verlangt, öffentlich ausruft, wie kann man wissen, was er vom Eide denkt? ob er überhaupt glaubt, daß Gott den Eid annimmt, und irgend in einer Welt, dieser oder jener, den Meineid straft? Ist dis der seltene Fall bey einem einzigen, so ist das Unglück nicht so groß, und bey einem wichtigen Proceß wür- de allenfalls der Advocat gegen den Eid eines solchen Juden Einwendungen machen und gehört werden: gienge es aber in die Hunderte und Tausende, so würde es grosse Härte gegen unsere alten eidfürchti- gen Bürger seyn, ihnen Fremde, auf deren Eid man sich nicht verlassen kann, gleich zu machen, denn zu diesem Gleichmachen gehört doch vorzüglich die Gleich- heit im Gericht, und daß des neuen Bürgers Eid so viel gelte, als des alten seiner.
Auf die Weise hat Herr D. schon sehr vielen Ein- wendungen vorgebeuget, die man gegen seinen Vor- schlag machen könnte. Auch in dem gebe ich ihm Recht, was er gegen Eisenmengers entdecktes Ju- denthum sagt, darnach er die Juden nicht beurtheilt haben will. Ich halte Eisenmengers entdecktes Ju- denthum für ein gelehrtes, aus vielem Fleiß und gros- ser Belesenheit entstandenes Buch, und ich lerne daraus sehr oft, wenn ich nachschlage: aber dabey ist es äusserst feindseelig und ungerecht, und wenn einer
gegen
verlangt, oͤffentlich ausruft, wie kann man wiſſen, was er vom Eide denkt? ob er uͤberhaupt glaubt, daß Gott den Eid annimmt, und irgend in einer Welt, dieſer oder jener, den Meineid ſtraft? Iſt dis der ſeltene Fall bey einem einzigen, ſo iſt das Ungluͤck nicht ſo groß, und bey einem wichtigen Proceß wuͤr- de allenfalls der Advocat gegen den Eid eines ſolchen Juden Einwendungen machen und gehoͤrt werden: gienge es aber in die Hunderte und Tauſende, ſo wuͤrde es groſſe Haͤrte gegen unſere alten eidfuͤrchti- gen Buͤrger ſeyn, ihnen Fremde, auf deren Eid man ſich nicht verlaſſen kann, gleich zu machen, denn zu dieſem Gleichmachen gehoͤrt doch vorzuͤglich die Gleich- heit im Gericht, und daß des neuen Buͤrgers Eid ſo viel gelte, als des alten ſeiner.
Auf die Weiſe hat Herr D. ſchon ſehr vielen Ein- wendungen vorgebeuget, die man gegen ſeinen Vor- ſchlag machen koͤnnte. Auch in dem gebe ich ihm Recht, was er gegen Eiſenmengers entdecktes Ju- denthum ſagt, darnach er die Juden nicht beurtheilt haben will. Ich halte Eiſenmengers entdecktes Ju- denthum fuͤr ein gelehrtes, aus vielem Fleiß und groſ- ſer Beleſenheit entſtandenes Buch, und ich lerne daraus ſehr oft, wenn ich nachſchlage: aber dabey iſt es aͤuſſerſt feindſeelig und ungerecht, und wenn einer
gegen
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verlangt, oͤffentlich ausruft, wie kann man wiſſen,
was er vom Eide denkt? ob er uͤberhaupt glaubt, daß
Gott den Eid annimmt, und irgend in einer Welt,
dieſer oder jener, den Meineid ſtraft? Iſt dis der
ſeltene Fall bey einem einzigen, ſo iſt das Ungluͤck
nicht ſo groß, und bey einem wichtigen Proceß wuͤr-
de allenfalls der Advocat gegen den Eid eines ſolchen
Juden Einwendungen machen und gehoͤrt werden:
gienge es aber in die Hunderte und Tauſende, ſo
wuͤrde es groſſe Haͤrte gegen unſere alten eidfuͤrchti-
gen Buͤrger ſeyn, ihnen Fremde, auf deren Eid man
ſich nicht verlaſſen kann, gleich zu machen, denn zu
dieſem Gleichmachen gehoͤrt doch vorzuͤglich die Gleich-
heit im Gericht, und daß des neuen Buͤrgers Eid ſo
viel gelte, als des alten ſeiner.
Auf die Weiſe hat Herr D. ſchon ſehr vielen Ein-
wendungen vorgebeuget, die man gegen ſeinen Vor-
ſchlag machen koͤnnte. Auch in dem gebe ich ihm
Recht, was er gegen Eiſenmengers entdecktes Ju-
denthum ſagt, darnach er die Juden nicht beurtheilt
haben will. Ich halte Eiſenmengers entdecktes Ju-
denthum fuͤr ein gelehrtes, aus vielem Fleiß und groſ-
ſer Beleſenheit entſtandenes Buch, und ich lerne
daraus ſehr oft, wenn ich nachſchlage: aber dabey iſt
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/46>, abgerufen am 24.11.2024.
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