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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Polizeiliche Ehescheidung.
Fall wohl durch die Brust gestoßen haben würde; viel¬
mehr sei es nur seine Absicht gewesen, ihn zu verwunden,
und durch das Blut seine verletzte Standesehre wieder
herzustellen. Der Degen aber hatte eine Röhre zerschmet¬
tert, und Paul starb unter großen Schmerzen und ge¬
foltert von dem Gedanken an Frau und Kinder noch in
der folgenden Nacht.

Den Eindruck schildern zu wollen, den diese Nach¬
richt auf Theresen machte, ist mir nicht möglich. Als
sie aus ihrem besinnungslosen Zustand erwachte, erfuhr
sie, daß sie fast zwei Monate krank, in fremder Pflege,
darniedergelegen hatte. Die Erinnerung an die Veranlas¬
sung hätte sie beinahe von Neuem auf's Krankenlager
geworfen, und ihre Auszehrung nahm seitdem einen schnel¬
leren Gang an. Nur der Gedanke an ihre Kinder hielt
sie so weit noch aufrecht, daß sie sich mühsam in ihrem
Hauswesen dahinschleppen konnte. Aber das Hauswesen
selbst kam immer mehr zurück. Es fehlte das Band des
zufriedenen, wenn auch noch so bescheidenen Glückes,
welches das Ganze in Ordnung und schaffender Lust zu¬
sammenhält, und allmählig ging auch der kleine Rest
ihres früheren Vermögens, der durch die Krankheit noch
mehr geschmälert worden war, gänzlich zur Neige. Therese

Polizeiliche Eheſcheidung.
Fall wohl durch die Bruſt geſtoßen haben wuͤrde; viel¬
mehr ſei es nur ſeine Abſicht geweſen, ihn zu verwunden,
und durch das Blut ſeine verletzte Standesehre wieder
herzuſtellen. Der Degen aber hatte eine Roͤhre zerſchmet¬
tert, und Paul ſtarb unter großen Schmerzen und ge¬
foltert von dem Gedanken an Frau und Kinder noch in
der folgenden Nacht.

Den Eindruck ſchildern zu wollen, den dieſe Nach¬
richt auf Thereſen machte, iſt mir nicht moͤglich. Als
ſie aus ihrem beſinnungsloſen Zuſtand erwachte, erfuhr
ſie, daß ſie faſt zwei Monate krank, in fremder Pflege,
darniedergelegen hatte. Die Erinnerung an die Veranlaſ¬
ſung haͤtte ſie beinahe von Neuem auf's Krankenlager
geworfen, und ihre Auszehrung nahm ſeitdem einen ſchnel¬
leren Gang an. Nur der Gedanke an ihre Kinder hielt
ſie ſo weit noch aufrecht, daß ſie ſich muͤhſam in ihrem
Hausweſen dahinſchleppen konnte. Aber das Hausweſen
ſelbſt kam immer mehr zuruͤck. Es fehlte das Band des
zufriedenen, wenn auch noch ſo beſcheidenen Gluͤckes,
welches das Ganze in Ordnung und ſchaffender Luſt zu¬
ſammenhaͤlt, und allmaͤhlig ging auch der kleine Reſt
ihres fruͤheren Vermoͤgens, der durch die Krankheit noch
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[63/0077] Polizeiliche Eheſcheidung. Fall wohl durch die Bruſt geſtoßen haben wuͤrde; viel¬ mehr ſei es nur ſeine Abſicht geweſen, ihn zu verwunden, und durch das Blut ſeine verletzte Standesehre wieder herzuſtellen. Der Degen aber hatte eine Roͤhre zerſchmet¬ tert, und Paul ſtarb unter großen Schmerzen und ge¬ foltert von dem Gedanken an Frau und Kinder noch in der folgenden Nacht. Den Eindruck ſchildern zu wollen, den dieſe Nach¬ richt auf Thereſen machte, iſt mir nicht moͤglich. Als ſie aus ihrem beſinnungsloſen Zuſtand erwachte, erfuhr ſie, daß ſie faſt zwei Monate krank, in fremder Pflege, darniedergelegen hatte. Die Erinnerung an die Veranlaſ¬ ſung haͤtte ſie beinahe von Neuem auf's Krankenlager geworfen, und ihre Auszehrung nahm ſeitdem einen ſchnel¬ leren Gang an. Nur der Gedanke an ihre Kinder hielt ſie ſo weit noch aufrecht, daß ſie ſich muͤhſam in ihrem Hausweſen dahinſchleppen konnte. Aber das Hausweſen ſelbſt kam immer mehr zuruͤck. Es fehlte das Band des zufriedenen, wenn auch noch ſo beſcheidenen Gluͤckes, welches das Ganze in Ordnung und ſchaffender Luſt zu¬ ſammenhaͤlt, und allmaͤhlig ging auch der kleine Reſt ihres fruͤheren Vermoͤgens, der durch die Krankheit noch mehr geſchmaͤlert worden war, gaͤnzlich zur Neige. Thereſe

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/77>, abgerufen am 23.11.2024.