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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Thut sie dies nicht binnen sechs Wochen, so verliert
sie den Anspruch auf die Vormundschaft (§. 101, 102,
Tit. 18 Th. II. L. R.). Trotzdem ist aber auch dann
ihr Einfluß auf die Wahl des Berufs und auf die Er-
ziehung ihrer Kinder ein sehr beschränkter (§. 315 fg.
a. a. O.). Jhr steht kein Nießbrauch und Verwaltungs-
recht an dem Vermögen der Kinder, wie dem Vater, zu.
Dieses befindet sich vielmehr ganz und ausschließlich
unter vormundschaftlicher Verwaltung, so daß die Mutter
jeden Pfennig für die Erziehung der Kinder von dem
Vormund und dem Vormundschaftsgericht erbitten muß.
Selbst wenn der Ehemann seine überlebende Ehefrau zur
befreiten Vormünderin der Kinder ernannt hat, muß ihr
zur Ueberwachung ein Ehrenvormund an die Seite gesetzt
werden. Sie muß sofort die Vormundschaft niederlegen,
wenn sie zur zweiten Ehe schreitet; nicht einmal eine ent-
gegengesetzte testamentarische Anordnung des Vaters
kann daran etwas ändern (§. 188-191, Tit. 18 Th. II.
L. R.). Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle,
aus der alle Weisheit fließt. Vor einem englischen Ge-
richtshofe kam vor einiger Zeit die Frage, ob eine Wittwe
das Recht habe, ihr Kind in ihrer Religion zu erziehen.

Sie war Protestantin, der Vater war Katholik ge-
wesen. Das Kind war acht Jahre alt. Der Vater
hatte in seinem letzten Willen keinen Wunsch in Bezug

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 4

Thut sie dies nicht binnen sechs Wochen, so verliert
sie den Anspruch auf die Vormundschaft (§. 101, 102,
Tit. 18 Th. II. L. R.). Trotzdem ist aber auch dann
ihr Einfluß auf die Wahl des Berufs und auf die Er-
ziehung ihrer Kinder ein sehr beschränkter (§. 315 fg.
a. a. O.). Jhr steht kein Nießbrauch und Verwaltungs-
recht an dem Vermögen der Kinder, wie dem Vater, zu.
Dieses befindet sich vielmehr ganz und ausschließlich
unter vormundschaftlicher Verwaltung, so daß die Mutter
jeden Pfennig für die Erziehung der Kinder von dem
Vormund und dem Vormundschaftsgericht erbitten muß.
Selbst wenn der Ehemann seine überlebende Ehefrau zur
befreiten Vormünderin der Kinder ernannt hat, muß ihr
zur Ueberwachung ein Ehrenvormund an die Seite gesetzt
werden. Sie muß sofort die Vormundschaft niederlegen,
wenn sie zur zweiten Ehe schreitet; nicht einmal eine ent-
gegengesetzte testamentarische Anordnung des Vaters
kann daran etwas ändern (§. 188–191, Tit. 18 Th. II.
L. R.). Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle,
aus der alle Weisheit fließt. Vor einem englischen Ge-
richtshofe kam vor einiger Zeit die Frage, ob eine Wittwe
das Recht habe, ihr Kind in ihrer Religion zu erziehen.

Sie war Protestantin, der Vater war Katholik ge-
wesen. Das Kind war acht Jahre alt. Der Vater
hatte in seinem letzten Willen keinen Wunsch in Bezug

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 4
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[49/0057] Thut sie dies nicht binnen sechs Wochen, so verliert sie den Anspruch auf die Vormundschaft (§. 101, 102, Tit. 18 Th. II. L. R.). Trotzdem ist aber auch dann ihr Einfluß auf die Wahl des Berufs und auf die Er- ziehung ihrer Kinder ein sehr beschränkter (§. 315 fg. a. a. O.). Jhr steht kein Nießbrauch und Verwaltungs- recht an dem Vermögen der Kinder, wie dem Vater, zu. Dieses befindet sich vielmehr ganz und ausschließlich unter vormundschaftlicher Verwaltung, so daß die Mutter jeden Pfennig für die Erziehung der Kinder von dem Vormund und dem Vormundschaftsgericht erbitten muß. Selbst wenn der Ehemann seine überlebende Ehefrau zur befreiten Vormünderin der Kinder ernannt hat, muß ihr zur Ueberwachung ein Ehrenvormund an die Seite gesetzt werden. Sie muß sofort die Vormundschaft niederlegen, wenn sie zur zweiten Ehe schreitet; nicht einmal eine ent- gegengesetzte testamentarische Anordnung des Vaters kann daran etwas ändern (§. 188–191, Tit. 18 Th. II. L. R.). Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle, aus der alle Weisheit fließt. Vor einem englischen Ge- richtshofe kam vor einiger Zeit die Frage, ob eine Wittwe das Recht habe, ihr Kind in ihrer Religion zu erziehen. Sie war Protestantin, der Vater war Katholik ge- wesen. Das Kind war acht Jahre alt. Der Vater hatte in seinem letzten Willen keinen Wunsch in Bezug Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 4

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/57>, abgerufen am 27.04.2024.