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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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Dieser Fortschritt besteht i. d. methodischen Schluß auf Bedingungen.
Wissenschaftslehre, nach der realen die griechische Metaphysik gewesen
ist. Diese beiden grundlegenden philosophischen Wissenschaften sind
in dem Geiste Platos noch ungetrennt, und sie sind auch für
Aristoteles nur zwei Seiten desselben Erkenntnißzusammenhangs.
Plato bezeichnet diesen Erkenntnißzusammenhang als Dialektik.

So tritt diese Rechenschaft über das Wissen in die bisherige
Forschung ein, welche auf die ersten Ursachen gerichtet war.
Das Erkennen sucht die thatsächlichen Bedingungen,
unter deren Annahme das Sein wie das Wissen, der Kosmos
wie das sittliche Wollen gedacht werden können. Diese Be-
dingungen liegen für Plato in den Ideen und ihren Be-
ziehungen zu einander; die Ideen stehen nicht unter der Rela-
tivität der sinnlichen Wahrnehmung und werden nicht von
den Schwierigkeiten einer Erkenntniß der veränderlichen Welt
berührt; sie treten vielmehr neben die Erkenntniß der ruhen-
den, sich immer gleichen und typischen räumlichen Gebilde
und ihrer Beziehungen sowie der Zahlen und ihrer Ver-
hältnisse
. Gleich ihnen werden sie in der Veränderlichkeit der
Welt nirgend als einzelne äußere Objekte gesehen, sind aber in ihrem
typischen Bestande die für den Verstand darstellbaren, einer streng
wissenschaftlichen Behandlung zugänglichen Bedingungen, welche
Dasein und gleicherweise Erkenntniß der Welt möglich machen 1).

Die revolutionäre Erschütterung der europäischen Wissen-
schaft hat so zu einer höheren Stufe des methodischen

1) Politie VII, 527 b wird die Meßkunst als eine "Wissenschaft des
immer Seienden" bezeichnet und dem entsprechend neben die Entwicklung
der Ideen
gestellt. Die rein theoretische Gedankenarbeit Platos ist von der
Mathematik als der damals schon konstituirten Wissenschaft geleitet. Ist
ihm zunächst die Zahl das sinnliche Schema des rein Begrifflichen, so
drängte die Konsequenz seines Systems zu einer Unterordnung der mathe-
matischen Größen und der Ideen unter einen gemeinsamen Begriff, welcher
dann der allgemeinste Ausdruck der Bedingungen für die Denkbarkeit der Welt
wäre. Diesen fand er später in einem abstrakteren Begriff von Zahl: dem
entsprechend unterschied er zwischen Zahlen im engeren Verstande, welche
aus gleichartigen Einheiten bestehen, so daß jede dieser Zahlen von der
anderen nur der Größe nach verschieden ist, und den Idealzahlen, deren
jede von der anderen der Art nach unterschieden ist.
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Dieſer Fortſchritt beſteht i. d. methodiſchen Schluß auf Bedingungen.
Wiſſenſchaftslehre, nach der realen die griechiſche Metaphyſik geweſen
iſt. Dieſe beiden grundlegenden philoſophiſchen Wiſſenſchaften ſind
in dem Geiſte Platos noch ungetrennt, und ſie ſind auch für
Ariſtoteles nur zwei Seiten deſſelben Erkenntnißzuſammenhangs.
Plato bezeichnet dieſen Erkenntnißzuſammenhang als Dialektik.

So tritt dieſe Rechenſchaft über das Wiſſen in die bisherige
Forſchung ein, welche auf die erſten Urſachen gerichtet war.
Das Erkennen ſucht die thatſächlichen Bedingungen,
unter deren Annahme das Sein wie das Wiſſen, der Kosmos
wie das ſittliche Wollen gedacht werden können. Dieſe Be-
dingungen liegen für Plato in den Ideen und ihren Be-
ziehungen zu einander; die Ideen ſtehen nicht unter der Rela-
tivität der ſinnlichen Wahrnehmung und werden nicht von
den Schwierigkeiten einer Erkenntniß der veränderlichen Welt
berührt; ſie treten vielmehr neben die Erkenntniß der ruhen-
den, ſich immer gleichen und typiſchen räumlichen Gebilde
und ihrer Beziehungen ſowie der Zahlen und ihrer Ver-
hältniſſe
. Gleich ihnen werden ſie in der Veränderlichkeit der
Welt nirgend als einzelne äußere Objekte geſehen, ſind aber in ihrem
typiſchen Beſtande die für den Verſtand darſtellbaren, einer ſtreng
wiſſenſchaftlichen Behandlung zugänglichen Bedingungen, welche
Daſein und gleicherweiſe Erkenntniß der Welt möglich machen 1).

Die revolutionäre Erſchütterung der europäiſchen Wiſſen-
ſchaft hat ſo zu einer höheren Stufe des methodiſchen

1) Politie VII, 527 b wird die Meßkunſt als eine „Wiſſenſchaft des
immer Seienden“ bezeichnet und dem entſprechend neben die Entwicklung
der Ideen
geſtellt. Die rein theoretiſche Gedankenarbeit Platos iſt von der
Mathematik als der damals ſchon konſtituirten Wiſſenſchaft geleitet. Iſt
ihm zunächſt die Zahl das ſinnliche Schema des rein Begrifflichen, ſo
drängte die Konſequenz ſeines Syſtems zu einer Unterordnung der mathe-
matiſchen Größen und der Ideen unter einen gemeinſamen Begriff, welcher
dann der allgemeinſte Ausdruck der Bedingungen für die Denkbarkeit der Welt
wäre. Dieſen fand er ſpäter in einem abſtrakteren Begriff von Zahl: dem
entſprechend unterſchied er zwiſchen Zahlen im engeren Verſtande, welche
aus gleichartigen Einheiten beſtehen, ſo daß jede dieſer Zahlen von der
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jede von der anderen der Art nach unterſchieden iſt.
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[227/0250] Dieſer Fortſchritt beſteht i. d. methodiſchen Schluß auf Bedingungen. Wiſſenſchaftslehre, nach der realen die griechiſche Metaphyſik geweſen iſt. Dieſe beiden grundlegenden philoſophiſchen Wiſſenſchaften ſind in dem Geiſte Platos noch ungetrennt, und ſie ſind auch für Ariſtoteles nur zwei Seiten deſſelben Erkenntnißzuſammenhangs. Plato bezeichnet dieſen Erkenntnißzuſammenhang als Dialektik. So tritt dieſe Rechenſchaft über das Wiſſen in die bisherige Forſchung ein, welche auf die erſten Urſachen gerichtet war. Das Erkennen ſucht die thatſächlichen Bedingungen, unter deren Annahme das Sein wie das Wiſſen, der Kosmos wie das ſittliche Wollen gedacht werden können. Dieſe Be- dingungen liegen für Plato in den Ideen und ihren Be- ziehungen zu einander; die Ideen ſtehen nicht unter der Rela- tivität der ſinnlichen Wahrnehmung und werden nicht von den Schwierigkeiten einer Erkenntniß der veränderlichen Welt berührt; ſie treten vielmehr neben die Erkenntniß der ruhen- den, ſich immer gleichen und typiſchen räumlichen Gebilde und ihrer Beziehungen ſowie der Zahlen und ihrer Ver- hältniſſe. Gleich ihnen werden ſie in der Veränderlichkeit der Welt nirgend als einzelne äußere Objekte geſehen, ſind aber in ihrem typiſchen Beſtande die für den Verſtand darſtellbaren, einer ſtreng wiſſenſchaftlichen Behandlung zugänglichen Bedingungen, welche Daſein und gleicherweiſe Erkenntniß der Welt möglich machen 1). Die revolutionäre Erſchütterung der europäiſchen Wiſſen- ſchaft hat ſo zu einer höheren Stufe des methodiſchen 1) Politie VII, 527 b wird die Meßkunſt als eine „Wiſſenſchaft des immer Seienden“ bezeichnet und dem entſprechend neben die Entwicklung der Ideen geſtellt. Die rein theoretiſche Gedankenarbeit Platos iſt von der Mathematik als der damals ſchon konſtituirten Wiſſenſchaft geleitet. Iſt ihm zunächſt die Zahl das ſinnliche Schema des rein Begrifflichen, ſo drängte die Konſequenz ſeines Syſtems zu einer Unterordnung der mathe- matiſchen Größen und der Ideen unter einen gemeinſamen Begriff, welcher dann der allgemeinſte Ausdruck der Bedingungen für die Denkbarkeit der Welt wäre. Dieſen fand er ſpäter in einem abſtrakteren Begriff von Zahl: dem entſprechend unterſchied er zwiſchen Zahlen im engeren Verſtande, welche aus gleichartigen Einheiten beſtehen, ſo daß jede dieſer Zahlen von der anderen nur der Größe nach verſchieden iſt, und den Idealzahlen, deren jede von der anderen der Art nach unterſchieden iſt. 15*

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/250>, abgerufen am 25.11.2024.