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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Der Mangel physischer Kraft dient immer da zum
Vorwand, wo man die Frau benachtheiligen will.*)

Erst kürzlich zählte Herr Stephan diesen Mangel
unter die Hindernisse für die Postcarriere der Frauen.

Wir müssen doch annehmen, daß eine verständige
Frau weiß, wie weit ihre Kräfte reichen. Herr Stephan
aber scheint des Glaubens, daß das ganze Geschlecht von
einem krankhaften Gelüst besessen sei, sich zu verheben.
Bricht das Weib im Dienst unter der Last der Packete
zusammen, nun, so ist ja immer noch Zeit, sie mit
einer Gratification von einer Flasche Eau de Cologne
an die Luft zu setzen.

Diese vorgebliche physische Schwäche flößt ihm auch
die Besorgniß ein, daß sie keinen Respekt bei den Unter-
beamten, strammen Unteroffizieren u. s. w. finden werde.

Man könnte einwenden, daß bei derartigen Be-
ziehungen das geistige Uebergewicht entscheide, da ich

*) Bei einem Theil des weiblichen Geschlechts ist dieser
Mangel allerdings in hohem Grade vorhanden, in Folge der ab-
soluten Vernachlässigung körperlicher Uebungen. Uebung und Aus-
bildung der Körperkraft steht auf dem Programm der zukünftigen
Mädchenerziehung. - Daß ein gesunder weiblicher Körper der
größten Strapazen fähig ist, beweist uns jede Bauersfrau, die
stundenlang Lasten trägt, die wir gebildete Stadtfrauen mit
Händen und Füßen kaum von der Stelle zu bewegen im Stande
sind.

Der Mangel physischer Kraft dient immer da zum
Vorwand, wo man die Frau benachtheiligen will.*)

Erst kürzlich zählte Herr Stephan diesen Mangel
unter die Hindernisse für die Postcarriere der Frauen.

Wir müssen doch annehmen, daß eine verständige
Frau weiß, wie weit ihre Kräfte reichen. Herr Stephan
aber scheint des Glaubens, daß das ganze Geschlecht von
einem krankhaften Gelüst besessen sei, sich zu verheben.
Bricht das Weib im Dienst unter der Last der Packete
zusammen, nun, so ist ja immer noch Zeit, sie mit
einer Gratification von einer Flasche Eau de Cologne
an die Luft zu setzen.

Diese vorgebliche physische Schwäche flößt ihm auch
die Besorgniß ein, daß sie keinen Respekt bei den Unter-
beamten, strammen Unteroffizieren u. s. w. finden werde.

Man könnte einwenden, daß bei derartigen Be-
ziehungen das geistige Uebergewicht entscheide, da ich

*) Bei einem Theil des weiblichen Geschlechts ist dieser
Mangel allerdings in hohem Grade vorhanden, in Folge der ab-
soluten Vernachlässigung körperlicher Uebungen. Uebung und Aus-
bildung der Körperkraft steht auf dem Programm der zukünftigen
Mädchenerziehung. – Daß ein gesunder weiblicher Körper der
größten Strapazen fähig ist, beweist uns jede Bauersfrau, die
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Händen und Füßen kaum von der Stelle zu bewegen im Stande
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[197/0205] Der Mangel physischer Kraft dient immer da zum Vorwand, wo man die Frau benachtheiligen will. *) Erst kürzlich zählte Herr Stephan diesen Mangel unter die Hindernisse für die Postcarriere der Frauen. Wir müssen doch annehmen, daß eine verständige Frau weiß, wie weit ihre Kräfte reichen. Herr Stephan aber scheint des Glaubens, daß das ganze Geschlecht von einem krankhaften Gelüst besessen sei, sich zu verheben. Bricht das Weib im Dienst unter der Last der Packete zusammen, nun, so ist ja immer noch Zeit, sie mit einer Gratification von einer Flasche Eau de Cologne an die Luft zu setzen. Diese vorgebliche physische Schwäche flößt ihm auch die Besorgniß ein, daß sie keinen Respekt bei den Unter- beamten, strammen Unteroffizieren u. s. w. finden werde. Man könnte einwenden, daß bei derartigen Be- ziehungen das geistige Uebergewicht entscheide, da ich *) Bei einem Theil des weiblichen Geschlechts ist dieser Mangel allerdings in hohem Grade vorhanden, in Folge der ab- soluten Vernachlässigung körperlicher Uebungen. Uebung und Aus- bildung der Körperkraft steht auf dem Programm der zukünftigen Mädchenerziehung. – Daß ein gesunder weiblicher Körper der größten Strapazen fähig ist, beweist uns jede Bauersfrau, die stundenlang Lasten trägt, die wir gebildete Stadtfrauen mit Händen und Füßen kaum von der Stelle zu bewegen im Stande sind.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/205>, abgerufen am 27.04.2024.