Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Könnt Ihr sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen habe, als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt?

Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des Försters, der nach Art der meisten rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch ab und schritt dem Gebüsche zu. -- Nein, Herr, rief Friedrich, wenn Ihr zu den andern Förstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufgegangen. -- An der Buche? sagte Brandes zweifelhaft; nein, dort hinüber, nach dem Mastergrunde. -- Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am krummen Ast dort hängen; ich hab's ja gesehen!

Der Förster schlug den bezeichneten Weg ein.

Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine Stellung nicht verlassen, halb liegend, den Arm um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen weiten Schritten seines Metiers, so geräuschlos wie ein Luchs die Hühnerstiege erklimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er fort. Friedrichs Gesicht hatte während dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner Kälte verloren, und seine Züge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn viel-

Könnt Ihr sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen habe, als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt?

Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des Försters, der nach Art der meisten rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch ab und schritt dem Gebüsche zu. — Nein, Herr, rief Friedrich, wenn Ihr zu den andern Förstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufgegangen. — An der Buche? sagte Brandes zweifelhaft; nein, dort hinüber, nach dem Mastergrunde. — Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am krummen Ast dort hängen; ich hab's ja gesehen!

Der Förster schlug den bezeichneten Weg ein.

Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine Stellung nicht verlassen, halb liegend, den Arm um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen weiten Schritten seines Metiers, so geräuschlos wie ein Luchs die Hühnerstiege erklimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er fort. Friedrichs Gesicht hatte während dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner Kälte verloren, und seine Züge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn viel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0038"/>
        <p>Könnt Ihr sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je      anderwärts gehauen habe, als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt?</p><lb/>
        <p>Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des Försters, der nach Art der meisten rauhen      Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch ab und schritt dem Gebüsche zu. &#x2014; Nein, Herr,      rief Friedrich, wenn Ihr zu den andern Förstern wollt, die sind dort an der Buche      hinaufgegangen. &#x2014; An der Buche? sagte Brandes zweifelhaft; nein, dort hinüber, nach dem      Mastergrunde. &#x2014; Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am      krummen Ast dort hängen; ich hab's ja gesehen!</p><lb/>
        <p>Der Förster schlug den bezeichneten Weg ein.</p><lb/>
        <p>Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine Stellung nicht verlassen, halb liegend, den Arm      um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den      halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen weiten Schritten seines Metiers, so      geräuschlos wie ein Luchs die Hühnerstiege erklimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort      einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub.      Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er fort. Friedrichs Gesicht hatte während      dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner Kälte verloren, und seine Züge schienen      zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn viel-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] Könnt Ihr sagen, daß ich je einen Baum in Eurem Revier gefällt habe? überhaupt, daß ich je anderwärts gehauen habe, als auf Bestellung? Denkt nach, ob Ihr das sagen könnt? Ein verlegenes Murmeln war die ganze Antwort des Försters, der nach Art der meisten rauhen Menschen leicht bereute. Er wandte sich unwirsch ab und schritt dem Gebüsche zu. — Nein, Herr, rief Friedrich, wenn Ihr zu den andern Förstern wollt, die sind dort an der Buche hinaufgegangen. — An der Buche? sagte Brandes zweifelhaft; nein, dort hinüber, nach dem Mastergrunde. — Ich sage Euch, an der Buche; des langen Heinrich Flintenriemen blieb noch am krummen Ast dort hängen; ich hab's ja gesehen! Der Förster schlug den bezeichneten Weg ein. Friedrich hatte die ganze Zeit hindurch seine Stellung nicht verlassen, halb liegend, den Arm um einen dürren Ast geschlungen, sah er dem Fortgehenden unverrückt nach, wie er durch den halbverwachsenen Steig glitt, mit den vorsichtigen weiten Schritten seines Metiers, so geräuschlos wie ein Luchs die Hühnerstiege erklimmt. Hier sank ein Zweig hinter ihm, dort einer; die Umrisse seiner Gestalt schwanden immer mehr. Da blitzte es noch einmal durchs Laub. Es war ein Stahlknopf seines Jagdrocks; nun war er fort. Friedrichs Gesicht hatte während dieses allmählichen Verschwindens den Ausdruck seiner Kälte verloren, und seine Züge schienen zuletzt unruhig bewegt. Gereute es ihn viel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:10:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/38
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/38>, abgerufen am 20.04.2024.