Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite
Polizeiliche Ehescheidung.

Das Gespräch, welches wir die beiden Weiber auf
der Gasse in K. eben führen hörten, bezog sich auf einen
jungen Mann, Namens Paul. Derselbe hatte früher
dem Studium der Theologie obgelegen und seine Prü¬
fungen mit glänzendem Erfolg bestanden. Von der
Kandidatur aber war er durch das Konsistorium in seiner
Heimath zurückgewiesen worden, weil die in seiner Probe¬
predigt ausgesprochenen Grundsätze als der herrschenden
Richtung zuwiderlaufend erachtet wurden. Paul hatte
von Haus aus nur ein kleines Vermögen besessen, und
dies war durch seine Studien fast gänzlich erschöpft. Als
ihm daher durch das Konsistorium die Aussicht auf eine
Anstellung abgeschnitten ward, mußte er sich eine andere
Existenz zu begründen suchen. Er verließ zunächst seine
Heimath und begab sich nach K., wo er Gelegenheit
fand, seine Thätigkeit auf literarische Arbeiten zu ver¬
wenden. Nach einem Jahre heirathete er hier ein jun¬
ges, liebenswürdiges Mädchen aus den sogenannten gebil¬
deten Ständen, der aus ihren einst glücklichen Verhält¬
nissen nur ein geringes Kapital geblieben war. Indeß
verschaffte dies und die Thätigkeit Pauls den beiden Gat¬
ten eine hinlänglich ruhige Existenz und ihr bescheidenes
Glück ward lange durch nichts getrübt. Therese schenkte

4 *
Polizeiliche Eheſcheidung.

Das Geſpraͤch, welches wir die beiden Weiber auf
der Gaſſe in K. eben fuͤhren hoͤrten, bezog ſich auf einen
jungen Mann, Namens Paul. Derſelbe hatte fruͤher
dem Studium der Theologie obgelegen und ſeine Pruͤ¬
fungen mit glaͤnzendem Erfolg beſtanden. Von der
Kandidatur aber war er durch das Konſiſtorium in ſeiner
Heimath zuruͤckgewieſen worden, weil die in ſeiner Probe¬
predigt ausgeſprochenen Grundſaͤtze als der herrſchenden
Richtung zuwiderlaufend erachtet wurden. Paul hatte
von Haus aus nur ein kleines Vermoͤgen beſeſſen, und
dies war durch ſeine Studien faſt gaͤnzlich erſchoͤpft. Als
ihm daher durch das Konſiſtorium die Ausſicht auf eine
Anſtellung abgeſchnitten ward, mußte er ſich eine andere
Exiſtenz zu begruͤnden ſuchen. Er verließ zunaͤchſt ſeine
Heimath und begab ſich nach K., wo er Gelegenheit
fand, ſeine Thaͤtigkeit auf literariſche Arbeiten zu ver¬
wenden. Nach einem Jahre heirathete er hier ein jun¬
ges, liebenswuͤrdiges Maͤdchen aus den ſogenannten gebil¬
deten Staͤnden, der aus ihren einſt gluͤcklichen Verhaͤlt¬
niſſen nur ein geringes Kapital geblieben war. Indeß
verſchaffte dies und die Thaͤtigkeit Pauls den beiden Gat¬
ten eine hinlaͤnglich ruhige Exiſtenz und ihr beſcheidenes
Gluͤck ward lange durch nichts getruͤbt. Thereſe ſchenkte

4 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0065" n="51"/>
        <fw place="top" type="header">Polizeiliche Ehe&#x017F;cheidung.<lb/></fw>
        <p>Das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, welches wir die beiden Weiber auf<lb/>
der Ga&#x017F;&#x017F;e in K. eben fu&#x0364;hren ho&#x0364;rten, bezog &#x017F;ich auf einen<lb/>
jungen Mann, Namens Paul. Der&#x017F;elbe hatte fru&#x0364;her<lb/>
dem Studium der Theologie obgelegen und &#x017F;eine Pru&#x0364;¬<lb/>
fungen mit gla&#x0364;nzendem Erfolg be&#x017F;tanden. Von der<lb/>
Kandidatur aber war er durch das Kon&#x017F;i&#x017F;torium in &#x017F;einer<lb/>
Heimath zuru&#x0364;ckgewie&#x017F;en worden, weil die in &#x017F;einer Probe¬<lb/>
predigt ausge&#x017F;prochenen Grund&#x017F;a&#x0364;tze als der herr&#x017F;chenden<lb/>
Richtung zuwiderlaufend erachtet wurden. Paul hatte<lb/>
von Haus aus nur ein kleines Vermo&#x0364;gen be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
dies war durch &#x017F;eine Studien fa&#x017F;t ga&#x0364;nzlich er&#x017F;cho&#x0364;pft. Als<lb/>
ihm daher durch das Kon&#x017F;i&#x017F;torium die Aus&#x017F;icht auf eine<lb/>
An&#x017F;tellung abge&#x017F;chnitten ward, mußte er &#x017F;ich eine andere<lb/>
Exi&#x017F;tenz zu begru&#x0364;nden &#x017F;uchen. Er verließ zuna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Heimath und begab &#x017F;ich nach K., wo er Gelegenheit<lb/>
fand, &#x017F;eine Tha&#x0364;tigkeit auf literari&#x017F;che Arbeiten zu ver¬<lb/>
wenden. Nach einem Jahre heirathete er hier ein jun¬<lb/>
ges, liebenswu&#x0364;rdiges Ma&#x0364;dchen aus den &#x017F;ogenannten gebil¬<lb/>
deten Sta&#x0364;nden, der aus ihren ein&#x017F;t glu&#x0364;cklichen Verha&#x0364;lt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en nur ein geringes Kapital geblieben war. Indeß<lb/>
ver&#x017F;chaffte dies und die Tha&#x0364;tigkeit Pauls den beiden Gat¬<lb/>
ten eine hinla&#x0364;nglich ruhige Exi&#x017F;tenz und ihr be&#x017F;cheidenes<lb/>
Glu&#x0364;ck ward lange durch nichts getru&#x0364;bt. There&#x017F;e &#x017F;chenkte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0065] Polizeiliche Eheſcheidung. Das Geſpraͤch, welches wir die beiden Weiber auf der Gaſſe in K. eben fuͤhren hoͤrten, bezog ſich auf einen jungen Mann, Namens Paul. Derſelbe hatte fruͤher dem Studium der Theologie obgelegen und ſeine Pruͤ¬ fungen mit glaͤnzendem Erfolg beſtanden. Von der Kandidatur aber war er durch das Konſiſtorium in ſeiner Heimath zuruͤckgewieſen worden, weil die in ſeiner Probe¬ predigt ausgeſprochenen Grundſaͤtze als der herrſchenden Richtung zuwiderlaufend erachtet wurden. Paul hatte von Haus aus nur ein kleines Vermoͤgen beſeſſen, und dies war durch ſeine Studien faſt gaͤnzlich erſchoͤpft. Als ihm daher durch das Konſiſtorium die Ausſicht auf eine Anſtellung abgeſchnitten ward, mußte er ſich eine andere Exiſtenz zu begruͤnden ſuchen. Er verließ zunaͤchſt ſeine Heimath und begab ſich nach K., wo er Gelegenheit fand, ſeine Thaͤtigkeit auf literariſche Arbeiten zu ver¬ wenden. Nach einem Jahre heirathete er hier ein jun¬ ges, liebenswuͤrdiges Maͤdchen aus den ſogenannten gebil¬ deten Staͤnden, der aus ihren einſt gluͤcklichen Verhaͤlt¬ niſſen nur ein geringes Kapital geblieben war. Indeß verſchaffte dies und die Thaͤtigkeit Pauls den beiden Gat¬ ten eine hinlaͤnglich ruhige Exiſtenz und ihr beſcheidenes Gluͤck ward lange durch nichts getruͤbt. Thereſe ſchenkte 4 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/65
Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/65>, abgerufen am 22.05.2024.