Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Sünderin. unverfänglich? Es schien das Verhältniß von zwei reinen,lange verbundenen Freundesseelen. Da kam der Frühling. Die Lüfte wurden wollüstig Die Suͤnderin. unverfaͤnglich? Es ſchien das Verhaͤltniß von zwei reinen,lange verbundenen Freundesſeelen. Da kam der Fruͤhling. Die Luͤfte wurden wolluͤſtig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="73"/><fw place="top" type="header">Die Suͤnderin.<lb/></fw> unverfaͤnglich? Es ſchien das Verhaͤltniß von zwei reinen,<lb/> lange verbundenen Freundesſeelen.</p><lb/> <p>Da kam der Fruͤhling. Die Luͤfte wurden wolluͤſtig<lb/> warm, die Baͤume ſchlugen aus, die ganze Natur war<lb/> in einer weichen, wallenden Gaͤhrung. Das ſechzehn¬<lb/> jaͤhrige Maͤdchen gerieth jetzt zum erſtenmal in eine ſelt¬<lb/> ſame Atmoſphaͤre. Es ging etwas in ihr vor, und ſie<lb/> wußte nicht, was. Sie hatte ein Sehnen, einen unbe¬<lb/> wußten Drang, den ſie nicht zu ſtillen wußte, ihre Glie¬<lb/> der dehnten ſich, ihre Augen ſahen mit ſtaunendem Be¬<lb/> gehren hinaus, es war ihr, als waͤre Alles anders, ver¬<lb/> aͤndert, doppelt geworden, gegen fruͤher. An einem Sonn¬<lb/> tage, wo ſie die Erlaubniß auszugehen bekommen hatte,<lb/> begleitete ſie ihr Freund hinaus in's Freie. Sie hoͤrte<lb/> ihm heute mit andern Empfindungen zu, wie ſonſt. Ihr<lb/> Herz war erfuͤllt von einem unerklaͤrlichen Gefuͤhl, es<lb/> war ihr ſo eng und ſo weit, ſie meinte faſt zu erſticken,<lb/> und ſie ſchloß ſich feſter an ihren Begleiter an. Auch<lb/> ſeine Worte waren anders, wie ehedem. Es klang ein<lb/> Ton durch, den ſie noch nicht gehoͤrt hatte, und der ſie<lb/> mit einer neuen Regung bis in's Herz durchbebte. Auf<lb/> dem Heimweg war es dunkel geworden. Als ſie den<lb/> Park vor dem Stadtthore erreicht hatten, ſetzten ſie ſich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0087]
Die Suͤnderin.
unverfaͤnglich? Es ſchien das Verhaͤltniß von zwei reinen,
lange verbundenen Freundesſeelen.
Da kam der Fruͤhling. Die Luͤfte wurden wolluͤſtig
warm, die Baͤume ſchlugen aus, die ganze Natur war
in einer weichen, wallenden Gaͤhrung. Das ſechzehn¬
jaͤhrige Maͤdchen gerieth jetzt zum erſtenmal in eine ſelt¬
ſame Atmoſphaͤre. Es ging etwas in ihr vor, und ſie
wußte nicht, was. Sie hatte ein Sehnen, einen unbe¬
wußten Drang, den ſie nicht zu ſtillen wußte, ihre Glie¬
der dehnten ſich, ihre Augen ſahen mit ſtaunendem Be¬
gehren hinaus, es war ihr, als waͤre Alles anders, ver¬
aͤndert, doppelt geworden, gegen fruͤher. An einem Sonn¬
tage, wo ſie die Erlaubniß auszugehen bekommen hatte,
begleitete ſie ihr Freund hinaus in's Freie. Sie hoͤrte
ihm heute mit andern Empfindungen zu, wie ſonſt. Ihr
Herz war erfuͤllt von einem unerklaͤrlichen Gefuͤhl, es
war ihr ſo eng und ſo weit, ſie meinte faſt zu erſticken,
und ſie ſchloß ſich feſter an ihren Begleiter an. Auch
ſeine Worte waren anders, wie ehedem. Es klang ein
Ton durch, den ſie noch nicht gehoͤrt hatte, und der ſie
mit einer neuen Regung bis in's Herz durchbebte. Auf
dem Heimweg war es dunkel geworden. Als ſie den
Park vor dem Stadtthore erreicht hatten, ſetzten ſie ſich
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