Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.Polizeiliche Ehescheidung. verbissene Grimm gehäuft. Sein frommer, häuslicherFriede war ihm geraubt, sein stiller Heerd mit der heiligen, abgeschiedenen Ruhe der Liebe zerstört, was Wunder, daß da der Haß gegen seine Verfolger wie Unkraut aus den Trümmern seines Glücks emporwucherte? Eines Tages ließ sich Paul in Gesellschaft einiger Freunde an einem öffentlichen Ort sehr heftig über gewisse Verhältnisse aus. An einem benachbarten Tisch saß ein Lieutenant, dessen eben ausgezahlte Gage ihm eine besondere Würde zu ver¬ leihen schien. Bei den Worten Pauls erhob er sich, und an die Gesellschaft herantretend forderte er Paul auf, seine Ausdrücke zurückzunehmen, oder ihm dafür Satisfaction zu geben. Paul antwortete ihm, daß er gar nicht zu ihm oder über ihn gesprochen, also ihm gegenüber auch nichts zurückzunehmen habe; von Satisfaction könne aus demselben Grunde keine Rede sein, weshalb er sich eine andere Gelegenheit zur Auszeichnung suchen möge. Der trunkene Lieutenant riß hierauf, in einem herzerhebenden Anfall ritterlicher Treue gegen den Landesherrn, den De¬ gen aus der Scheide, und mit dem Ausruf: "Blut muß es abwaschen!" versetzte er Paul einen tiefen Stich in den Oberschenkel. Wie er später aussagte, hatte er Paul keineswegs zu tödten beabsichtigt, da er ihn in diesem Polizeiliche Eheſcheidung. verbiſſene Grimm gehaͤuft. Sein frommer, haͤuslicherFriede war ihm geraubt, ſein ſtiller Heerd mit der heiligen, abgeſchiedenen Ruhe der Liebe zerſtoͤrt, was Wunder, daß da der Haß gegen ſeine Verfolger wie Unkraut aus den Truͤmmern ſeines Gluͤcks emporwucherte? Eines Tages ließ ſich Paul in Geſellſchaft einiger Freunde an einem oͤffentlichen Ort ſehr heftig uͤber gewiſſe Verhaͤltniſſe aus. An einem benachbarten Tiſch ſaß ein Lieutenant, deſſen eben ausgezahlte Gage ihm eine beſondere Wuͤrde zu ver¬ leihen ſchien. Bei den Worten Pauls erhob er ſich, und an die Geſellſchaft herantretend forderte er Paul auf, ſeine Ausdruͤcke zuruͤckzunehmen, oder ihm dafuͤr Satisfaction zu geben. Paul antwortete ihm, daß er gar nicht zu ihm oder uͤber ihn geſprochen, alſo ihm gegenuͤber auch nichts zuruͤckzunehmen habe; von Satisfaction koͤnne aus demſelben Grunde keine Rede ſein, weshalb er ſich eine andere Gelegenheit zur Auszeichnung ſuchen moͤge. Der trunkene Lieutenant riß hierauf, in einem herzerhebenden Anfall ritterlicher Treue gegen den Landesherrn, den De¬ gen aus der Scheide, und mit dem Ausruf: „Blut muß es abwaſchen!“ verſetzte er Paul einen tiefen Stich in den Oberſchenkel. Wie er ſpaͤter ausſagte, hatte er Paul keineswegs zu toͤdten beabſichtigt, da er ihn in dieſem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="62"/><fw place="top" type="header">Polizeiliche Eheſcheidung.<lb/></fw>verbiſſene Grimm gehaͤuft. Sein frommer, haͤuslicher<lb/> Friede war ihm geraubt, ſein ſtiller Heerd mit der heiligen,<lb/> abgeſchiedenen Ruhe der Liebe zerſtoͤrt, was Wunder, daß<lb/> da der Haß gegen ſeine Verfolger wie Unkraut aus den<lb/> Truͤmmern ſeines Gluͤcks emporwucherte? Eines Tages<lb/> ließ ſich Paul in Geſellſchaft einiger Freunde an einem<lb/> oͤffentlichen Ort ſehr heftig uͤber gewiſſe Verhaͤltniſſe aus.<lb/> An einem benachbarten Tiſch ſaß ein Lieutenant, deſſen<lb/> eben ausgezahlte Gage ihm eine beſondere Wuͤrde zu ver¬<lb/> leihen ſchien. Bei den Worten Pauls erhob er ſich, und<lb/> an die Geſellſchaft herantretend forderte er Paul auf, ſeine<lb/> Ausdruͤcke zuruͤckzunehmen, oder ihm dafuͤr Satisfaction<lb/> zu geben. Paul antwortete ihm, daß er gar nicht zu<lb/> ihm oder uͤber ihn geſprochen, alſo ihm gegenuͤber auch<lb/> nichts zuruͤckzunehmen habe; von Satisfaction koͤnne aus<lb/> demſelben Grunde keine Rede ſein, weshalb er ſich eine<lb/> andere Gelegenheit zur Auszeichnung ſuchen moͤge. Der<lb/> trunkene Lieutenant riß hierauf, in einem herzerhebenden<lb/> Anfall ritterlicher Treue gegen den Landesherrn, den De¬<lb/> gen aus der Scheide, und mit dem Ausruf: „Blut muß<lb/> es abwaſchen!“ verſetzte er Paul einen tiefen Stich in<lb/> den Oberſchenkel. Wie er ſpaͤter ausſagte, hatte er Paul<lb/> keineswegs zu toͤdten beabſichtigt, da er ihn in dieſem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0076]
Polizeiliche Eheſcheidung.
verbiſſene Grimm gehaͤuft. Sein frommer, haͤuslicher
Friede war ihm geraubt, ſein ſtiller Heerd mit der heiligen,
abgeſchiedenen Ruhe der Liebe zerſtoͤrt, was Wunder, daß
da der Haß gegen ſeine Verfolger wie Unkraut aus den
Truͤmmern ſeines Gluͤcks emporwucherte? Eines Tages
ließ ſich Paul in Geſellſchaft einiger Freunde an einem
oͤffentlichen Ort ſehr heftig uͤber gewiſſe Verhaͤltniſſe aus.
An einem benachbarten Tiſch ſaß ein Lieutenant, deſſen
eben ausgezahlte Gage ihm eine beſondere Wuͤrde zu ver¬
leihen ſchien. Bei den Worten Pauls erhob er ſich, und
an die Geſellſchaft herantretend forderte er Paul auf, ſeine
Ausdruͤcke zuruͤckzunehmen, oder ihm dafuͤr Satisfaction
zu geben. Paul antwortete ihm, daß er gar nicht zu
ihm oder uͤber ihn geſprochen, alſo ihm gegenuͤber auch
nichts zuruͤckzunehmen habe; von Satisfaction koͤnne aus
demſelben Grunde keine Rede ſein, weshalb er ſich eine
andere Gelegenheit zur Auszeichnung ſuchen moͤge. Der
trunkene Lieutenant riß hierauf, in einem herzerhebenden
Anfall ritterlicher Treue gegen den Landesherrn, den De¬
gen aus der Scheide, und mit dem Ausruf: „Blut muß
es abwaſchen!“ verſetzte er Paul einen tiefen Stich in
den Oberſchenkel. Wie er ſpaͤter ausſagte, hatte er Paul
keineswegs zu toͤdten beabſichtigt, da er ihn in dieſem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |