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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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viel Aerger und Butter und Zucker wäre mir erspart
worden.

Wie lebhaft eine Köchin den humanen Geist dieser
Reform zu empfinden im Stande ist, mag Folgendes
beweisen: Jch hatte die erstaunliche Neuerung erst kürzlich
eingeführt, als ich den Besuch einer nahen und mir
lieben Verwandten erhielt. Das Entsetzen dieser jungen
Frau über meinen revolutionären Einfall war unbe-
schreiblich. Sie war außer Stande, eine müßige Zu-
schauerin zu bleiben, wo ich mich zu Grunde richtete.
Und so erschien sie denn am zweiten Morgen meiner
Gastfreundschaft im Frühstückszimmer, in der geschwun-
genen kleinen Hand den abgezogenen Schlüssel haltend.
Sie übergab ihn mir feierlich und machte ihre Achtung
vor mir von meinem Verhältniß zu diesem Schlüssel
abhängig. Jch gestehe beschämt, daß ich in einem An-
fall verwerflicher Feigheit und Höflichkeit den Schlüssel
an mich nahm, allerdings mit dem heimlichen Vorbehalt,
ihn sofort nach der Abreise der kleinen Tyrannin wieder
in's Schloß zu stecken.

Aber was geschah nun?

Meine Auguste in der Küche schwamm in Thränen,
das ganze Haus gerieth in Aufregung, sie rührte nicht
Speise und Trank an, selbst ein eigens zu dem Behufe
der Tröstung herbeigeschafftes Stück Kuchen blieb ohne

viel Aerger und Butter und Zucker wäre mir erspart
worden.

Wie lebhaft eine Köchin den humanen Geist dieser
Reform zu empfinden im Stande ist, mag Folgendes
beweisen: Jch hatte die erstaunliche Neuerung erst kürzlich
eingeführt, als ich den Besuch einer nahen und mir
lieben Verwandten erhielt. Das Entsetzen dieser jungen
Frau über meinen revolutionären Einfall war unbe-
schreiblich. Sie war außer Stande, eine müßige Zu-
schauerin zu bleiben, wo ich mich zu Grunde richtete.
Und so erschien sie denn am zweiten Morgen meiner
Gastfreundschaft im Frühstückszimmer, in der geschwun-
genen kleinen Hand den abgezogenen Schlüssel haltend.
Sie übergab ihn mir feierlich und machte ihre Achtung
vor mir von meinem Verhältniß zu diesem Schlüssel
abhängig. Jch gestehe beschämt, daß ich in einem An-
fall verwerflicher Feigheit und Höflichkeit den Schlüssel
an mich nahm, allerdings mit dem heimlichen Vorbehalt,
ihn sofort nach der Abreise der kleinen Tyrannin wieder
in's Schloß zu stecken.

Aber was geschah nun?

Meine Auguste in der Küche schwamm in Thränen,
das ganze Haus gerieth in Aufregung, sie rührte nicht
Speise und Trank an, selbst ein eigens zu dem Behufe
der Tröstung herbeigeschafftes Stück Kuchen blieb ohne

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[77/0085] viel Aerger und Butter und Zucker wäre mir erspart worden. Wie lebhaft eine Köchin den humanen Geist dieser Reform zu empfinden im Stande ist, mag Folgendes beweisen: Jch hatte die erstaunliche Neuerung erst kürzlich eingeführt, als ich den Besuch einer nahen und mir lieben Verwandten erhielt. Das Entsetzen dieser jungen Frau über meinen revolutionären Einfall war unbe- schreiblich. Sie war außer Stande, eine müßige Zu- schauerin zu bleiben, wo ich mich zu Grunde richtete. Und so erschien sie denn am zweiten Morgen meiner Gastfreundschaft im Frühstückszimmer, in der geschwun- genen kleinen Hand den abgezogenen Schlüssel haltend. Sie übergab ihn mir feierlich und machte ihre Achtung vor mir von meinem Verhältniß zu diesem Schlüssel abhängig. Jch gestehe beschämt, daß ich in einem An- fall verwerflicher Feigheit und Höflichkeit den Schlüssel an mich nahm, allerdings mit dem heimlichen Vorbehalt, ihn sofort nach der Abreise der kleinen Tyrannin wieder in's Schloß zu stecken. Aber was geschah nun? Meine Auguste in der Küche schwamm in Thränen, das ganze Haus gerieth in Aufregung, sie rührte nicht Speise und Trank an, selbst ein eigens zu dem Behufe der Tröstung herbeigeschafftes Stück Kuchen blieb ohne

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/85>, abgerufen am 28.04.2024.