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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.

"Ich verstehe nicht, was Du da sagst," antwor¬
tete Will Fischer. "Aber wenn Du schon verzweifelst,
so thust Du Unrecht. Ich weiß eben was für Dich,
was Dich auf lange Zeit herausreißen kann." --

"Will!" rief der Handwerker plötzlich erregt.

"Laß mich los und mach' keine Flausen. Kennst
Du das Landhaus drüben in Ch ***?"

"Ich habe einmal darin gearbeitet." --

"Desto besser. Es wollten ein paar tüchtige Kerle
heut Nacht Besuch drin machen, aber der Wirth er¬
zählt mir, daß sie's verschieben müssen, weil ihrer zu
wenig sind. Wenn Du dabei sein willst, kannst Du
Dein Schäfchen scheeren und Deine Familie ins Trockne
bringen." --

Schenk sah seinen Nachbar mit einem festen Blick
an und sagte dann langsam:

"Stehlen also. Ich hatte noch nicht daran gedacht,
und es liegt doch so nahe. Ich glaube, ich habe nicht
einmal Muth dazu." --

Der Polizeiagent schenkte die Gläser voll und erwi¬
derte verächtlich:

"Es gehört freilich weniger Muth dazu, mit Frau

Armuth und Verbrechen.

„Ich verſtehe nicht, was Du da ſagſt,“ antwor¬
tete Will Fiſcher. „Aber wenn Du ſchon verzweifelſt,
ſo thuſt Du Unrecht. Ich weiß eben was fuͤr Dich,
was Dich auf lange Zeit herausreißen kann.“ —

„Will!“ rief der Handwerker ploͤtzlich erregt.

„Laß mich los und mach' keine Flauſen. Kennſt
Du das Landhaus druͤben in Ch ***?“

„Ich habe einmal darin gearbeitet.“ —

„Deſto beſſer. Es wollten ein paar tuͤchtige Kerle
heut Nacht Beſuch drin machen, aber der Wirth er¬
zaͤhlt mir, daß ſie's verſchieben muͤſſen, weil ihrer zu
wenig ſind. Wenn Du dabei ſein willſt, kannſt Du
Dein Schaͤfchen ſcheeren und Deine Familie ins Trockne
bringen.“ —

Schenk ſah ſeinen Nachbar mit einem feſten Blick
an und ſagte dann langſam:

„Stehlen alſo. Ich hatte noch nicht daran gedacht,
und es liegt doch ſo nahe. Ich glaube, ich habe nicht
einmal Muth dazu.“ —

Der Polizeiagent ſchenkte die Glaͤſer voll und erwi¬
derte veraͤchtlich:

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[31/0045] Armuth und Verbrechen. „Ich verſtehe nicht, was Du da ſagſt,“ antwor¬ tete Will Fiſcher. „Aber wenn Du ſchon verzweifelſt, ſo thuſt Du Unrecht. Ich weiß eben was fuͤr Dich, was Dich auf lange Zeit herausreißen kann.“ — „Will!“ rief der Handwerker ploͤtzlich erregt. „Laß mich los und mach' keine Flauſen. Kennſt Du das Landhaus druͤben in Ch ***?“ „Ich habe einmal darin gearbeitet.“ — „Deſto beſſer. Es wollten ein paar tuͤchtige Kerle heut Nacht Beſuch drin machen, aber der Wirth er¬ zaͤhlt mir, daß ſie's verſchieben muͤſſen, weil ihrer zu wenig ſind. Wenn Du dabei ſein willſt, kannſt Du Dein Schaͤfchen ſcheeren und Deine Familie ins Trockne bringen.“ — Schenk ſah ſeinen Nachbar mit einem feſten Blick an und ſagte dann langſam: „Stehlen alſo. Ich hatte noch nicht daran gedacht, und es liegt doch ſo nahe. Ich glaube, ich habe nicht einmal Muth dazu.“ — Der Polizeiagent ſchenkte die Glaͤſer voll und erwi¬ derte veraͤchtlich: „Es gehoͤrt freilich weniger Muth dazu, mit Frau

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/45>, abgerufen am 23.11.2024.