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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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der allgemeinen Zustände der Nation oder der
Menschheit überhaupt
. Ohne den ersten fehlt dem Da-
sein des Einzelnen die Würde, und Gemeinheit der Gesinnung
und Richtung tritt an deren Stelle; ohne den zweiten ist kein
tüchtiges, edles Streben des Mannes möglich; ohne den drit-
ten kann wohl energische Tüchtigkeit im engern Kreise bestehen,
aber ohne ihn fehlt dennoch dem Streben die höchste, allge-
meinste Beziehung. Wer von ihnen gehoben und beseelt wird,
lebt ein Leben in Ideen; wer sie entbehrt, ist ein ideenloser
Mensch.

Wie es in dieser Beziehung mit so vielen unserer Zeitge-
nossen, auch mit vielen unserer Universitätslehrer steht, es ist
schmerzlich, davon zu reden, schon darum, weil man dabei
der Gefahr der eignen Ueberhebung oder der Eitelkeit ausge-
setzt ist. Aber es darf nicht verhehlt werden -- wen lehrte
es nicht jeder Tag? -- daß die Ideen uns sehr abhanden ge-
kommen. Die Verkehrtheit der Richtung zeigt sich am schla-
gendsten in denen, die die Führer zu sein den Beruf haben
und darum an der Spitze stehen. Tugend und Pflicht
-- sie begeisterten den großen, unsterblichen Kant; unser
deutsch gesinnter Lessing und der alte Voß widmeten ihnen
ihr thatenreiches Leben. Wir gehen in dem Gewässer der Lob-
sucht und der Schmeichelei unter, oder ersticken in dem Dunste
mystischer Nebel. Aufopferung in edlem Berufe --
ach es giebt sogar unter den Hochschullehrern welche, und nicht
unberühmten Namens, die nicht nur gerne möglichst wenig,
sondern lieber gar nicht lesen, ja wohl gar durch Grobheiten
die wenigen Zuhörer aus dem Hörsaale verscheuchen. Theil-
nahme an der allgemeinen Fortentwicklung des
öffentlichen Lebens und seiner Zustände
-- wo ist
sie und wer bezeugt sie?

der allgemeinen Zuſtaͤnde der Nation oder der
Menſchheit uͤberhaupt
. Ohne den erſten fehlt dem Da-
ſein des Einzelnen die Wuͤrde, und Gemeinheit der Geſinnung
und Richtung tritt an deren Stelle; ohne den zweiten iſt kein
tuͤchtiges, edles Streben des Mannes moͤglich; ohne den drit-
ten kann wohl energiſche Tuͤchtigkeit im engern Kreiſe beſtehen,
aber ohne ihn fehlt dennoch dem Streben die hoͤchſte, allge-
meinſte Beziehung. Wer von ihnen gehoben und beſeelt wird,
lebt ein Leben in Ideen; wer ſie entbehrt, iſt ein ideenloſer
Menſch.

Wie es in dieſer Beziehung mit ſo vielen unſerer Zeitge-
noſſen, auch mit vielen unſerer Univerſitaͤtslehrer ſteht, es iſt
ſchmerzlich, davon zu reden, ſchon darum, weil man dabei
der Gefahr der eignen Ueberhebung oder der Eitelkeit ausge-
ſetzt iſt. Aber es darf nicht verhehlt werden — wen lehrte
es nicht jeder Tag? — daß die Ideen uns ſehr abhanden ge-
kommen. Die Verkehrtheit der Richtung zeigt ſich am ſchla-
gendſten in denen, die die Fuͤhrer zu ſein den Beruf haben
und darum an der Spitze ſtehen. Tugend und Pflicht
— ſie begeiſterten den großen, unſterblichen Kant; unſer
deutſch geſinnter Leſſing und der alte Voß widmeten ihnen
ihr thatenreiches Leben. Wir gehen in dem Gewaͤſſer der Lob-
ſucht und der Schmeichelei unter, oder erſticken in dem Dunſte
myſtiſcher Nebel. Aufopferung in edlem Berufe
ach es giebt ſogar unter den Hochſchullehrern welche, und nicht
unberuͤhmten Namens, die nicht nur gerne moͤglichſt wenig,
ſondern lieber gar nicht leſen, ja wohl gar durch Grobheiten
die wenigen Zuhoͤrer aus dem Hoͤrſaale verſcheuchen. Theil-
nahme an der allgemeinen Fortentwicklung des
oͤffentlichen Lebens und ſeiner Zuſtaͤnde
— wo iſt
ſie und wer bezeugt ſie?

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[54/0072] der allgemeinen Zuſtaͤnde der Nation oder der Menſchheit uͤberhaupt. Ohne den erſten fehlt dem Da- ſein des Einzelnen die Wuͤrde, und Gemeinheit der Geſinnung und Richtung tritt an deren Stelle; ohne den zweiten iſt kein tuͤchtiges, edles Streben des Mannes moͤglich; ohne den drit- ten kann wohl energiſche Tuͤchtigkeit im engern Kreiſe beſtehen, aber ohne ihn fehlt dennoch dem Streben die hoͤchſte, allge- meinſte Beziehung. Wer von ihnen gehoben und beſeelt wird, lebt ein Leben in Ideen; wer ſie entbehrt, iſt ein ideenloſer Menſch. Wie es in dieſer Beziehung mit ſo vielen unſerer Zeitge- noſſen, auch mit vielen unſerer Univerſitaͤtslehrer ſteht, es iſt ſchmerzlich, davon zu reden, ſchon darum, weil man dabei der Gefahr der eignen Ueberhebung oder der Eitelkeit ausge- ſetzt iſt. Aber es darf nicht verhehlt werden — wen lehrte es nicht jeder Tag? — daß die Ideen uns ſehr abhanden ge- kommen. Die Verkehrtheit der Richtung zeigt ſich am ſchla- gendſten in denen, die die Fuͤhrer zu ſein den Beruf haben und darum an der Spitze ſtehen. Tugend und Pflicht — ſie begeiſterten den großen, unſterblichen Kant; unſer deutſch geſinnter Leſſing und der alte Voß widmeten ihnen ihr thatenreiches Leben. Wir gehen in dem Gewaͤſſer der Lob- ſucht und der Schmeichelei unter, oder erſticken in dem Dunſte myſtiſcher Nebel. Aufopferung in edlem Berufe — ach es giebt ſogar unter den Hochſchullehrern welche, und nicht unberuͤhmten Namens, die nicht nur gerne moͤglichſt wenig, ſondern lieber gar nicht leſen, ja wohl gar durch Grobheiten die wenigen Zuhoͤrer aus dem Hoͤrſaale verſcheuchen. Theil- nahme an der allgemeinen Fortentwicklung des oͤffentlichen Lebens und ſeiner Zuſtaͤnde — wo iſt ſie und wer bezeugt ſie?

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/72>, abgerufen am 23.11.2024.