furchtbarer Donnerschlag. Alle fuhren zusammen; dann furchtbares Geschrei und Getümmel die Treppe heran. -- "Um Gotteswillen! brennt es?" rief Frau von S. und sank mit dem Gesichte auf den Stuhl. Die Thüre ward aufgerissen und herein stürzte die Frau des Juden Aaron, bleich wie der Tod, das Haar wild um den Kopf, von Regen triefend. Sie warf sich vor dem Gutsherrn auf die Kniee. "Gerechtigkeit!" rief sie, "Gerechtigkeit! mein Mann ist erschlagen!" und sank ohnmächtig zusammen.
Es war nur zu wahr, und die nachfolgende Untersuchung bewies, daß der Jude Aaron durch einen Schlag an die Schläfe mit einem stumpfen Instrumente, wahrscheinlich einem Stabe, sein Leben verloren hatte durch einen einzigen Schlag. An der linken Schläfe war der blaue Fleck, sonst keine Verletzung zu finden. Die Aussagen der Jüdin und ihres Knechtes Samuel lauteten so: Aaron war vor drei Tagen am Nachmittage ausgegangen, um Vieh zu kaufen, und hatte dabei gesagt, er werde wohl über Nacht ausbleiben, da noch einige böse Schuldner in B. und S. zu mahnen seien. In diesem Falle werde er in B. beim Schlachter Sa- lomon übernachten. Als er am folgenden Tage nicht heimkehrte, war seine Frau sehr besorgt geworden und hatte sich endlich um drei Uhr Nachmittags in
furchtbarer Donnerſchlag. Alle fuhren zuſammen; dann furchtbares Geſchrei und Getümmel die Treppe heran. — „Um Gotteswillen! brennt es?“ rief Frau von S. und ſank mit dem Geſichte auf den Stuhl. Die Thüre ward aufgeriſſen und herein ſtürzte die Frau des Juden Aaron, bleich wie der Tod, das Haar wild um den Kopf, von Regen triefend. Sie warf ſich vor dem Gutsherrn auf die Kniee. „Gerechtigkeit!“ rief ſie, „Gerechtigkeit! mein Mann iſt erſchlagen!“ und ſank ohnmächtig zuſammen.
Es war nur zu wahr, und die nachfolgende Unterſuchung bewies, daß der Jude Aaron durch einen Schlag an die Schläfe mit einem ſtumpfen Inſtrumente, wahrſcheinlich einem Stabe, ſein Leben verloren hatte durch einen einzigen Schlag. An der linken Schläfe war der blaue Fleck, ſonſt keine Verletzung zu finden. Die Ausſagen der Jüdin und ihres Knechtes Samuel lauteten ſo: Aaron war vor drei Tagen am Nachmittage ausgegangen, um Vieh zu kaufen, und hatte dabei geſagt, er werde wohl über Nacht ausbleiben, da noch einige böſe Schuldner in B. und S. zu mahnen ſeien. In dieſem Falle werde er in B. beim Schlachter Sa- lomon übernachten. Als er am folgenden Tage nicht heimkehrte, war ſeine Frau ſehr beſorgt geworden und hatte ſich endlich um drei Uhr Nachmittags in
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furchtbarer Donnerſchlag. Alle fuhren zuſammen;
dann furchtbares Geſchrei und Getümmel die Treppe
heran. — „Um Gotteswillen! brennt es?“ rief
Frau von S. und ſank mit dem Geſichte auf den
Stuhl. Die Thüre ward aufgeriſſen und herein
ſtürzte die Frau des Juden Aaron, bleich wie der
Tod, das Haar wild um den Kopf, von Regen
triefend. Sie warf ſich vor dem Gutsherrn auf
die Kniee. „Gerechtigkeit!“ rief ſie, „Gerechtigkeit!
mein Mann iſt erſchlagen!“ und ſank ohnmächtig
zuſammen.
Es war nur zu wahr, und die nachfolgende
Unterſuchung bewies, daß der Jude Aaron durch
einen Schlag an die Schläfe mit einem ſtumpfen
Inſtrumente, wahrſcheinlich einem Stabe, ſein Leben
verloren hatte durch einen einzigen Schlag. An
der linken Schläfe war der blaue Fleck, ſonſt keine
Verletzung zu finden. Die Ausſagen der Jüdin
und ihres Knechtes Samuel lauteten ſo: Aaron war
vor drei Tagen am Nachmittage ausgegangen, um
Vieh zu kaufen, und hatte dabei geſagt, er werde
wohl über Nacht ausbleiben, da noch einige böſe
Schuldner in B. und S. zu mahnen ſeien. In
dieſem Falle werde er in B. beim Schlachter Sa-
lomon übernachten. Als er am folgenden Tage nicht
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/218>, abgerufen am 23.11.2024.
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