man sich überzeugt hatte, Johannes sei nicht mehr in der Gegend, wenigstens nicht lebendig.
So war er denn zum zweitenmal verschwunden; ob man ihn wiederfinden würde -- vielleicht ein- mal nach Jahren seine Knochen in einem trockenen Graben? ihn lebend wieder zu sehen, dazu war wenig Hoffnung, und jedenfalls nach achtundzwanzig Jahren gewiß nicht.
Vierzehn Tage später kehrte der junge Brandes Morgens von einer Besichtigung seines Reviers durch das Brederholz heim. Es war ein für die Jahres- zeit ungewöhnlich heißer Tag; die Luft zitterte, kein Vogel sang, nur die Raben krächzten langweilig aus den Aesten und hielten ihre offenen Schnäbel der Luft entgegen. Brandes war sehr ermüdet. Bald nahm er seine von der Sonne durchglühte Kappe ab, bald setzte er sie wieder auf. Es war Alles gleich unerträglich, das Arbeiten durch den kniehohen Schlag sehr beschwerlich. Rings umher kein Baum außer der Judenbuche. Dahin strebte er denn auch aus allen Kräften und ließ sich todtmatt auf das beschattete Moos darunter nieder. Die Kühle zog so angenehm durch seine Glieder, daß er die Augen schloß.
"Schändliche Pilze!" murmelte er halb im Schlaf. Es giebt nämlich in jener Gegend eine Art sehr saftiger Pilze, die nur ein paar Tage
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man ſich überzeugt hatte, Johannes ſei nicht mehr in der Gegend, wenigſtens nicht lebendig.
So war er denn zum zweitenmal verſchwunden; ob man ihn wiederfinden würde — vielleicht ein- mal nach Jahren ſeine Knochen in einem trockenen Graben? ihn lebend wieder zu ſehen, dazu war wenig Hoffnung, und jedenfalls nach achtundzwanzig Jahren gewiß nicht.
Vierzehn Tage ſpäter kehrte der junge Brandes Morgens von einer Beſichtigung ſeines Reviers durch das Brederholz heim. Es war ein für die Jahres- zeit ungewöhnlich heißer Tag; die Luft zitterte, kein Vogel ſang, nur die Raben krächzten langweilig aus den Aeſten und hielten ihre offenen Schnäbel der Luft entgegen. Brandes war ſehr ermüdet. Bald nahm er ſeine von der Sonne durchglühte Kappe ab, bald ſetzte er ſie wieder auf. Es war Alles gleich unerträglich, das Arbeiten durch den kniehohen Schlag ſehr beſchwerlich. Rings umher kein Baum außer der Judenbuche. Dahin ſtrebte er denn auch aus allen Kräften und ließ ſich todtmatt auf das beſchattete Moos darunter nieder. Die Kühle zog ſo angenehm durch ſeine Glieder, daß er die Augen ſchloß.
„Schändliche Pilze!“ murmelte er halb im Schlaf. Es giebt nämlich in jener Gegend eine Art ſehr ſaftiger Pilze, die nur ein paar Tage
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man ſich überzeugt hatte, Johannes ſei nicht mehr
in der Gegend, wenigſtens nicht lebendig.
So war er denn zum zweitenmal verſchwunden;
ob man ihn wiederfinden würde — vielleicht ein-
mal nach Jahren ſeine Knochen in einem trockenen
Graben? ihn lebend wieder zu ſehen, dazu war
wenig Hoffnung, und jedenfalls nach achtundzwanzig
Jahren gewiß nicht.
Vierzehn Tage ſpäter kehrte der junge Brandes
Morgens von einer Beſichtigung ſeines Reviers durch
das Brederholz heim. Es war ein für die Jahres-
zeit ungewöhnlich heißer Tag; die Luft zitterte, kein
Vogel ſang, nur die Raben krächzten langweilig aus
den Aeſten und hielten ihre offenen Schnäbel der
Luft entgegen. Brandes war ſehr ermüdet. Bald
nahm er ſeine von der Sonne durchglühte Kappe
ab, bald ſetzte er ſie wieder auf. Es war Alles
gleich unerträglich, das Arbeiten durch den kniehohen
Schlag ſehr beſchwerlich. Rings umher kein Baum
außer der Judenbuche. Dahin ſtrebte er denn auch
aus allen Kräften und ließ ſich todtmatt auf das
beſchattete Moos darunter nieder. Die Kühle zog
ſo angenehm durch ſeine Glieder, daß er die Augen
ſchloß.
„Schändliche Pilze!“ murmelte er halb im
Schlaf. Es giebt nämlich in jener Gegend eine
Art ſehr ſaftiger Pilze, die nur ein paar Tage
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/241>, abgerufen am 23.06.2024.
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