Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_345.001 Der Dichter unterscheidet sich mehr noch als durch die pdi_345.012 1) pdi_345.034 Ebend. II 41 ff. 2) pdi_345.035
Flaubert Mittheilung an Taine l'intelligence II 1. pdi_345.001 Der Dichter unterscheidet sich mehr noch als durch die pdi_345.012 1) pdi_345.034 Ebend. II 41 ff. 2) pdi_345.035
Flaubert Mittheilung an Taine l'intelligence II 1. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="345"/><lb n="pdi_345.001"/> sich überall findet, wo ein wirkliches Talent vorhanden ist.“<note xml:id="PDI_345_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_345.034"/> Ebend. II 41 ff.</note> <lb n="pdi_345.002"/> Flaubert erzählt ─ und warum sollte man hier Zweifel in ihn <lb n="pdi_345.003"/> setzen? ─ „Die Gestalten meiner Einbildungskraft afficiren mich, <lb n="pdi_345.004"/> verfolgen mich, oder vielmehr ich bin es, der in ihnen lebt. Als ich <lb n="pdi_345.005"/> beschrieb, wie Emma Bovary vergiftet wird, hatte ich einen so <lb n="pdi_345.006"/> deutlichen Arsenikgeschmack auf der Zunge, dass ich zwei Indigestionen <lb n="pdi_345.007"/> davontrug.“<note xml:id="PDI_345_2" place="foot" n="2)"><lb n="pdi_345.035"/> Flaubert Mittheilung an Taine <hi rendition="#i">l'intelligence</hi> II 1.</note> Und die Biographie von Dickens ist voll <lb n="pdi_345.008"/> von Beweisen darüber, wie seine Figuren sich in seiner Einbildungskraft <lb n="pdi_345.009"/> mit einer unvergleichlichen sinnlichen Deutlichkeit bewegten, <lb n="pdi_345.010"/> zugleich wie sie seinem Herzen nahe standen.</p> <lb n="pdi_345.011"/> <p> Der Dichter unterscheidet sich mehr noch als durch die <lb n="pdi_345.012"/> Energie seiner Erinnerungsbilder von sinnlichen Wahrnehmungen <lb n="pdi_345.013"/> durch die Kraft, mit welcher <hi rendition="#g">seelische Zustände,</hi> selbsterfahrene, <lb n="pdi_345.014"/> an anderen aufgefasste, folgerecht ganze Begebenheiten <lb n="pdi_345.015"/> und Charaktere, wie sie in der Verknüpfung solcher Zustände bestehen, <lb n="pdi_345.016"/> von ihm <hi rendition="#g">nachgebildet</hi> werden. Dem Unterschied der <lb n="pdi_345.017"/> äusseren Wahrnehmung und der Vorstellung entspricht auf dem <lb n="pdi_345.018"/> Gebiet der inneren Erfahrung der von Erlebniss und Nachbildung <lb n="pdi_345.019"/> desselben. In dieser Nachbildung wird auch der eigene <lb n="pdi_345.020"/> Zustand zum Gegenstand. Zunächst gehen die äusseren Wahrnehmungen, <lb n="pdi_345.021"/> welche mit einem Gefühls- oder Willenszustande <lb n="pdi_345.022"/> verbunden sind, in Vorstellungen über; die Bilder der Personen, <lb n="pdi_345.023"/> der Umgebung, der Situation werden reproducirt, die Vorstellungen, <lb n="pdi_345.024"/> die mit der Lage verbunden waren: und nun wird <lb n="pdi_345.025"/> von diesem Vorstellungsinbegriff aus die Nachbildung von Gefühlen <lb n="pdi_345.026"/> und Willensvorgängen eingeleitet. Selbstverständlich treten <lb n="pdi_345.027"/> zunächst, wo die Folgen eines Thatbestandes für das Gefühl und <lb n="pdi_345.028"/> den Willen fortdauern, bei lebhafter Reproduction dieses Thatbestandes <lb n="pdi_345.029"/> von Neuem die aus der Situation entspringenden <lb n="pdi_345.030"/> Gefühls- und Willensacte auf. Aber es giebt ferner eine Nachbildung <lb n="pdi_345.031"/> des Gefühls- oder Willensvorgangs, die sich von dem <lb n="pdi_345.032"/> Erlebniss so specifisch unterscheidet, als die Vorstellung von <lb n="pdi_345.033"/> der Wahrnehmung. Freilich mischen sich in sie in der Regel </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [345/0047]
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sich überall findet, wo ein wirkliches Talent vorhanden ist.“ 1) pdi_345.002
Flaubert erzählt ─ und warum sollte man hier Zweifel in ihn pdi_345.003
setzen? ─ „Die Gestalten meiner Einbildungskraft afficiren mich, pdi_345.004
verfolgen mich, oder vielmehr ich bin es, der in ihnen lebt. Als ich pdi_345.005
beschrieb, wie Emma Bovary vergiftet wird, hatte ich einen so pdi_345.006
deutlichen Arsenikgeschmack auf der Zunge, dass ich zwei Indigestionen pdi_345.007
davontrug.“ 2) Und die Biographie von Dickens ist voll pdi_345.008
von Beweisen darüber, wie seine Figuren sich in seiner Einbildungskraft pdi_345.009
mit einer unvergleichlichen sinnlichen Deutlichkeit bewegten, pdi_345.010
zugleich wie sie seinem Herzen nahe standen.
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Der Dichter unterscheidet sich mehr noch als durch die pdi_345.012
Energie seiner Erinnerungsbilder von sinnlichen Wahrnehmungen pdi_345.013
durch die Kraft, mit welcher seelische Zustände, selbsterfahrene, pdi_345.014
an anderen aufgefasste, folgerecht ganze Begebenheiten pdi_345.015
und Charaktere, wie sie in der Verknüpfung solcher Zustände bestehen, pdi_345.016
von ihm nachgebildet werden. Dem Unterschied der pdi_345.017
äusseren Wahrnehmung und der Vorstellung entspricht auf dem pdi_345.018
Gebiet der inneren Erfahrung der von Erlebniss und Nachbildung pdi_345.019
desselben. In dieser Nachbildung wird auch der eigene pdi_345.020
Zustand zum Gegenstand. Zunächst gehen die äusseren Wahrnehmungen, pdi_345.021
welche mit einem Gefühls- oder Willenszustande pdi_345.022
verbunden sind, in Vorstellungen über; die Bilder der Personen, pdi_345.023
der Umgebung, der Situation werden reproducirt, die Vorstellungen, pdi_345.024
die mit der Lage verbunden waren: und nun wird pdi_345.025
von diesem Vorstellungsinbegriff aus die Nachbildung von Gefühlen pdi_345.026
und Willensvorgängen eingeleitet. Selbstverständlich treten pdi_345.027
zunächst, wo die Folgen eines Thatbestandes für das Gefühl und pdi_345.028
den Willen fortdauern, bei lebhafter Reproduction dieses Thatbestandes pdi_345.029
von Neuem die aus der Situation entspringenden pdi_345.030
Gefühls- und Willensacte auf. Aber es giebt ferner eine Nachbildung pdi_345.031
des Gefühls- oder Willensvorgangs, die sich von dem pdi_345.032
Erlebniss so specifisch unterscheidet, als die Vorstellung von pdi_345.033
der Wahrnehmung. Freilich mischen sich in sie in der Regel
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Ebend. II 41 ff.
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Flaubert Mittheilung an Taine l'intelligence II 1.
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