Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Die Analysis des Substanzbegriffs bei Aristoteles. zu dem der Substanz in Beziehung 1). Denn was außer derSubstanz als seiend bezeichnet werden kann, ist dies, weil es einer solchen und zwar einer Einzelsubstanz zukommt. Daher ist die erste Bedeutung, in welcher von einem Seienden die Rede ist, die von Einzelsubstanz: alles Uebrige wird darum als seiend be- zeichnet, weil es die Quantität, Qualität oder Eigenschaft etc. eines solchen Seienden ist 2). Die Metaphysik ist sonach in erster Linie die Wissen- Eine Definition, welche in dem platonischen Sophistes 1) Ebendaselbst IV, 2 p. 1003 a f. 2) Metaph. VII, 1 p. 1028 a 11, 18. 3) Vgl. VII, 1 p. 1028 a 13 p. 1028 b 6, IX, 1 p. 1045 b 27, XII, 1 p. 1069 a 18. 4) Hierzu kommen in der vollständigen Aufzählung der zehn Kategorien noch ekhein und keisthai, vgl. die Uebersicht in Prantl's Geschichte der Logik I, 207. 5) Plato Sophistes 247 d e.
Die Analyſis des Subſtanzbegriffs bei Ariſtoteles. zu dem der Subſtanz in Beziehung 1). Denn was außer derSubſtanz als ſeiend bezeichnet werden kann, iſt dies, weil es einer ſolchen und zwar einer Einzelſubſtanz zukommt. Daher iſt die erſte Bedeutung, in welcher von einem Seienden die Rede iſt, die von Einzelſubſtanz: alles Uebrige wird darum als ſeiend be- zeichnet, weil es die Quantität, Qualität oder Eigenſchaft etc. eines ſolchen Seienden iſt 2). Die Metaphyſik iſt ſonach in erſter Linie die Wiſſen- Eine Definition, welche in dem platoniſchen Sophiſtes 1) Ebendaſelbſt IV, 2 p. 1003 a f. 2) Metaph. VII, 1 p. 1028 a 11, 18. 3) Vgl. VII, 1 p. 1028 a 13 p. 1028 b 6, IX, 1 p. 1045 b 27, XII, 1 p. 1069 a 18. 4) Hierzu kommen in der vollſtändigen Aufzählung der zehn Kategorien noch ἔχειν und κεῖσϑαι, vgl. die Ueberſicht in Prantl’s Geſchichte der Logik I, 207. 5) Plato Sophiſtes 247 d e.
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Die Analyſis des Subſtanzbegriffs bei Ariſtoteles.
zu dem der Subſtanz in Beziehung 1). Denn was außer der
Subſtanz als ſeiend bezeichnet werden kann, iſt dies, weil es
einer ſolchen und zwar einer Einzelſubſtanz zukommt. Daher iſt
die erſte Bedeutung, in welcher von einem Seienden die Rede iſt,
die von Einzelſubſtanz: alles Uebrige wird darum als ſeiend be-
zeichnet, weil es die Quantität, Qualität oder Eigenſchaft etc. eines
ſolchen Seienden iſt 2).
Die Metaphyſik iſt ſonach in erſter Linie die Wiſſen-
ſchaft von den Subſtanzen, und es wird ſich zeigen, daß
der höchſte Punkt, welchen ſie erreicht, Erkenntniß der göttlichen
Subſtanz iſt. Nur in uneigentlichem Sinne darf man ſagen, daß
ſie das Seiende in ſeinen weiteren Bedeutungen zum
Gegenſtande habe, mag es als Qualitatives, Quantitatives oder
als andere prädikative Beſtimmung auftreten 3). Näher unter-
ſcheiden ſich die folgenden einfachen Beſtandtheile der Ausſage
und der ihr entſprechenden Wirklichkeit: die Subſtanz iſt ein
meßbares Quantum von eigenſchaftlicher Beſtimmtheit ſowie in Re-
lation ſtehend, und zwar in den Verhältniſſen von Ort und Zeit,
Thun und Leiden 4). So bildet die Subſtanz den Mittelpunkt
der Metaphyſik des Ariſtoteles, wie ſie ihn in der Metaphyſik
der Atomiker und Platos gebildet hatte. Erſt mit dem Auftreten
der beſonderen Erfahrungswiſſenſchaften tritt der Begriff der
Kauſalität in den Vordergrund, welcher mit dem Begriff des
Geſetzes in Beziehung ſteht. Kann nun die Metaphyſik des
Ariſtoteles dieſen ihren Grundbegriff der Subſtanz zu verſtandes-
mäßiger Klarheit bringen?
Eine Definition, welche in dem platoniſchen Sophiſtes
erwähnt wird 5), beſtimmt das Wahrhaft-Seiende (ὄντως ὄν)
1) Ebendaſelbſt IV, 2 p. 1003 a f.
2) Metaph. VII, 1 p. 1028 a 11, 18.
3) Vgl. VII, 1 p. 1028 a 13 p. 1028 b 6, IX, 1 p. 1045 b 27, XII, 1
p. 1069 a 18.
4) Hierzu kommen in der vollſtändigen Aufzählung der zehn Kategorien
noch ἔχειν und κεῖσϑαι, vgl. die Ueberſicht in Prantl’s Geſchichte der
Logik I, 207.
5) Plato Sophiſtes 247 d e.
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