gegen eine der drey im römischen Reich eingeführten Religionen etwas dergleichen schriebe, so würde man es eine Lästerschrift nennen. Wie wenn einer ein entdecktes Pabstthum oder Lutherthum schreiben, und mit Vorbeylassung des Guten, wohl der allge- mein angenommenen Sätze, und der Widersprüche gegen Irrthümer, alles auszeichnen wollte, was je- mals irgend einem der schlechtesten Schriftsteller ent- fahren, oder, was beym Disputiren unter Gelehr- ten auch nur mündlich einmal gesagt ist? Was man alsdenn den Catholiken schuld geben könnte, daran doch ihre Religion unschuldig ist, weiß ein jeder: aber gewiß wir Lutheraner würden eben so schlecht wegkommen, und so wenig im römischen Reich Dul- dung verdienen, als die Münsterischen Widertäufer. Was auch Herr D. wegen der Anführungen aus dem Talmud S. 22 sagt, ist richtig, und ich will es lieber deutlicher und vollständiger mit eigenen Wor- ten sagen. Im Talmud findet man die Meinungen verschiedener Rabbinen über einerley Sache ange- führt, sie widersprechen und disputiren oft mit ein- ander, da ist nun nicht gleich alles, was Eisenmen- ger aus dem Talmud buchstäblich anführt, Glaube und Lehre des ganzen jüdischen Volks, nicht einmal des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die
Karai-
C 4
gegen eine der drey im roͤmiſchen Reich eingefuͤhrten Religionen etwas dergleichen ſchriebe, ſo wuͤrde man es eine Laͤſterſchrift nennen. Wie wenn einer ein entdecktes Pabſtthum oder Lutherthum ſchreiben, und mit Vorbeylaſſung des Guten, wohl der allge- mein angenommenen Saͤtze, und der Widerſpruͤche gegen Irrthuͤmer, alles auszeichnen wollte, was je- mals irgend einem der ſchlechteſten Schriftſteller ent- fahren, oder, was beym Diſputiren unter Gelehr- ten auch nur muͤndlich einmal geſagt iſt? Was man alsdenn den Catholiken ſchuld geben koͤnnte, daran doch ihre Religion unſchuldig iſt, weiß ein jeder: aber gewiß wir Lutheraner wuͤrden eben ſo ſchlecht wegkommen, und ſo wenig im roͤmiſchen Reich Dul- dung verdienen, als die Muͤnſteriſchen Widertaͤufer. Was auch Herr D. wegen der Anfuͤhrungen aus dem Talmud S. 22 ſagt, iſt richtig, und ich will es lieber deutlicher und vollſtaͤndiger mit eigenen Wor- ten ſagen. Im Talmud findet man die Meinungen verſchiedener Rabbinen uͤber einerley Sache ange- fuͤhrt, ſie widerſprechen und diſputiren oft mit ein- ander, da iſt nun nicht gleich alles, was Eiſenmen- ger aus dem Talmud buchſtaͤblich anfuͤhrt, Glaube und Lehre des ganzen juͤdiſchen Volks, nicht einmal des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die
Karai-
C 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="39"/>
gegen eine der drey im roͤmiſchen Reich eingefuͤhrten<lb/>
Religionen etwas dergleichen ſchriebe, ſo wuͤrde man<lb/>
es eine Laͤſterſchrift nennen. Wie wenn einer ein<lb/>
entdecktes Pabſtthum oder Lutherthum ſchreiben,<lb/>
und mit Vorbeylaſſung des Guten, wohl der allge-<lb/>
mein angenommenen Saͤtze, und der Widerſpruͤche<lb/>
gegen Irrthuͤmer, alles auszeichnen wollte, was je-<lb/>
mals irgend einem der ſchlechteſten Schriftſteller ent-<lb/>
fahren, oder, was beym Diſputiren unter Gelehr-<lb/>
ten auch nur muͤndlich einmal geſagt iſt? Was man<lb/>
alsdenn den Catholiken ſchuld geben koͤnnte, daran<lb/>
doch ihre Religion unſchuldig iſt, weiß ein jeder:<lb/>
aber gewiß wir Lutheraner wuͤrden eben ſo ſchlecht<lb/>
wegkommen, und ſo wenig im roͤmiſchen Reich Dul-<lb/>
dung verdienen, als die Muͤnſteriſchen Widertaͤufer.<lb/>
Was auch Herr D. wegen der Anfuͤhrungen aus<lb/>
dem Talmud S. 22 ſagt, iſt richtig, und ich will es<lb/>
lieber deutlicher und vollſtaͤndiger mit eigenen Wor-<lb/>
ten ſagen. Im Talmud findet man die Meinungen<lb/>
verſchiedener Rabbinen uͤber einerley Sache ange-<lb/>
fuͤhrt, ſie widerſprechen und diſputiren oft mit ein-<lb/>
ander, da iſt nun nicht gleich alles, was Eiſenmen-<lb/>
ger aus dem Talmud buchſtaͤblich anfuͤhrt, Glaube<lb/>
und Lehre des ganzen juͤdiſchen Volks, nicht einmal<lb/>
des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Karai-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[39/0047]
gegen eine der drey im roͤmiſchen Reich eingefuͤhrten
Religionen etwas dergleichen ſchriebe, ſo wuͤrde man
es eine Laͤſterſchrift nennen. Wie wenn einer ein
entdecktes Pabſtthum oder Lutherthum ſchreiben,
und mit Vorbeylaſſung des Guten, wohl der allge-
mein angenommenen Saͤtze, und der Widerſpruͤche
gegen Irrthuͤmer, alles auszeichnen wollte, was je-
mals irgend einem der ſchlechteſten Schriftſteller ent-
fahren, oder, was beym Diſputiren unter Gelehr-
ten auch nur muͤndlich einmal geſagt iſt? Was man
alsdenn den Catholiken ſchuld geben koͤnnte, daran
doch ihre Religion unſchuldig iſt, weiß ein jeder:
aber gewiß wir Lutheraner wuͤrden eben ſo ſchlecht
wegkommen, und ſo wenig im roͤmiſchen Reich Dul-
dung verdienen, als die Muͤnſteriſchen Widertaͤufer.
Was auch Herr D. wegen der Anfuͤhrungen aus
dem Talmud S. 22 ſagt, iſt richtig, und ich will es
lieber deutlicher und vollſtaͤndiger mit eigenen Wor-
ten ſagen. Im Talmud findet man die Meinungen
verſchiedener Rabbinen uͤber einerley Sache ange-
fuͤhrt, ſie widerſprechen und diſputiren oft mit ein-
ander, da iſt nun nicht gleich alles, was Eiſenmen-
ger aus dem Talmud buchſtaͤblich anfuͤhrt, Glaube
und Lehre des ganzen juͤdiſchen Volks, nicht einmal
des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die
Karai-
C 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/47>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.