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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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Die Methode der Sociologie Stuart Mill's ist falsch.
und Thaten sind die Elemente dieser Erfahrung, Versenkung aller
Gemüthskräfte in den Gegenstand ist ihre Natur. Diese Andeutungen
zeigen hinlänglich, daß, im Gegensatz gegen die gewissermaßen von
außen an die Geisteswissenschaften herantretenden Methoden eines
Mill und Buckle, die Aufgabe gelöst werden muß: durch eine Er-
kenntnißtheorie die Geisteswissenschaften zu begründen, ihre selb-
ständige Gestaltung zu rechtfertigen und zu stützen sowie die Unter-
ordnung ihrer Prinzipien wie ihrer Methoden unter die der Natur-
wissenschaften definitiv zu beseitigen.



XVII.
Sie erkennen nicht die Stellung der Geschichtswissenschaft
zu den Einzelwissenschaften der Gesellschaft.

Mit diesen Irrthümern über Aufgabe und Methode steht die
falsche Stellung dieser Träume von Wissenschaften zu den wirklich
existenten Einzelwissenschaften im nächsten Zusammenhang. Die-
selben erwarten von ihren tumultuarischen Bestrebungen, was stets
nur das Werk der anhaltenden Arbeit vieler Generationen sein kann.
Daher gleichen alle diese isolirten Entwürfe Backsteinbauten, welche
durch Tünche die Blöcke, Säulen und Verzierungen in Granit
nachahmen, die nur in der geduldigen und langsamen Bearbeitung
eines spröden Stoffes entstehen.

In den unzähligen Abstufungen der Verschiedenheit von in-
dividuellen Einheiten, in dem unermeßlich vertheilten und veränder-
lichen Spiel von Ursachen, Wirkungen, Wechselwirkungen zwischen
ihnen, als der Wirklichkeit der geschichtlich-gesellschaftlichen Welt, faßt
die Wissenschaft, will sie diese Wirklichkeit auch nur auffassen, das
Gleichartige der Thatsachen, das Gleichförmige der Beziehungen
einerseits in dem Nacheinander der Thatbestände und Verände-
rungen, andrerseits in dem Nebeneinander derselben zusammen.

Die Eine Seite des Problems vom allgemeinen Zusammen-
hang in dieser Wirklichkeit bildet also das höchst complexe Ganze

Die Methode der Sociologie Stuart Mill’s iſt falſch.
und Thaten ſind die Elemente dieſer Erfahrung, Verſenkung aller
Gemüthskräfte in den Gegenſtand iſt ihre Natur. Dieſe Andeutungen
zeigen hinlänglich, daß, im Gegenſatz gegen die gewiſſermaßen von
außen an die Geiſteswiſſenſchaften herantretenden Methoden eines
Mill und Buckle, die Aufgabe gelöſt werden muß: durch eine Er-
kenntnißtheorie die Geiſteswiſſenſchaften zu begründen, ihre ſelb-
ſtändige Geſtaltung zu rechtfertigen und zu ſtützen ſowie die Unter-
ordnung ihrer Prinzipien wie ihrer Methoden unter die der Natur-
wiſſenſchaften definitiv zu beſeitigen.



XVII.
Sie erkennen nicht die Stellung der Geſchichtswiſſenſchaft
zu den Einzelwiſſenſchaften der Geſellſchaft.

Mit dieſen Irrthümern über Aufgabe und Methode ſteht die
falſche Stellung dieſer Träume von Wiſſenſchaften zu den wirklich
exiſtenten Einzelwiſſenſchaften im nächſten Zuſammenhang. Die-
ſelben erwarten von ihren tumultuariſchen Beſtrebungen, was ſtets
nur das Werk der anhaltenden Arbeit vieler Generationen ſein kann.
Daher gleichen alle dieſe iſolirten Entwürfe Backſteinbauten, welche
durch Tünche die Blöcke, Säulen und Verzierungen in Granit
nachahmen, die nur in der geduldigen und langſamen Bearbeitung
eines ſpröden Stoffes entſtehen.

In den unzähligen Abſtufungen der Verſchiedenheit von in-
dividuellen Einheiten, in dem unermeßlich vertheilten und veränder-
lichen Spiel von Urſachen, Wirkungen, Wechſelwirkungen zwiſchen
ihnen, als der Wirklichkeit der geſchichtlich-geſellſchaftlichen Welt, faßt
die Wiſſenſchaft, will ſie dieſe Wirklichkeit auch nur auffaſſen, das
Gleichartige der Thatſachen, das Gleichförmige der Beziehungen
einerſeits in dem Nacheinander der Thatbeſtände und Verände-
rungen, andrerſeits in dem Nebeneinander derſelben zuſammen.

Die Eine Seite des Problems vom allgemeinen Zuſammen-
hang in dieſer Wirklichkeit bildet alſo das höchſt complexe Ganze

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[137/0160] Die Methode der Sociologie Stuart Mill’s iſt falſch. und Thaten ſind die Elemente dieſer Erfahrung, Verſenkung aller Gemüthskräfte in den Gegenſtand iſt ihre Natur. Dieſe Andeutungen zeigen hinlänglich, daß, im Gegenſatz gegen die gewiſſermaßen von außen an die Geiſteswiſſenſchaften herantretenden Methoden eines Mill und Buckle, die Aufgabe gelöſt werden muß: durch eine Er- kenntnißtheorie die Geiſteswiſſenſchaften zu begründen, ihre ſelb- ſtändige Geſtaltung zu rechtfertigen und zu ſtützen ſowie die Unter- ordnung ihrer Prinzipien wie ihrer Methoden unter die der Natur- wiſſenſchaften definitiv zu beſeitigen. XVII. Sie erkennen nicht die Stellung der Geſchichtswiſſenſchaft zu den Einzelwiſſenſchaften der Geſellſchaft. Mit dieſen Irrthümern über Aufgabe und Methode ſteht die falſche Stellung dieſer Träume von Wiſſenſchaften zu den wirklich exiſtenten Einzelwiſſenſchaften im nächſten Zuſammenhang. Die- ſelben erwarten von ihren tumultuariſchen Beſtrebungen, was ſtets nur das Werk der anhaltenden Arbeit vieler Generationen ſein kann. Daher gleichen alle dieſe iſolirten Entwürfe Backſteinbauten, welche durch Tünche die Blöcke, Säulen und Verzierungen in Granit nachahmen, die nur in der geduldigen und langſamen Bearbeitung eines ſpröden Stoffes entſtehen. In den unzähligen Abſtufungen der Verſchiedenheit von in- dividuellen Einheiten, in dem unermeßlich vertheilten und veränder- lichen Spiel von Urſachen, Wirkungen, Wechſelwirkungen zwiſchen ihnen, als der Wirklichkeit der geſchichtlich-geſellſchaftlichen Welt, faßt die Wiſſenſchaft, will ſie dieſe Wirklichkeit auch nur auffaſſen, das Gleichartige der Thatſachen, das Gleichförmige der Beziehungen einerſeits in dem Nacheinander der Thatbeſtände und Verände- rungen, andrerſeits in dem Nebeneinander derſelben zuſammen. Die Eine Seite des Problems vom allgemeinen Zuſammen- hang in dieſer Wirklichkeit bildet alſo das höchſt complexe Ganze

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/160>, abgerufen am 24.11.2024.