Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Sünderin. Nein. Sie liebte ihn gar nicht. Es lag einmal in ihrerNatur, wer kann was dafür? -- Nach einigen Wochen fand sie sich allein. Er war Sie hatte ihn nie geliebt, und seit ihrem Fall sogar Jetzt war er fort, und die Zeit verrollte ihr wieder Die Suͤnderin. Nein. Sie liebte ihn gar nicht. Es lag einmal in ihrerNatur, wer kann was dafuͤr? — Nach einigen Wochen fand ſie ſich allein. Er war Sie hatte ihn nie geliebt, und ſeit ihrem Fall ſogar Jetzt war er fort, und die Zeit verrollte ihr wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="75"/><fw place="top" type="header">Die Suͤnderin.<lb/></fw> Nein. Sie liebte ihn gar nicht. Es lag einmal in ihrer<lb/> Natur, wer kann was dafuͤr? —</p><lb/> <p>Nach einigen Wochen fand ſie ſich allein. Er war<lb/> fortgezogen — nach ſeiner fernen Heimath. Nicht ein¬<lb/> mal Lebewohl hatte er ihr geſagt, — ob aus Schmerz<lb/> oder Scham, ich weiß es nicht. Aber er hatte ſie ver¬<lb/> laſſen, fuͤr immer verlaſſen, und — Andere haͤtten es<lb/> vielleicht ebenſo gemacht. Es iſt auch einerlei.</p><lb/> <p>Sie hatte ihn nie geliebt, und ſeit ihrem Fall ſogar<lb/> verabſcheut. Daher vermißte ſie ihn jetzt nur wenig.<lb/> Sie hatte ihn zuletzt gleichguͤltig, ja mit mißtrauiſchem<lb/> Haß betrachtet, und als er, der dies veraͤnderte Beneh¬<lb/> men ihrem tiefen Schamgefuͤhl zuſchrieb, ſie zu troͤſten<lb/> verſuchte, hatte ſie ihm voll Ekel den Ruͤcken gedreht.</p><lb/> <p>Jetzt war er fort, und die Zeit verrollte ihr wieder<lb/> im alten Gleis. Sie war ruhig und ſtill, ſie dachte<lb/> nicht mehr an ihn. Aber bald zeigten ſich die Folgen<lb/> ihres Fehltritts, und ein neues Gefuͤhl bemaͤchtigte ſich<lb/> ihres ganzen Weſens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [75/0089]
Die Suͤnderin.
Nein. Sie liebte ihn gar nicht. Es lag einmal in ihrer
Natur, wer kann was dafuͤr? —
Nach einigen Wochen fand ſie ſich allein. Er war
fortgezogen — nach ſeiner fernen Heimath. Nicht ein¬
mal Lebewohl hatte er ihr geſagt, — ob aus Schmerz
oder Scham, ich weiß es nicht. Aber er hatte ſie ver¬
laſſen, fuͤr immer verlaſſen, und — Andere haͤtten es
vielleicht ebenſo gemacht. Es iſt auch einerlei.
Sie hatte ihn nie geliebt, und ſeit ihrem Fall ſogar
verabſcheut. Daher vermißte ſie ihn jetzt nur wenig.
Sie hatte ihn zuletzt gleichguͤltig, ja mit mißtrauiſchem
Haß betrachtet, und als er, der dies veraͤnderte Beneh¬
men ihrem tiefen Schamgefuͤhl zuſchrieb, ſie zu troͤſten
verſuchte, hatte ſie ihm voll Ekel den Ruͤcken gedreht.
Jetzt war er fort, und die Zeit verrollte ihr wieder
im alten Gleis. Sie war ruhig und ſtill, ſie dachte
nicht mehr an ihn. Aber bald zeigten ſich die Folgen
ihres Fehltritts, und ein neues Gefuͤhl bemaͤchtigte ſich
ihres ganzen Weſens.
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