weg seyn, wenn die Gesetzgebung, (wie dieses auch schon durch das römische sowohl als canonische Recht wirklich geschehen ist) überhaupt alle Eyde, zu denen auch Juden von einer unrechtmäßigen Gewalt ge- zwungen worden, für unverbindlich erklärte, die Er- kenntniß aber, ob in einzelnen Fällen wirklich Zwang vorhanden gewesen oder nicht? allein der ordentlichen Obrinkeit, allenfalls mit Zuziehung eines jüdischen Religionslehrers, gehörte, wenigstens dieser niemals ohne vorhergegangenes obrigkeitliches Urtheil einen Eyd aufheben dürfte. Hiedurch wür- den auf einmal alle reservationes mentales schlechter- dings unnöthig gemacht, die öffentliche Treue und Heiligkeit des feyerlich gegebenen Worts blieben un- geschwächt. Die Juden könnten auch gegen eine solche Verfügung der Regierung nichts einwenden, da ihre aus Noth nachgelaßene Befugniß sich selbst zu dispensiren, hiedurch unnütz gemacht und der Zweck, einen Zwangeyd unverbindlich zu machen, weit siche- rer und ohne Nachtheil für die Gesellschaft und Mo- ralität erreicht wäre. Die Regierung würde also mit Recht verlangen und auch darauf halten müssen, daß in den jüdischen Schulen ohne Ausnahme alle falsch Eyde für Meyneyde, alle Lügen und Reser- vationen für unerlaubt erklärt würden und kein an-
der
weg ſeyn, wenn die Geſetzgebung, (wie dieſes auch ſchon durch das roͤmiſche ſowohl als canoniſche Recht wirklich geſchehen iſt) uͤberhaupt alle Eyde, zu denen auch Juden von einer unrechtmaͤßigen Gewalt ge- zwungen worden, fuͤr unverbindlich erklaͤrte, die Er- kenntniß aber, ob in einzelnen Faͤllen wirklich Zwang vorhanden geweſen oder nicht? allein der ordentlichen Obrinkeit, allenfalls mit Zuziehung eines juͤdiſchen Religionslehrers, gehoͤrte, wenigſtens dieſer niemals ohne vorhergegangenes obrigkeitliches Urtheil einen Eyd aufheben duͤrfte. Hiedurch wuͤr- den auf einmal alle reſervationes mentales ſchlechter- dings unnoͤthig gemacht, die oͤffentliche Treue und Heiligkeit des feyerlich gegebenen Worts blieben un- geſchwaͤcht. Die Juden koͤnnten auch gegen eine ſolche Verfuͤgung der Regierung nichts einwenden, da ihre aus Noth nachgelaßene Befugniß ſich ſelbſt zu diſpenſiren, hiedurch unnuͤtz gemacht und der Zweck, einen Zwangeyd unverbindlich zu machen, weit ſiche- rer und ohne Nachtheil fuͤr die Geſellſchaft und Mo- ralitaͤt erreicht waͤre. Die Regierung wuͤrde alſo mit Recht verlangen und auch darauf halten muͤſſen, daß in den juͤdiſchen Schulen ohne Ausnahme alle falſch Eyde fuͤr Meyneyde, alle Luͤgen und Reſer- vationen fuͤr unerlaubt erklaͤrt wuͤrden und kein an-
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weg ſeyn, wenn die Geſetzgebung, (wie dieſes auch
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auch Juden von einer unrechtmaͤßigen Gewalt ge-
zwungen worden, fuͤr unverbindlich erklaͤrte, die Er-
kenntniß aber, ob in einzelnen Faͤllen wirklich
Zwang vorhanden geweſen oder nicht? allein
der ordentlichen Obrinkeit, allenfalls mit Zuziehung
eines juͤdiſchen Religionslehrers, gehoͤrte, wenigſtens
dieſer niemals ohne vorhergegangenes obrigkeitliches
Urtheil einen Eyd aufheben duͤrfte. Hiedurch wuͤr-
den auf einmal alle reſervationes mentales ſchlechter-
dings unnoͤthig gemacht, die oͤffentliche Treue und
Heiligkeit des feyerlich gegebenen Worts blieben un-
geſchwaͤcht. Die Juden koͤnnten auch gegen eine
ſolche Verfuͤgung der Regierung nichts einwenden,
da ihre aus Noth nachgelaßene Befugniß ſich ſelbſt zu
diſpenſiren, hiedurch unnuͤtz gemacht und der Zweck,
einen Zwangeyd unverbindlich zu machen, weit ſiche-
rer und ohne Nachtheil fuͤr die Geſellſchaft und Mo-
ralitaͤt erreicht waͤre. Die Regierung wuͤrde alſo
mit Recht verlangen und auch darauf halten muͤſſen,
daß in den juͤdiſchen Schulen ohne Ausnahme alle
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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