Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ging in tiefes Braunroth über. Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen? -- Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiß es nicht. -- Brandes wandte sich zu seinen Gefährten: Geht voran; ich komme gleich nach. Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandes dicht vor den Knaben: Friedrich, sagte er mit dem Ton unterdrückter Wuth, meine Geduld ist zu Ende; ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht werth. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr es, Gottlob, bald gebracht, und an meiner Thür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch Beide ins Hundeloch. Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war todtenbleich, und seine Augen schienen wie Krystallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. Herr, sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören. Er stockte einen Augenblick. ging in tiefes Braunroth über. Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen? — Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiß es nicht. — Brandes wandte sich zu seinen Gefährten: Geht voran; ich komme gleich nach. Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandes dicht vor den Knaben: Friedrich, sagte er mit dem Ton unterdrückter Wuth, meine Geduld ist zu Ende; ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht werth. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr es, Gottlob, bald gebracht, und an meiner Thür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch Beide ins Hundeloch. Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war todtenbleich, und seine Augen schienen wie Krystallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. Herr, sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören. Er stockte einen Augenblick. <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0037"/> ging in tiefes Braunroth über. Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen? — Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiß es nicht. — Brandes wandte sich zu seinen Gefährten: Geht voran; ich komme gleich nach.</p><lb/> <p>Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandes dicht vor den Knaben: Friedrich, sagte er mit dem Ton unterdrückter Wuth, meine Geduld ist zu Ende; ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht werth. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr es, Gottlob, bald gebracht, und an meiner Thür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch Beide ins Hundeloch. Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war todtenbleich, und seine Augen schienen wie Krystallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. Herr, sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören. Er stockte einen Augenblick.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
ging in tiefes Braunroth über. Wie viele sind ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen? — Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiß es nicht. — Brandes wandte sich zu seinen Gefährten: Geht voran; ich komme gleich nach.
Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandes dicht vor den Knaben: Friedrich, sagte er mit dem Ton unterdrückter Wuth, meine Geduld ist zu Ende; ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht werth. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach gehört! Bis zum Betteln habt ihr es, Gottlob, bald gebracht, und an meiner Thür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen. Aber vorher sollt ihr mir noch Beide ins Hundeloch. Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war todtenbleich, und seine Augen schienen wie Krystallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück. Herr, sagte er fest, mit fast sanfter Stimme, Ihr habt gesagt, was Ihr nicht verantworten könnt, und ich vielleicht auch. Wir wollen es gegen einander aufgehen lassen, und nun will ich Euch sagen, was Ihr verlangt. Wenn Ihr die Holzfäller nicht selbst bestellt habt, so müssen es die Blaukittel sein; denn aus dem Dorfe ist kein Wagen gekommen; ich habe den Weg ja vor mir, und vier Wagen sind es. Ich habe sie nicht gesehen, aber den Hohlweg hinauffahren hören. Er stockte einen Augenblick.
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/37>, abgerufen am 16.02.2025. |