wider den Strich gekratzt wird. -- Nimmt man hiezu das Gebrüll und Kettengeklirr des Viehes, das er- schrocken an seinen Ständern stampft, so wird man zugeben, daß die unerschütterliche Gravität der Tänzer mindestens nicht dem Mangel an aufregendem Ge- räusche zuzuschreiben ist. Hier und dort läßt wohl
ihren Nachkommen den ungeſtörten Genuß des Hofes ſichert, nach dem Spruche: „Wen die Herrſchaft einleitet, den leitet ſie nicht wieder heraus.“ Wäh- rend dieſer Ceremonie ſchlüpft der Bräutigam in ſeine Kammer und erſcheint alsbald in Kamiſol, Zipfelmütze und Küchenſchürze. In dieſem Aufzuge muß er an ſeinem Ehrentage den Gäſten aufwarten, nimmt auch keinen Theil am Hochzeitsmahle, ſon- dern ſteht, mit dem Teller unterm Arme, hinter der Braut, die ihrerſeits keinen Finger rührt und ſich wie eine Prinzeſſin bedienen läßt. — Nach Tiſche beginnen auf der Tenne die althergebrachten Tänze: „der halbe Mond,“ „der Schuſtertanz,“ „hinten im Garten“, manche mit den anmuthigſten Ver- ſchlingungen. — Das Orcheſter beſteht aus einer oder zwei Geigen und einer invaliden Baßgeige, die der Schweinehirt oder Pferdeknecht aus dem Steg- reif ſtreicht. — Iſt das Publikum ſehr muſikliebend, ſo kommen noch wohl ein Paar Topfdeckel hinzu und eine Kornſchwinge, die abwechſelnd von den Gäſten mit einem Spane aus Leibeskräften wider den Strich gekratzt wird. — Nimmt man hiezu das Gebrüll und Kettengeklirr des Viehes, das er- ſchrocken an ſeinen Ständern ſtampft, ſo wird man zugeben, daß die unerſchütterliche Gravität der Tänzer mindeſtens nicht dem Mangel an aufregendem Ge- räuſche zuzuſchreiben iſt. Hier und dort läßt wohl
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ihren Nachkommen den ungeſtörten Genuß des Hofes
ſichert, nach dem Spruche: „Wen die Herrſchaft
einleitet, den leitet ſie nicht wieder heraus.“ Wäh-
rend dieſer Ceremonie ſchlüpft der Bräutigam in
ſeine Kammer und erſcheint alsbald in Kamiſol,
Zipfelmütze und Küchenſchürze. In dieſem Aufzuge
muß er an ſeinem Ehrentage den Gäſten aufwarten,
nimmt auch keinen Theil am Hochzeitsmahle, ſon-
dern ſteht, mit dem Teller unterm Arme, hinter der
Braut, die ihrerſeits keinen Finger rührt und ſich
wie eine Prinzeſſin bedienen läßt. — Nach Tiſche
beginnen auf der Tenne die althergebrachten Tänze:
„der halbe Mond,“ „der Schuſtertanz,“ „hinten im
Garten“, manche mit den anmuthigſten Ver-
ſchlingungen. — Das Orcheſter beſteht aus einer
oder zwei Geigen und einer invaliden Baßgeige, die
der Schweinehirt oder Pferdeknecht aus dem Steg-
reif ſtreicht. — Iſt das Publikum ſehr muſikliebend,
ſo kommen noch wohl ein Paar Topfdeckel hinzu
und eine Kornſchwinge, die abwechſelnd von den
Gäſten mit einem Spane aus Leibeskräften wider
den Strich gekratzt wird. — Nimmt man hiezu
das Gebrüll und Kettengeklirr des Viehes, das er-
ſchrocken an ſeinen Ständern ſtampft, ſo wird man
zugeben, daß die unerſchütterliche Gravität der Tänzer
mindeſtens nicht dem Mangel an aufregendem Ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/298>, abgerufen am 23.11.2024.
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