Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Die Sonderung d. Logik v. d. Metaphysik u. ihre Beziehung auf dieselbe. So ist der Begriff der Ausdruck des Wesens; so verknüpft daswahre bejahende Urtheil, was in den Dingen verknüpft ist, und das entsprechende verneinende trennt, was in ihnen getrennt ist; so entspricht der Mittelbegriff in dem vollkommenen Zusammen- hang des syllogistischen Schlusses der Ursache in dem Zusammen- hang der Wirklichkeit. Und wie man endlich die Stellung der Arten der Aussage über das Seiende (gene ton kategorion), der Kategorierr, zu dem Denkzusammenhang bei Aristoteles auffasse: diese Kategorien entsprechen ebenfalls Formen des Seins 1). Und zwar behält diese Fassung des Verhältnisses, wie wir sie Der Begriff des Entsprechens, der Korrespondenz 1) Arist. Metaph. V, 7 p. 1017 a 23 osakhos gar legetai, tosau-
takhos to einai semainei. Die Sonderung d. Logik v. d. Metaphyſik u. ihre Beziehung auf dieſelbe. So iſt der Begriff der Ausdruck des Weſens; ſo verknüpft daswahre bejahende Urtheil, was in den Dingen verknüpft iſt, und das entſprechende verneinende trennt, was in ihnen getrennt iſt; ſo entſpricht der Mittelbegriff in dem vollkommenen Zuſammen- hang des ſyllogiſtiſchen Schluſſes der Urſache in dem Zuſammen- hang der Wirklichkeit. Und wie man endlich die Stellung der Arten der Ausſage über das Seiende (γένη τῶν κατηγοϱιῶν), der Kategorierr, zu dem Denkzuſammenhang bei Ariſtoteles auffaſſe: dieſe Kategorien entſprechen ebenfalls Formen des Seins 1). Und zwar behält dieſe Faſſung des Verhältniſſes, wie wir ſie Der Begriff des Entſprechens, der Korreſpondenz 1) Arist. Metaph. V, 7 p. 1017 a 23 ὁσαχῶς γὰϱ λέγεται, τοσαυ-
ταχῶς τὸ εἶναι σημαίνει. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0272" n="249"/><fw place="top" type="header">Die Sonderung d. Logik v. d. Metaphyſik u. ihre Beziehung auf dieſelbe.</fw><lb/> So iſt der Begriff der Ausdruck des Weſens; ſo verknüpft das<lb/> wahre bejahende Urtheil, was in den Dingen verknüpft iſt, und<lb/> das entſprechende verneinende trennt, was in ihnen getrennt<lb/> iſt; ſo entſpricht der Mittelbegriff in dem vollkommenen Zuſammen-<lb/> hang des ſyllogiſtiſchen Schluſſes der Urſache in dem Zuſammen-<lb/> hang der Wirklichkeit. Und wie man endlich die Stellung der<lb/> Arten der Ausſage über das Seiende (γένη τῶν κατηγοϱιῶν), der<lb/> Kategorierr, zu dem Denkzuſammenhang bei Ariſtoteles auffaſſe:<lb/> dieſe Kategorien entſprechen ebenfalls Formen des Seins <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Arist. Metaph. V, 7 p. 1017 <hi rendition="#sup">a</hi></hi> 23 ὁσαχῶς γὰϱ λέγεται, τοσαυ-<lb/> ταχῶς τὸ εἶναι σημαίνει.</note>.</p><lb/> <p>Und zwar behält dieſe Faſſung des Verhältniſſes, wie wir ſie<lb/> bei Ariſtoteles finden, ſo lange ihre Berechtigung und ihre Macht,<lb/> als die logiſchen Formen, welche das diskurſive Denken bietet,<lb/> nicht aufgelöſt und die Beziehungen zwiſchen dem Denken und<lb/> ſeinem Gegenſtand nicht hinter das fertige Objekt zurückverfolgt<lb/> werden. Auch in dieſem Punkte erweiſt ſich Ariſtoteles als ein<lb/> Metaphyſiker, welcher bei den Formen der Wirklichkeit ſtehen<lb/> bleibt. Seine Zergliederung der Wiſſenſchaft verbleibt innerhalb<lb/> der Zerlegung von Formen in Formen und zeigt ſo dieſelbe<lb/> Grenze wie die aſtronomiſche Zergliederung des Weltgebäudes durch<lb/> die Alten. Was die Rede, das diskurſive Denken als Zuſammenhang<lb/> darbietet, wird in eine Beziehung von Formen zu einander aufgelöſt,<lb/> und dieſe werden zu den Formen der Wirklichkeit in das Ver-<lb/> hältniß des Abbildens geſetzt. Schleiermacher mit ſeiner Theorie<lb/> der Korreſpondenz, Trendelenburg, Ueberweg haben, welches auch<lb/> im Einzelnen die Verſchiedenheiten von Ariſtoteles ſind, dieſen ob-<lb/> jektiviſtiſchen Standpunkt feſtgehalten.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Begriff des Entſprechens</hi>, der Korreſpondenz<lb/> zwiſchen Wahrnehmung und Denken einerſeits, Wirklichkeit und Sein<lb/> andrerſeits, auf welchen hiernach die ganze Grundlegung dieſes<lb/> natürlichen Syſtems zurückgeht, iſt <hi rendition="#g">vollſtändig dunkel</hi>. Wie<lb/> ein Gedachtes einem draußen wirklich Exiſtirenden entſprechen könne,<lb/> davon kann ſich Niemand eine Vorſtellung machen. Was Aehn-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0272]
Die Sonderung d. Logik v. d. Metaphyſik u. ihre Beziehung auf dieſelbe.
So iſt der Begriff der Ausdruck des Weſens; ſo verknüpft das
wahre bejahende Urtheil, was in den Dingen verknüpft iſt, und
das entſprechende verneinende trennt, was in ihnen getrennt
iſt; ſo entſpricht der Mittelbegriff in dem vollkommenen Zuſammen-
hang des ſyllogiſtiſchen Schluſſes der Urſache in dem Zuſammen-
hang der Wirklichkeit. Und wie man endlich die Stellung der
Arten der Ausſage über das Seiende (γένη τῶν κατηγοϱιῶν), der
Kategorierr, zu dem Denkzuſammenhang bei Ariſtoteles auffaſſe:
dieſe Kategorien entſprechen ebenfalls Formen des Seins 1).
Und zwar behält dieſe Faſſung des Verhältniſſes, wie wir ſie
bei Ariſtoteles finden, ſo lange ihre Berechtigung und ihre Macht,
als die logiſchen Formen, welche das diskurſive Denken bietet,
nicht aufgelöſt und die Beziehungen zwiſchen dem Denken und
ſeinem Gegenſtand nicht hinter das fertige Objekt zurückverfolgt
werden. Auch in dieſem Punkte erweiſt ſich Ariſtoteles als ein
Metaphyſiker, welcher bei den Formen der Wirklichkeit ſtehen
bleibt. Seine Zergliederung der Wiſſenſchaft verbleibt innerhalb
der Zerlegung von Formen in Formen und zeigt ſo dieſelbe
Grenze wie die aſtronomiſche Zergliederung des Weltgebäudes durch
die Alten. Was die Rede, das diskurſive Denken als Zuſammenhang
darbietet, wird in eine Beziehung von Formen zu einander aufgelöſt,
und dieſe werden zu den Formen der Wirklichkeit in das Ver-
hältniß des Abbildens geſetzt. Schleiermacher mit ſeiner Theorie
der Korreſpondenz, Trendelenburg, Ueberweg haben, welches auch
im Einzelnen die Verſchiedenheiten von Ariſtoteles ſind, dieſen ob-
jektiviſtiſchen Standpunkt feſtgehalten.
Der Begriff des Entſprechens, der Korreſpondenz
zwiſchen Wahrnehmung und Denken einerſeits, Wirklichkeit und Sein
andrerſeits, auf welchen hiernach die ganze Grundlegung dieſes
natürlichen Syſtems zurückgeht, iſt vollſtändig dunkel. Wie
ein Gedachtes einem draußen wirklich Exiſtirenden entſprechen könne,
davon kann ſich Niemand eine Vorſtellung machen. Was Aehn-
1) Arist. Metaph. V, 7 p. 1017 a 23 ὁσαχῶς γὰϱ λέγεται, τοσαυ-
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