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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Die Sünderin.
lassend. Sie sollte ihr Kind fremden Leuten überlassen,
-- jetzt, wo sie es täglich lieber gewonnen hatte -- Leu¬
ten, die kein Interesse an ihm nehmen -- die sein zar¬
tes Leben vielleicht durch schlechte Behandlung einer un¬
glücklichen Zukunft oder gar dem Tode aussetzen würden!
Wie hätte sie das über sich vermocht? Und doch --
wenn sie sich nicht dazu entschloß, was hatte sie selbst
zu erwarten? Der Gedanke an ihre Eltern erfüllte sie
zum erstenmal, mit Entsetzen, -- und würde ihr, der
verachteten, von der Welt verstoßenen Sünderin nicht
auch das väterliche Haus verschlossen sein? Wer ver¬
mochte ihr einen Ausweg aus dieser Bedrängniß zu
zeigen?

Sie machte der Alten die bittersten Vorwürfe und
gab ihr Schuld, sie in diese Lage gebracht zu haben.
Die Wäscherin aber erwiederte ihr gelassen:

"Das ist ein Unglück, für das Niemand etwas kann,
und das Ihnen vielleicht ebensowohl überall anders pas¬
sirt wäre. Aber nicht überall sonst hätte man Sie auf¬
genommen, wie ich es gethan habe, und Sie sollten nur
still schweigen, und mir dankbar sein." --

Das Mädchen mußte das wohl einsehen, denn sie
schwieg und sank trübsinnig auf einen Stuhl.

Die Suͤnderin.
laſſend. Sie ſollte ihr Kind fremden Leuten uͤberlaſſen,
— jetzt, wo ſie es taͤglich lieber gewonnen hatte — Leu¬
ten, die kein Intereſſe an ihm nehmen — die ſein zar¬
tes Leben vielleicht durch ſchlechte Behandlung einer un¬
gluͤcklichen Zukunft oder gar dem Tode ausſetzen wuͤrden!
Wie haͤtte ſie das uͤber ſich vermocht? Und doch —
wenn ſie ſich nicht dazu entſchloß, was hatte ſie ſelbſt
zu erwarten? Der Gedanke an ihre Eltern erfuͤllte ſie
zum erſtenmal, mit Entſetzen, — und wuͤrde ihr, der
verachteten, von der Welt verſtoßenen Suͤnderin nicht
auch das vaͤterliche Haus verſchloſſen ſein? Wer ver¬
mochte ihr einen Ausweg aus dieſer Bedraͤngniß zu
zeigen?

Sie machte der Alten die bitterſten Vorwuͤrfe und
gab ihr Schuld, ſie in dieſe Lage gebracht zu haben.
Die Waͤſcherin aber erwiederte ihr gelaſſen:

„Das iſt ein Ungluͤck, fuͤr das Niemand etwas kann,
und das Ihnen vielleicht ebenſowohl uͤberall anders paſ¬
ſirt waͤre. Aber nicht uͤberall ſonſt haͤtte man Sie auf¬
genommen, wie ich es gethan habe, und Sie ſollten nur
ſtill ſchweigen, und mir dankbar ſein.“ —

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ſchwieg und ſank truͤbſinnig auf einen Stuhl.

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[82/0096] Die Suͤnderin. laſſend. Sie ſollte ihr Kind fremden Leuten uͤberlaſſen, — jetzt, wo ſie es taͤglich lieber gewonnen hatte — Leu¬ ten, die kein Intereſſe an ihm nehmen — die ſein zar¬ tes Leben vielleicht durch ſchlechte Behandlung einer un¬ gluͤcklichen Zukunft oder gar dem Tode ausſetzen wuͤrden! Wie haͤtte ſie das uͤber ſich vermocht? Und doch — wenn ſie ſich nicht dazu entſchloß, was hatte ſie ſelbſt zu erwarten? Der Gedanke an ihre Eltern erfuͤllte ſie zum erſtenmal, mit Entſetzen, — und wuͤrde ihr, der verachteten, von der Welt verſtoßenen Suͤnderin nicht auch das vaͤterliche Haus verſchloſſen ſein? Wer ver¬ mochte ihr einen Ausweg aus dieſer Bedraͤngniß zu zeigen? Sie machte der Alten die bitterſten Vorwuͤrfe und gab ihr Schuld, ſie in dieſe Lage gebracht zu haben. Die Waͤſcherin aber erwiederte ihr gelaſſen: „Das iſt ein Ungluͤck, fuͤr das Niemand etwas kann, und das Ihnen vielleicht ebenſowohl uͤberall anders paſ¬ ſirt waͤre. Aber nicht uͤberall ſonſt haͤtte man Sie auf¬ genommen, wie ich es gethan habe, und Sie ſollten nur ſtill ſchweigen, und mir dankbar ſein.“ — Das Maͤdchen mußte das wohl einſehen, denn ſie ſchwieg und ſank truͤbſinnig auf einen Stuhl.

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/96>, abgerufen am 23.11.2024.