"Uebrigens nehmen Sie sich das nicht so zu Herzen, und beruhigen Sie sich nur," tröstete die Alte weiter. "Vorläufig mögen Sie immer noch bei mir bleiben, es wird sich wohl noch ein Ausweg finden." --
Was für ein Ausweg? Mathilde blieb den Tag über düster auf ihrer kleinen, einsamen Kammer, und überlegte und sann hin und her, was sie beginnen sollte, aber ihr Denken war all umsonst. Von Zeit zu Zeit nahm sie ihr Kind auf, und küßte und herzte es mit der Heftigkeit ihrer schmerzlich aufgeregten Gefühle. Es war, als ob in dem Versuch, sie von ihm zu trennen, ihre Mutterliebe nur festere Wurzeln geschlagen hätte. Dazwischen rollten ihre heißen Thränen wie feurige Tro¬ pfen ihres gequälten Herzens auf die Wangen der Klei¬ nen. Nur wenn das Kind schlief, ging sie in ruheloser Angst auf und nieder und rang ihre Hände in rathloser Verzweiflung.
Am Abend kam die Alte wieder auf die Kammer des Mädchens. Das Gemach war dunkel, nur von den Stra¬ ßenlaternen und den Lichtern der gegenüberliegenden Häuser schwamm ein weiches Dämmerlicht durch das Fenster. Ma¬ thilde lag mit aufgelös'tem Haar, den Kopf in die Hand gestützt und halbaufgerichtet auf dem Bett, und bewachte
6 *
Die Suͤnderin.
„Uebrigens nehmen Sie ſich das nicht ſo zu Herzen, und beruhigen Sie ſich nur,“ troͤſtete die Alte weiter. „Vorlaͤufig moͤgen Sie immer noch bei mir bleiben, es wird ſich wohl noch ein Ausweg finden.“ —
Was fuͤr ein Ausweg? Mathilde blieb den Tag uͤber duͤſter auf ihrer kleinen, einſamen Kammer, und uͤberlegte und ſann hin und her, was ſie beginnen ſollte, aber ihr Denken war all umſonſt. Von Zeit zu Zeit nahm ſie ihr Kind auf, und kuͤßte und herzte es mit der Heftigkeit ihrer ſchmerzlich aufgeregten Gefuͤhle. Es war, als ob in dem Verſuch, ſie von ihm zu trennen, ihre Mutterliebe nur feſtere Wurzeln geſchlagen haͤtte. Dazwiſchen rollten ihre heißen Thraͤnen wie feurige Tro¬ pfen ihres gequaͤlten Herzens auf die Wangen der Klei¬ nen. Nur wenn das Kind ſchlief, ging ſie in ruheloſer Angſt auf und nieder und rang ihre Haͤnde in rathloſer Verzweiflung.
Am Abend kam die Alte wieder auf die Kammer des Maͤdchens. Das Gemach war dunkel, nur von den Stra¬ ßenlaternen und den Lichtern der gegenuͤberliegenden Haͤuſer ſchwamm ein weiches Daͤmmerlicht durch das Fenſter. Ma¬ thilde lag mit aufgeloͤſ'tem Haar, den Kopf in die Hand geſtuͤtzt und halbaufgerichtet auf dem Bett, und bewachte
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Die Suͤnderin.
„Uebrigens nehmen Sie ſich das nicht ſo zu Herzen,
und beruhigen Sie ſich nur,“ troͤſtete die Alte weiter.
„Vorlaͤufig moͤgen Sie immer noch bei mir bleiben, es
wird ſich wohl noch ein Ausweg finden.“ —
Was fuͤr ein Ausweg? Mathilde blieb den Tag
uͤber duͤſter auf ihrer kleinen, einſamen Kammer, und
uͤberlegte und ſann hin und her, was ſie beginnen ſollte,
aber ihr Denken war all umſonſt. Von Zeit zu Zeit
nahm ſie ihr Kind auf, und kuͤßte und herzte es mit
der Heftigkeit ihrer ſchmerzlich aufgeregten Gefuͤhle. Es
war, als ob in dem Verſuch, ſie von ihm zu trennen,
ihre Mutterliebe nur feſtere Wurzeln geſchlagen haͤtte.
Dazwiſchen rollten ihre heißen Thraͤnen wie feurige Tro¬
pfen ihres gequaͤlten Herzens auf die Wangen der Klei¬
nen. Nur wenn das Kind ſchlief, ging ſie in ruheloſer
Angſt auf und nieder und rang ihre Haͤnde in rathloſer
Verzweiflung.
Am Abend kam die Alte wieder auf die Kammer des
Maͤdchens. Das Gemach war dunkel, nur von den Stra¬
ßenlaternen und den Lichtern der gegenuͤberliegenden Haͤuſer
ſchwamm ein weiches Daͤmmerlicht durch das Fenſter. Ma¬
thilde lag mit aufgeloͤſ'tem Haar, den Kopf in die Hand
geſtuͤtzt und halbaufgerichtet auf dem Bett, und bewachte
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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/97>, abgerufen am 07.07.2024.
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