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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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Neubildungen von Gefühlen oder von Spannungen des Willens pdi_346.002
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andrerseits ihre Reinheit, besonders bei dichterischen Werken. pdi_346.004
Solche Einmischungen sind es, welche in dem bürgerlichen pdi_346.005
Schauspiel Mitleid und Furcht verfälschen, indem sie Erinnerung pdi_346.006
eigener schmerzlicher Lagen oder Befürchtung derselben pdi_346.007
aufrufen, und nicht am wenigsten aus diesem Grunde bedarf pdi_346.008
die Tragödie der königlichen Helden, welche in reiner Ferne pdi_346.009
vom Beschauer sich befinden. Hier treten wir in das eigenste pdi_346.010
Gebiet des Dichters: Erlebniss und seine Nachbildung in der pdi_346.011
Phantasie. Zunächst ist die Energie dieser Nachbildungen abhängig pdi_346.012
von der ursprünglichen Kraft der Gefühle, Affecte und pdi_346.013
Willensvorgänge. Alsdann bleiben Nachbildungen derselben in pdi_346.014
ganz verschiedenem Grade nach Deutlichkeit, Energie und Mitschwingung pdi_346.015
des eigenen Inneren hinter den ursprünglichen Vorgängen pdi_346.016
zurück. Da sie von der Erinnerung der äusseren Wahrnehmungen pdi_346.017
nirgend getrennt sind, haben wir schon in die Beispiele pdi_346.018
von der Energie der Erinnerungsbilder Angaben über die pdi_346.019
Stärke dieser Nachbildungen verwoben. Ich füge eine Aeusserung pdi_346.020
von Dickens hinzu. Als er sich dem Ende seiner Erzählung Sylvesterglocken pdi_346.021
näherte, schrieb er: "seit ich das ausdachte, was pdi_346.022
im dritten Theile geschehen muss, habe ich so viel Kummer pdi_346.023
und Gemüthsbewegungen ausgestanden, als wäre die Sache etwas pdi_346.024
Wirkliches, und bin bei Nacht davon aufgewacht. Ich musste pdi_346.025
mich einschliessen, als ich gestern damit fertig war; denn mein pdi_346.026
Gesicht war zu dem Doppelten seiner gewöhnlichen Grösse angeschwollen pdi_346.027
und gewaltig lächerlich."1) Goethe erzählt am 18. pdi_346.028
October 1786, wie er, zwischen Schlaf und Wachen, den Plan pdi_346.029
zur Iphigenie in Delphi gefunden, darin eine Wiedererkennungsscene: pdi_346.030
"ich habe selber darüber geweint wie ein Kind." Und pdi_346.031
Goethe äusserte an Schiller, er wisse nicht, ob er eine wahre pdi_346.032
Tragödie schreiben könne, doch erschrecke er schon vor dem pdi_346.033
Unternehmen und sei beinahe überzeugt, dass er sich durch den pdi_346.034
blossen Versuch zerstören könne. Aus der Lebendigkeit der

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Forster, Dickens' Leben, übers. v. Althaus II 134.

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näherte, schrieb er: „seit ich das ausdachte, was pdi_346.022
im dritten Theile geschehen muss, habe ich so viel Kummer pdi_346.023
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Wirkliches, und bin bei Nacht davon aufgewacht. Ich musste pdi_346.025
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Gesicht war zu dem Doppelten seiner gewöhnlichen Grösse angeschwollen pdi_346.027
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October 1786, wie er, zwischen Schlaf und Wachen, den Plan pdi_346.029
zur Iphigenie in Delphi gefunden, darin eine Wiedererkennungsscene: pdi_346.030
„ich habe selber darüber geweint wie ein Kind.“ Und pdi_346.031
Goethe äusserte an Schiller, er wisse nicht, ob er eine wahre pdi_346.032
Tragödie schreiben könne, doch erschrecke er schon vor dem pdi_346.033
Unternehmen und sei beinahe überzeugt, dass er sich durch den pdi_346.034
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Forster, Dickens' Leben, übers. v. Althaus II 134.
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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/48>, abgerufen am 23.11.2024.