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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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ganz und gar nichts. Es herrscht dabei eine übertünchte
Armseligkeit, eine Hinterlist, die einem einen aufgebra-
tenen Hecht in eleganter Garnirung als feinen Diner-
fisch vorsetzt, den himbeerröthlichen Mehlbrei als köstliche
süße Speise preist, und die Backpflaume zu unverdienten
Ehren bringt.

Ganz im Argen liegt die Kochkunst der Hausfrauen
in kleinen Städten.

Nie werde ich jene eigenfabricirten Himbeeressige ver-
gessen, die bei landräthlichen Kaffee's mit selbstgebackenen
Kirschkuchen herumgereicht wurden. Nie vergesse ich jene
Kartoffelkuchen (o schnöde Entweihung des Wortes Kuchen),
nie jene vielgerühmten Tischels, bei denen alte Semmeln
und harte Rosinen in einem mir unbekannten Fett düster
einhertrieben.

Die Höflichkeit zwang mich, dergleichen Delikatessen
in meinem schuldlosen Magen zu begraben. Jch setzte
ihnen die Jnschrift: "Sanft ruhe ihre Asche." Ach -
sie ruhte nimmer.

Wem schaudert nicht die Haut, wenn ich des Familien-
kaffee's gedenke. Er ist längst zum sprüchwörtlichen Spott
geworden.

Diese Küchen-Misere erpreßte wahrscheinlich einer
Schriftstellerin (Frau Reichardt) in ihrem Buch über:

ganz und gar nichts. Es herrscht dabei eine übertünchte
Armseligkeit, eine Hinterlist, die einem einen aufgebra-
tenen Hecht in eleganter Garnirung als feinen Diner-
fisch vorsetzt, den himbeerröthlichen Mehlbrei als köstliche
süße Speise preist, und die Backpflaume zu unverdienten
Ehren bringt.

Ganz im Argen liegt die Kochkunst der Hausfrauen
in kleinen Städten.

Nie werde ich jene eigenfabricirten Himbeeressige ver-
gessen, die bei landräthlichen Kaffee's mit selbstgebackenen
Kirschkuchen herumgereicht wurden. Nie vergesse ich jene
Kartoffelkuchen (o schnöde Entweihung des Wortes Kuchen),
nie jene vielgerühmten Tischels, bei denen alte Semmeln
und harte Rosinen in einem mir unbekannten Fett düster
einhertrieben.

Die Höflichkeit zwang mich, dergleichen Delikatessen
in meinem schuldlosen Magen zu begraben. Jch setzte
ihnen die Jnschrift: „Sanft ruhe ihre Asche.‟ Ach –
sie ruhte nimmer.

Wem schaudert nicht die Haut, wenn ich des Familien-
kaffee's gedenke. Er ist längst zum sprüchwörtlichen Spott
geworden.

Diese Küchen-Misere erpreßte wahrscheinlich einer
Schriftstellerin (Frau Reichardt) in ihrem Buch über:

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[82/0090] ganz und gar nichts. Es herrscht dabei eine übertünchte Armseligkeit, eine Hinterlist, die einem einen aufgebra- tenen Hecht in eleganter Garnirung als feinen Diner- fisch vorsetzt, den himbeerröthlichen Mehlbrei als köstliche süße Speise preist, und die Backpflaume zu unverdienten Ehren bringt. Ganz im Argen liegt die Kochkunst der Hausfrauen in kleinen Städten. Nie werde ich jene eigenfabricirten Himbeeressige ver- gessen, die bei landräthlichen Kaffee's mit selbstgebackenen Kirschkuchen herumgereicht wurden. Nie vergesse ich jene Kartoffelkuchen (o schnöde Entweihung des Wortes Kuchen), nie jene vielgerühmten Tischels, bei denen alte Semmeln und harte Rosinen in einem mir unbekannten Fett düster einhertrieben. Die Höflichkeit zwang mich, dergleichen Delikatessen in meinem schuldlosen Magen zu begraben. Jch setzte ihnen die Jnschrift: „Sanft ruhe ihre Asche.‟ Ach – sie ruhte nimmer. Wem schaudert nicht die Haut, wenn ich des Familien- kaffee's gedenke. Er ist längst zum sprüchwörtlichen Spott geworden. Diese Küchen-Misere erpreßte wahrscheinlich einer Schriftstellerin (Frau Reichardt) in ihrem Buch über:

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/90>, abgerufen am 28.04.2024.