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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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"Frauenberuf" den Schmerzensschrei: "Man sollte alle
Frauen zu denkenden Köchinnen erziehen."

Liegt hier nicht der Einwurf nahe, daß es vielleicht
besser wäre, anstatt alle Frauen zu Köchinnen, alle
Köchinnen zum guten Kochen zu erziehen?

Nach heutiger Sitte überläßt man es gemeiniglich
dem Zufall, ob das Dienstmädchen in ihrer aufsteigenden
Carriere vom Proletarierkind zum Kindermädchen, Mädchen
für Alles, Hausmädchen bis zur Köchin - vom Hören-
sagen, Zusehen und durch eigene Versuche so viel profi-
tiren mag, um schließlich einer anständigen Beamten-
oder Kaufmannsfamilie durch ihre Kochkunst das Mittags-
essen zu verleiden.

Meiner Meinung nach ist das gründliche Erlernen
die Hauptsache bei der Kochkunst, obgleich ich nicht leugnen
will, daß Dummheit selbst die beste Köchin entstellen
kann.

Eine denkende Köchin! Jm Allgemeinen pflegt man
nur die Dinge zu bedenken, über die man noch nicht
völlig im Klaren ist. Wenn Madame, die Polyhymnia
in der Küchenschürze, nun vor einer Pfanne mit einer
Bratwurst stände und anfangen wollte, darüber nachzu-
denken: kochst Du sie so - oder kochst Du sie anders?
könnte nicht mittlerweile die tückische Bratwurst das An-
brennen oder das Platzen kriegen?

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„Frauenberuf‟ den Schmerzensschrei: „Man sollte alle
Frauen zu denkenden Köchinnen erziehen.‟

Liegt hier nicht der Einwurf nahe, daß es vielleicht
besser wäre, anstatt alle Frauen zu Köchinnen, alle
Köchinnen zum guten Kochen zu erziehen?

Nach heutiger Sitte überläßt man es gemeiniglich
dem Zufall, ob das Dienstmädchen in ihrer aufsteigenden
Carriere vom Proletarierkind zum Kindermädchen, Mädchen
für Alles, Hausmädchen bis zur Köchin – vom Hören-
sagen, Zusehen und durch eigene Versuche so viel profi-
tiren mag, um schließlich einer anständigen Beamten-
oder Kaufmannsfamilie durch ihre Kochkunst das Mittags-
essen zu verleiden.

Meiner Meinung nach ist das gründliche Erlernen
die Hauptsache bei der Kochkunst, obgleich ich nicht leugnen
will, daß Dummheit selbst die beste Köchin entstellen
kann.

Eine denkende Köchin! Jm Allgemeinen pflegt man
nur die Dinge zu bedenken, über die man noch nicht
völlig im Klaren ist. Wenn Madame, die Polyhymnia
in der Küchenschürze, nun vor einer Pfanne mit einer
Bratwurst stände und anfangen wollte, darüber nachzu-
denken: kochst Du sie so – oder kochst Du sie anders?
könnte nicht mittlerweile die tückische Bratwurst das An-
brennen oder das Platzen kriegen?

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[83/0091] „Frauenberuf‟ den Schmerzensschrei: „Man sollte alle Frauen zu denkenden Köchinnen erziehen.‟ Liegt hier nicht der Einwurf nahe, daß es vielleicht besser wäre, anstatt alle Frauen zu Köchinnen, alle Köchinnen zum guten Kochen zu erziehen? Nach heutiger Sitte überläßt man es gemeiniglich dem Zufall, ob das Dienstmädchen in ihrer aufsteigenden Carriere vom Proletarierkind zum Kindermädchen, Mädchen für Alles, Hausmädchen bis zur Köchin – vom Hören- sagen, Zusehen und durch eigene Versuche so viel profi- tiren mag, um schließlich einer anständigen Beamten- oder Kaufmannsfamilie durch ihre Kochkunst das Mittags- essen zu verleiden. Meiner Meinung nach ist das gründliche Erlernen die Hauptsache bei der Kochkunst, obgleich ich nicht leugnen will, daß Dummheit selbst die beste Köchin entstellen kann. Eine denkende Köchin! Jm Allgemeinen pflegt man nur die Dinge zu bedenken, über die man noch nicht völlig im Klaren ist. Wenn Madame, die Polyhymnia in der Küchenschürze, nun vor einer Pfanne mit einer Bratwurst stände und anfangen wollte, darüber nachzu- denken: kochst Du sie so – oder kochst Du sie anders? könnte nicht mittlerweile die tückische Bratwurst das An- brennen oder das Platzen kriegen? 6*

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/91>, abgerufen am 28.04.2024.