Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Zweites Buch. Dritter Abschnitt. im Zusammenhang seiner theologischen Metaphysik die mannig-faltige Vollkommenheit der Kreaturen in dem einfachen Wesen Gottes enthalten gedacht werden soll: dann wird anerkannt, daß jeder Ausdruck nur inadäquat sei, ja der Ergänzung durch die anderen bedürfe, und doch wird nicht auf Erkenntniß Gottes verzichtet 1). Hebt Thomas tiefblickend hervor, daß der Inhalt der Aussage nicht abhängig von der Art sei, wie wir aussagen, sonach durch die Unterscheidung im Satze kein Unterschied in Gott gesetzt werde 2): so ergiebt sich hieraus um so klarer die Un- möglichkeit, den durch Unterscheidung aufgefaßten Inhalt einfach vorzustellen. So führt keine Distinktion der mittelalterlichen theo- logischen Metaphysik über die nur symbolische Bedeutung der Gottesvorstellung hinaus: damit ist aber eine dem Gegenstande entsprechende Erkenntniß der Eigenschaften Gottes aufgegeben, und alle endlichen relativen Bestimmungen behalten nur den Sinn einer Bilderschrift für das Ueber-Endliche und über alle Re- lationen Hinausreichende 3). 1) Die widerspruchsvolle Stellung des Thomas in dieser Frage tritt am deutlichsten hervor in der summa theol. p. I quaest. 3 und quaest. 13, sowie in der Schrift contra gentiles I c. 31--36; vgl. besonders in der ersteren Schrift quaest. 13 art. 12. 2) Contra gentil. I c. 36. Summa theol. p. I quaest. 13 art. 12. 3) Occam quodlibeta septem III quaest. 2: attributa (divina) non
sunt nisi quaedam praedicabilia mentalia, vocalia vel scripta, nata sig- nificare et supponere pro Deo, quae possunt naturali ratione investigari et concludi de Deo. Zweites Buch. Dritter Abſchnitt. im Zuſammenhang ſeiner theologiſchen Metaphyſik die mannig-faltige Vollkommenheit der Kreaturen in dem einfachen Weſen Gottes enthalten gedacht werden ſoll: dann wird anerkannt, daß jeder Ausdruck nur inadäquat ſei, ja der Ergänzung durch die anderen bedürfe, und doch wird nicht auf Erkenntniß Gottes verzichtet 1). Hebt Thomas tiefblickend hervor, daß der Inhalt der Ausſage nicht abhängig von der Art ſei, wie wir ausſagen, ſonach durch die Unterſcheidung im Satze kein Unterſchied in Gott geſetzt werde 2): ſo ergiebt ſich hieraus um ſo klarer die Un- möglichkeit, den durch Unterſcheidung aufgefaßten Inhalt einfach vorzuſtellen. So führt keine Diſtinktion der mittelalterlichen theo- logiſchen Metaphyſik über die nur ſymboliſche Bedeutung der Gottesvorſtellung hinaus: damit iſt aber eine dem Gegenſtande entſprechende Erkenntniß der Eigenſchaften Gottes aufgegeben, und alle endlichen relativen Beſtimmungen behalten nur den Sinn einer Bilderſchrift für das Ueber-Endliche und über alle Re- lationen Hinausreichende 3). 1) Die widerſpruchsvolle Stellung des Thomas in dieſer Frage tritt am deutlichſten hervor in der summa theol. p. I quaest. 3 und quaest. 13, ſowie in der Schrift contra gentiles I c. 31—36; vgl. beſonders in der erſteren Schrift quaest. 13 art. 12. 2) Contra gentil. I c. 36. Summa theol. p. I quaest. 13 art. 12. 3) Occam quodlibeta septem III quaest. 2: attributa (divina) non
sunt nisi quaedam praedicabilia mentalia, vocalia vel scripta, nata sig- nificare et supponere pro Deo, quae possunt naturali ratione investigari et concludi de Deo. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0391" n="368"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Dritter Abſchnitt.</fw><lb/> im Zuſammenhang ſeiner theologiſchen Metaphyſik die mannig-<lb/> faltige Vollkommenheit der Kreaturen in dem einfachen Weſen<lb/> Gottes enthalten gedacht werden ſoll: dann wird <hi rendition="#g">anerkannt</hi>, daß<lb/> jeder Ausdruck nur <hi rendition="#g">inadäquat</hi> ſei, ja der Ergänzung durch die<lb/> anderen bedürfe, und doch wird <hi rendition="#g">nicht</hi> auf <hi rendition="#g">Erkenntniß</hi> Gottes<lb/><hi rendition="#g">verzichtet</hi> <note place="foot" n="1)">Die widerſpruchsvolle Stellung des Thomas in dieſer Frage tritt<lb/> am deutlichſten hervor in der <hi rendition="#aq">summa theol. p. I quaest. 3</hi> und <hi rendition="#aq">quaest. 13</hi>,<lb/> ſowie in der Schrift <hi rendition="#aq">contra gentiles I c. 31—36</hi>; vgl. beſonders in der<lb/> erſteren Schrift <hi rendition="#aq">quaest. 13 art. 12</hi>.</note>. Hebt Thomas tiefblickend hervor, daß der Inhalt<lb/> der Ausſage nicht abhängig von der Art ſei, wie wir ausſagen,<lb/> ſonach durch die Unterſcheidung im Satze kein Unterſchied in Gott<lb/> geſetzt werde <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Contra gentil. I c. 36. Summa theol. p. I quaest. 13 art. 12.</hi></note>: ſo ergiebt ſich hieraus um ſo klarer die Un-<lb/> möglichkeit, den durch Unterſcheidung aufgefaßten Inhalt einfach<lb/> vorzuſtellen. So führt keine Diſtinktion der mittelalterlichen theo-<lb/> logiſchen Metaphyſik über die nur ſymboliſche Bedeutung der<lb/> Gottesvorſtellung hinaus: damit iſt aber eine dem Gegenſtande<lb/> entſprechende Erkenntniß der Eigenſchaften Gottes aufgegeben, und<lb/> alle endlichen relativen Beſtimmungen behalten nur den Sinn<lb/> einer Bilderſchrift für das Ueber-Endliche und über alle Re-<lb/> lationen Hinausreichende <note place="foot" n="3)">Occam <hi rendition="#aq">quodlibeta septem III quaest. 2: attributa (divina) non<lb/> sunt nisi quaedam praedicabilia mentalia, vocalia vel scripta, nata sig-<lb/> nificare et supponere pro Deo, quae possunt naturali ratione investigari<lb/> et concludi de Deo</hi>.</note>.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [368/0391]
Zweites Buch. Dritter Abſchnitt.
im Zuſammenhang ſeiner theologiſchen Metaphyſik die mannig-
faltige Vollkommenheit der Kreaturen in dem einfachen Weſen
Gottes enthalten gedacht werden ſoll: dann wird anerkannt, daß
jeder Ausdruck nur inadäquat ſei, ja der Ergänzung durch die
anderen bedürfe, und doch wird nicht auf Erkenntniß Gottes
verzichtet 1). Hebt Thomas tiefblickend hervor, daß der Inhalt
der Ausſage nicht abhängig von der Art ſei, wie wir ausſagen,
ſonach durch die Unterſcheidung im Satze kein Unterſchied in Gott
geſetzt werde 2): ſo ergiebt ſich hieraus um ſo klarer die Un-
möglichkeit, den durch Unterſcheidung aufgefaßten Inhalt einfach
vorzuſtellen. So führt keine Diſtinktion der mittelalterlichen theo-
logiſchen Metaphyſik über die nur ſymboliſche Bedeutung der
Gottesvorſtellung hinaus: damit iſt aber eine dem Gegenſtande
entſprechende Erkenntniß der Eigenſchaften Gottes aufgegeben, und
alle endlichen relativen Beſtimmungen behalten nur den Sinn
einer Bilderſchrift für das Ueber-Endliche und über alle Re-
lationen Hinausreichende 3).
1) Die widerſpruchsvolle Stellung des Thomas in dieſer Frage tritt
am deutlichſten hervor in der summa theol. p. I quaest. 3 und quaest. 13,
ſowie in der Schrift contra gentiles I c. 31—36; vgl. beſonders in der
erſteren Schrift quaest. 13 art. 12.
2) Contra gentil. I c. 36. Summa theol. p. I quaest. 13 art. 12.
3) Occam quodlibeta septem III quaest. 2: attributa (divina) non
sunt nisi quaedam praedicabilia mentalia, vocalia vel scripta, nata sig-
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