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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Den Strahl sich mit Geflatter reiben,
Ein Silbernetz auf Felsen webend,
Und an der Brüder Kutte bebend,
Die reiferglänzend ganz und gar
Nachziehn wie des Kometen Haar.

Wie lang die Schlucht, die Nacht wie kalt!
Des Nordes schneidende Gewalt
Strömt langsam durch die schmale Gasse,
Sich öffnend nur nach Mitternacht.
Die Brüder mit der Sohle Rand,
Und wechselnd dieser, jener Hand
Den Schaft der Eisenstange schlagen,
Daß nicht der Frost die Glieder fasse.
Nur kaum vermögen sie's zu tragen;
Und Einen hört man heimlich klagen,
Der noch in keiner solchen Nacht
Den Klosterzug hat mitgemacht.
Frei wird die Bahn, doch milder nicht;
Der Wind sich an den Klippen bricht,
Und wirft ihm Flocken in's Gesicht.
"Hätt' er's gewußt, hätt' er's gedacht!
Es ist zu arg! und" -- horch! sie lauschen,
Nicht fern seitab Gewässer rauschen,
Doch kollernd, dumpf, wie überdacht
Von einer Röhre hohlen Gängen.
Die Hunde schnaubend näher drängen,
Und Barry plötzlich wie gehetzt
Zur Seite in den Flugschnee setzt;
Steht still dann, winselt, schaut sich um

Den Strahl ſich mit Geflatter reiben,
Ein Silbernetz auf Felſen webend,
Und an der Brüder Kutte bebend,
Die reiferglänzend ganz und gar
Nachziehn wie des Kometen Haar.

Wie lang die Schlucht, die Nacht wie kalt!
Des Nordes ſchneidende Gewalt
Strömt langſam durch die ſchmale Gaſſe,
Sich öffnend nur nach Mitternacht.
Die Brüder mit der Sohle Rand,
Und wechſelnd dieſer, jener Hand
Den Schaft der Eiſenſtange ſchlagen,
Daß nicht der Froſt die Glieder faſſe.
Nur kaum vermögen ſie's zu tragen;
Und Einen hört man heimlich klagen,
Der noch in keiner ſolchen Nacht
Den Kloſterzug hat mitgemacht.
Frei wird die Bahn, doch milder nicht;
Der Wind ſich an den Klippen bricht,
Und wirft ihm Flocken in's Geſicht.
„Hätt' er's gewußt, hätt' er's gedacht!
Es iſt zu arg! und“ — horch! ſie lauſchen,
Nicht fern ſeitab Gewäſſer rauſchen,
Doch kollernd, dumpf, wie überdacht
Von einer Röhre hohlen Gängen.
Die Hunde ſchnaubend näher drängen,
Und Barry plötzlich wie gehetzt
Zur Seite in den Flugſchnee ſetzt;
Steht ſtill dann, winſelt, ſchaut ſich um
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[440/0454] Den Strahl ſich mit Geflatter reiben, Ein Silbernetz auf Felſen webend, Und an der Brüder Kutte bebend, Die reiferglänzend ganz und gar Nachziehn wie des Kometen Haar. Wie lang die Schlucht, die Nacht wie kalt! Des Nordes ſchneidende Gewalt Strömt langſam durch die ſchmale Gaſſe, Sich öffnend nur nach Mitternacht. Die Brüder mit der Sohle Rand, Und wechſelnd dieſer, jener Hand Den Schaft der Eiſenſtange ſchlagen, Daß nicht der Froſt die Glieder faſſe. Nur kaum vermögen ſie's zu tragen; Und Einen hört man heimlich klagen, Der noch in keiner ſolchen Nacht Den Kloſterzug hat mitgemacht. Frei wird die Bahn, doch milder nicht; Der Wind ſich an den Klippen bricht, Und wirft ihm Flocken in's Geſicht. „Hätt' er's gewußt, hätt' er's gedacht! Es iſt zu arg! und“ — horch! ſie lauſchen, Nicht fern ſeitab Gewäſſer rauſchen, Doch kollernd, dumpf, wie überdacht Von einer Röhre hohlen Gängen. Die Hunde ſchnaubend näher drängen, Und Barry plötzlich wie gehetzt Zur Seite in den Flugſchnee ſetzt; Steht ſtill dann, winſelt, ſchaut ſich um

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/454>, abgerufen am 22.11.2024.