Das war noch am vorigen Tage. Es schien, er hatte sich immer um das Brederholz herumgetrieben.
"Wenn nur das verdammte Buschwerk nicht so dicht wäre! da kann keine Seele hindurch," sagte der Gutsherr. Man trieb die Hunde in den jungen Schlag; man blies und hallohte und kehrte endlich mißvergnügt heim, als man sich überzeugt, daß die Thiere den ganzen Wald abgesucht hatten. -- "Laßt nicht nach! laßt nicht nach!" bat Frau von S.; "besser ein paar Schritte umsonst, als daß etwas versäumt wird." Der Baron war fast ebenso beängstigt wie sie. Seine Unruhe trieb ihn sogar nach Johannes Wohnung, obwohl er sicher war, ihn dort nicht zu finden. Er ließ sich die Kam- mer des Verschollenen aufschließen. Da stand sein Bett noch ungemacht, wie er es verlassen hatte, dort hing sein guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem alten Jagdkleide des Herrn hatte machen lassen; auf dem Tische ein Napf, sechs neue hölzerne Löffel und eine Schachtel.
Der Gutsherr öffnete sie; fünf Groschen lagen darin, sauber in Papier gewickelt, und vier silberne Westenknöpfe; der Gutsherr betrachtete sie aufmerk- sam. "Ein Andenken von Mergel," murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in dem dumpfen, engen Kämmerchen.
Die Nachsuchungen wurden fortgesetzt, bis
Das war noch am vorigen Tage. Es ſchien, er hatte ſich immer um das Brederholz herumgetrieben.
„Wenn nur das verdammte Buſchwerk nicht ſo dicht wäre! da kann keine Seele hindurch,“ ſagte der Gutsherr. Man trieb die Hunde in den jungen Schlag; man blies und hallohte und kehrte endlich mißvergnügt heim, als man ſich überzeugt, daß die Thiere den ganzen Wald abgeſucht hatten. — „Laßt nicht nach! laßt nicht nach!“ bat Frau von S.; „beſſer ein paar Schritte umſonſt, als daß etwas verſäumt wird.“ Der Baron war faſt ebenſo beängſtigt wie ſie. Seine Unruhe trieb ihn ſogar nach Johannes Wohnung, obwohl er ſicher war, ihn dort nicht zu finden. Er ließ ſich die Kam- mer des Verſchollenen aufſchließen. Da ſtand ſein Bett noch ungemacht, wie er es verlaſſen hatte, dort hing ſein guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem alten Jagdkleide des Herrn hatte machen laſſen; auf dem Tiſche ein Napf, ſechs neue hölzerne Löffel und eine Schachtel.
Der Gutsherr öffnete ſie; fünf Groſchen lagen darin, ſauber in Papier gewickelt, und vier ſilberne Weſtenknöpfe; der Gutsherr betrachtete ſie aufmerk- ſam. „Ein Andenken von Mergel,“ murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in dem dumpfen, engen Kämmerchen.
Die Nachſuchungen wurden fortgeſetzt, bis
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Das war noch am vorigen Tage. Es ſchien, er
hatte ſich immer um das Brederholz herumgetrieben.
„Wenn nur das verdammte Buſchwerk nicht
ſo dicht wäre! da kann keine Seele hindurch,“ ſagte
der Gutsherr. Man trieb die Hunde in den jungen
Schlag; man blies und hallohte und kehrte endlich
mißvergnügt heim, als man ſich überzeugt, daß die
Thiere den ganzen Wald abgeſucht hatten. —
„Laßt nicht nach! laßt nicht nach!“ bat Frau von
S.; „beſſer ein paar Schritte umſonſt, als daß
etwas verſäumt wird.“ Der Baron war faſt ebenſo
beängſtigt wie ſie. Seine Unruhe trieb ihn ſogar
nach Johannes Wohnung, obwohl er ſicher war,
ihn dort nicht zu finden. Er ließ ſich die Kam-
mer des Verſchollenen aufſchließen. Da ſtand ſein
Bett noch ungemacht, wie er es verlaſſen hatte,
dort hing ſein guter Rock, den ihm die gnädige
Frau aus dem alten Jagdkleide des Herrn hatte
machen laſſen; auf dem Tiſche ein Napf, ſechs neue
hölzerne Löffel und eine Schachtel.
Der Gutsherr öffnete ſie; fünf Groſchen lagen
darin, ſauber in Papier gewickelt, und vier ſilberne
Weſtenknöpfe; der Gutsherr betrachtete ſie aufmerk-
ſam. „Ein Andenken von Mergel,“ murmelte er
und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in
dem dumpfen, engen Kämmerchen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/240>, abgerufen am 16.08.2024.
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