Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Sünderin. jungen, schmucken Kellnerin. Sie kamen öfter, und eskamen auch Andere regelmäßiger, die sonst nur zufällig gekommen waren. Der Wirth wußte das zu schätzen, und hielt das Mädchen fast wie sein eigenes Kind. Sie fühlte sich sehr zufrieden und glücklich. Ihr Geschäft machte es nothwendig, daß sie sich mit Die Suͤnderin. jungen, ſchmucken Kellnerin. Sie kamen oͤfter, und eskamen auch Andere regelmaͤßiger, die ſonſt nur zufaͤllig gekommen waren. Der Wirth wußte das zu ſchaͤtzen, und hielt das Maͤdchen faſt wie ſein eigenes Kind. Sie fuͤhlte ſich ſehr zufrieden und gluͤcklich. Ihr Geſchaͤft machte es nothwendig, daß ſie ſich mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0086" n="72"/><fw place="top" type="header">Die Suͤnderin.<lb/></fw>jungen, ſchmucken Kellnerin. Sie kamen oͤfter, und es<lb/> kamen auch Andere regelmaͤßiger, die ſonſt nur zufaͤllig<lb/> gekommen waren. Der Wirth wußte das zu ſchaͤtzen,<lb/> und hielt das Maͤdchen faſt wie ſein eigenes Kind. Sie<lb/> fuͤhlte ſich ſehr zufrieden und gluͤcklich.</p><lb/> <p>Ihr Geſchaͤft machte es nothwendig, daß ſie ſich mit<lb/> den Gaͤſten hin und wieder unterhalten mußte. Wenn<lb/> ſie ihnen die Getraͤnke brachte, wurde ſie gewoͤhnlich in's<lb/> Geſpraͤch gezogen, und die jungen Leute fuͤllten ihr Ohr<lb/> mit luſtigen Geſchichten und einſchmeichelnden Reden.<lb/> Unter ihnen war Einer, auf den ſie vorzugsweiſe den<lb/> offenſten Eindruck machte. Er war ſtiller und geſetzter,<lb/> als die Andern, ſeine Worte klangen ſo einfach und na¬<lb/> tuͤrlich, und ſeine Augen blickten ſo treuherzig, er ſchien<lb/> eine reine bruͤderliche Theilnahme fuͤr ſie zu empfinden.<lb/> Er ſprach ihr nie von Liebe, und ſie ſelbſt dachte nicht<lb/> daran. Sie fand ein unſchuldiges, faſt unbewußtes Ge¬<lb/> fallen an ihm, ihre Seele traͤumte von keiner Gefahr.<lb/> Sie ſaß wohl oͤfter und laͤnger bei ihm, als bei den<lb/> Andern, aber geſchah es nicht unwillkuͤhrlich? Kam er<lb/> nicht meiſt gerade zu ſolchen Stunden, wo das Lokal<lb/> weniger beſucht, wo ſie geringer beſchaͤftigt war? Sie<lb/> hoͤrte ihm gern zu, aber ſprach er nicht ſo ruhig und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0086]
Die Suͤnderin.
jungen, ſchmucken Kellnerin. Sie kamen oͤfter, und es
kamen auch Andere regelmaͤßiger, die ſonſt nur zufaͤllig
gekommen waren. Der Wirth wußte das zu ſchaͤtzen,
und hielt das Maͤdchen faſt wie ſein eigenes Kind. Sie
fuͤhlte ſich ſehr zufrieden und gluͤcklich.
Ihr Geſchaͤft machte es nothwendig, daß ſie ſich mit
den Gaͤſten hin und wieder unterhalten mußte. Wenn
ſie ihnen die Getraͤnke brachte, wurde ſie gewoͤhnlich in's
Geſpraͤch gezogen, und die jungen Leute fuͤllten ihr Ohr
mit luſtigen Geſchichten und einſchmeichelnden Reden.
Unter ihnen war Einer, auf den ſie vorzugsweiſe den
offenſten Eindruck machte. Er war ſtiller und geſetzter,
als die Andern, ſeine Worte klangen ſo einfach und na¬
tuͤrlich, und ſeine Augen blickten ſo treuherzig, er ſchien
eine reine bruͤderliche Theilnahme fuͤr ſie zu empfinden.
Er ſprach ihr nie von Liebe, und ſie ſelbſt dachte nicht
daran. Sie fand ein unſchuldiges, faſt unbewußtes Ge¬
fallen an ihm, ihre Seele traͤumte von keiner Gefahr.
Sie ſaß wohl oͤfter und laͤnger bei ihm, als bei den
Andern, aber geſchah es nicht unwillkuͤhrlich? Kam er
nicht meiſt gerade zu ſolchen Stunden, wo das Lokal
weniger beſucht, wo ſie geringer beſchaͤftigt war? Sie
hoͤrte ihm gern zu, aber ſprach er nicht ſo ruhig und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |