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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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ohne daß man den Urhebern der Reform diesen Vor-
wurf in's Gesicht geschleudert hätte, so will ich mich für
besiegt erklären und die Frauenfrage für eine verlorene
halten.

Jndessen will ich zugeben, daß diesmal der englische
Pessimist nicht ganz Unrecht hat. Es handelt sich in
der That bei der Frauenfrage um eine sociale Revolution,
eine gewaltige und wunderbare, wie die Welt keine zweite
gesehen, eine Revolution, in der einzig und allein mit
geistigen Waffen gekämpft wird.

Ja, es ist wahr, wir leugnen es nicht, diese Revo-
lution bezweckt die Auflösung der heutigen socialen Zu-
stände, den Sturz der Anarchie der Conservativen, deren
sociales Staatsgebäude auf morschen Lügen ruht. Wir
wollen neue, geläuterte Sitten schaffen, und für die
Frau, für die heute "leben" gleichbedeutend ist mit
"heucheln", eine Basis, auf der sie, statt Schwäche und
heuchelnd, Tugend und Kraft entwickeln mögen.

Dem Pessimisten folgt ein edler, tugendsamer Herr,
der die Bill für völlig zwecklos erachtet, sintemalen die
Frauen ja nichts zu fürchten hätten, denn bekanntlich
sei das Glück und das Jnteresse der Frau und Tochter
jedem Familienhaupte theurer als sein eigenes.

Und wenn das Familienhaupt, wie es schon vor-
gekommen sein soll, vor Frau und Tochter stirbt?

ohne daß man den Urhebern der Reform diesen Vor-
wurf in's Gesicht geschleudert hätte, so will ich mich für
besiegt erklären und die Frauenfrage für eine verlorene
halten.

Jndessen will ich zugeben, daß diesmal der englische
Pessimist nicht ganz Unrecht hat. Es handelt sich in
der That bei der Frauenfrage um eine sociale Revolution,
eine gewaltige und wunderbare, wie die Welt keine zweite
gesehen, eine Revolution, in der einzig und allein mit
geistigen Waffen gekämpft wird.

Ja, es ist wahr, wir leugnen es nicht, diese Revo-
lution bezweckt die Auflösung der heutigen socialen Zu-
stände, den Sturz der Anarchie der Conservativen, deren
sociales Staatsgebäude auf morschen Lügen ruht. Wir
wollen neue, geläuterte Sitten schaffen, und für die
Frau, für die heute „leben‟ gleichbedeutend ist mit
„heucheln‟, eine Basis, auf der sie, statt Schwäche und
heuchelnd, Tugend und Kraft entwickeln mögen.

Dem Pessimisten folgt ein edler, tugendsamer Herr,
der die Bill für völlig zwecklos erachtet, sintemalen die
Frauen ja nichts zu fürchten hätten, denn bekanntlich
sei das Glück und das Jnteresse der Frau und Tochter
jedem Familienhaupte theurer als sein eigenes.

Und wenn das Familienhaupt, wie es schon vor-
gekommen sein soll, vor Frau und Tochter stirbt?

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[200/0208] ohne daß man den Urhebern der Reform diesen Vor- wurf in's Gesicht geschleudert hätte, so will ich mich für besiegt erklären und die Frauenfrage für eine verlorene halten. Jndessen will ich zugeben, daß diesmal der englische Pessimist nicht ganz Unrecht hat. Es handelt sich in der That bei der Frauenfrage um eine sociale Revolution, eine gewaltige und wunderbare, wie die Welt keine zweite gesehen, eine Revolution, in der einzig und allein mit geistigen Waffen gekämpft wird. Ja, es ist wahr, wir leugnen es nicht, diese Revo- lution bezweckt die Auflösung der heutigen socialen Zu- stände, den Sturz der Anarchie der Conservativen, deren sociales Staatsgebäude auf morschen Lügen ruht. Wir wollen neue, geläuterte Sitten schaffen, und für die Frau, für die heute „leben‟ gleichbedeutend ist mit „heucheln‟, eine Basis, auf der sie, statt Schwäche und heuchelnd, Tugend und Kraft entwickeln mögen. Dem Pessimisten folgt ein edler, tugendsamer Herr, der die Bill für völlig zwecklos erachtet, sintemalen die Frauen ja nichts zu fürchten hätten, denn bekanntlich sei das Glück und das Jnteresse der Frau und Tochter jedem Familienhaupte theurer als sein eigenes. Und wenn das Familienhaupt, wie es schon vor- gekommen sein soll, vor Frau und Tochter stirbt?

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/208>, abgerufen am 28.04.2024.