Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bezeichnen: die größere Verantwortlichkeit der
Köchin
, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig-
keit entspringt.

Das Wort Schillers: "Es wächst der Mensch mit
seinen größeren Zwecken," gilt ebenso vom Staatsmann,
wie von der Köchin.

Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend
einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst-
verantwortlichkeit empfunden.

Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel
selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die
Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht.
Madame ist ja verantwortlich.

Fernerer Vorzug: Die selbstverantwortliche
Köchin wird im Stande sein
(vorausgesetzt, daß sie
es gelernt hat), wirklich schmackhaft zu kochen,
denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen,
ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den
nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus-
frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen,
daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne
jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent-
fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die
Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie

zu bezeichnen: die größere Verantwortlichkeit der
Köchin
, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig-
keit entspringt.

Das Wort Schillers: „Es wächst der Mensch mit
seinen größeren Zwecken,‟ gilt ebenso vom Staatsmann,
wie von der Köchin.

Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend
einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst-
verantwortlichkeit empfunden.

Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel
selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die
Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht.
Madame ist ja verantwortlich.

Fernerer Vorzug: Die selbstverantwortliche
Köchin wird im Stande sein
(vorausgesetzt, daß sie
es gelernt hat), wirklich schmackhaft zu kochen,
denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen,
ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den
nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus-
frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen,
daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne
jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent-
fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die
Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0084" n="76"/>
zu bezeichnen: <hi rendition="#g">die größere Verantwortlichkeit der<lb/>
Köchin</hi>, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig-<lb/>
keit entspringt.</p><lb/>
            <p>Das Wort Schillers: &#x201E;Es wächst der Mensch mit<lb/>
seinen größeren Zwecken,&#x201F; gilt ebenso vom Staatsmann,<lb/>
wie von der Köchin.</p><lb/>
            <p>Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend<lb/>
einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst-<lb/>
verantwortlichkeit empfunden.</p><lb/>
            <p>Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel<lb/>
selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die<lb/>
Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht.<lb/>
Madame ist ja verantwortlich.</p><lb/>
            <p>Fernerer Vorzug: <hi rendition="#g">Die selbstverantwortliche<lb/>
Köchin wird im Stande sein</hi> (vorausgesetzt, daß sie<lb/>
es gelernt hat), <hi rendition="#g">wirklich schmackhaft zu kochen</hi>,<lb/>
denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen,<lb/>
ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den<lb/>
nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus-<lb/>
frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst.</p><lb/>
            <p>Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen,<lb/>
daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne<lb/>
jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent-<lb/>
fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die<lb/>
Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0084] zu bezeichnen: die größere Verantwortlichkeit der Köchin, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig- keit entspringt. Das Wort Schillers: „Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken,‟ gilt ebenso vom Staatsmann, wie von der Köchin. Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst- verantwortlichkeit empfunden. Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht. Madame ist ja verantwortlich. Fernerer Vorzug: Die selbstverantwortliche Köchin wird im Stande sein (vorausgesetzt, daß sie es gelernt hat), wirklich schmackhaft zu kochen, denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen, ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus- frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen, daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent- fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/84
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/84>, abgerufen am 21.11.2024.