Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Die Sünderin. Mathilde war aus einer kleinen Provinzialstadt un¬ Hier fand sie denn bald einen Dienst in einer Die Suͤnderin. Mathilde war aus einer kleinen Provinzialſtadt un¬ Hier fand ſie denn bald einen Dienſt in einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="71"/> <fw place="top" type="header">Die Suͤnderin.<lb/></fw> <p>Mathilde war aus einer kleinen Provinzialſtadt un¬<lb/> weit der Reſidenz. Ihr Vater, ein armer Handwerker,<lb/> mußte ſich ſein kuͤmmerlich Leben ſauer werden laſſen,<lb/> denn die Familie war ſtark und der Verdienſt von ſeiner<lb/> fleißigen Haͤnde Arbeit gering. Mathilde, als die Ael¬<lb/> teſte unter den Kindern, mußte zuerſt verſorgt werden,<lb/> — was man naͤmlich bei Armen ſo verſorgen heißt.<lb/> Sobald ſie in die Jahre kommen, wo ſie einigermaßen<lb/> Arbeit erhalten koͤnnen, werden ſie außer dem Hauſe bei<lb/> Fremden in Dienſt oder Lehre gegeben. Alsdann fallen<lb/> ſie den Aeltern nicht mehr zur „Laſt,“ und die Aeltern<lb/> glauben ſie hinlaͤnglich verſorgt zu wiſſen, wenn ſie keine<lb/> Nahrungsſorgen mehr um dieſelben haben. Mathilde<lb/> ſollte daher in Dienſt gehen. Aber in der kleinen Stadt<lb/> giebt es keinen bedeutenden Lohn; in der Reſidenz iſt es<lb/> beſſer, da wird ſie gut gehalten und kann ſich etwas er¬<lb/> ſparen, ja vielleicht ihr Gluͤck machen, — auch iſt ſie<lb/> da entfernter von Hauſe. Mathilde wurde alſo nach<lb/> der Reſidenz geſchickt.</p><lb/> <p>Hier fand ſie denn bald einen Dienſt in einer<lb/> Schenkwirthſchaft. Sie war fleißig, willig und treu, und<lb/> erwarb ſich ſchnell die Zufriedenheit ihrer Dienſtherr¬<lb/> ſchaft. Die Gaͤſte waren nicht minder zufrieden mit der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0085]
Die Suͤnderin.
Mathilde war aus einer kleinen Provinzialſtadt un¬
weit der Reſidenz. Ihr Vater, ein armer Handwerker,
mußte ſich ſein kuͤmmerlich Leben ſauer werden laſſen,
denn die Familie war ſtark und der Verdienſt von ſeiner
fleißigen Haͤnde Arbeit gering. Mathilde, als die Ael¬
teſte unter den Kindern, mußte zuerſt verſorgt werden,
— was man naͤmlich bei Armen ſo verſorgen heißt.
Sobald ſie in die Jahre kommen, wo ſie einigermaßen
Arbeit erhalten koͤnnen, werden ſie außer dem Hauſe bei
Fremden in Dienſt oder Lehre gegeben. Alsdann fallen
ſie den Aeltern nicht mehr zur „Laſt,“ und die Aeltern
glauben ſie hinlaͤnglich verſorgt zu wiſſen, wenn ſie keine
Nahrungsſorgen mehr um dieſelben haben. Mathilde
ſollte daher in Dienſt gehen. Aber in der kleinen Stadt
giebt es keinen bedeutenden Lohn; in der Reſidenz iſt es
beſſer, da wird ſie gut gehalten und kann ſich etwas er¬
ſparen, ja vielleicht ihr Gluͤck machen, — auch iſt ſie
da entfernter von Hauſe. Mathilde wurde alſo nach
der Reſidenz geſchickt.
Hier fand ſie denn bald einen Dienſt in einer
Schenkwirthſchaft. Sie war fleißig, willig und treu, und
erwarb ſich ſchnell die Zufriedenheit ihrer Dienſtherr¬
ſchaft. Die Gaͤſte waren nicht minder zufrieden mit der
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