Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. Kastenbauten in streng quadratischer Disposition1) und mit qua-dratischen Ecktürmen. Ich kann diese Übereinstimmung nicht für zufällig halten. Der Einwand, daß so einfache Gedanken auch unabhängig voneinander auftauchen können, hat für diesen Fall keine Gültigkeit. Es handelt sich nicht um die einzelne Form, sondern um eine tiefe Verschiedenheit der Gesamtauffassung. In der Tradition des deutschen Burgenbaues lag die größte Sorg- losigkeit, ja ein Horror vor rechtwinkligen Grundrißkombinationen, vor Symmetrie der Massenverteilung. Und nun in Preußen dieser starr mathematische Geist! Das kann, ich wiederhole es, kein Zufall sein. Steinbrecht hat das Urbild in der palästinensischen Deutschordensburg Montfort gesucht. Dabei ist zu erinnern, daß Montfort nichts Alleinstehendes bietet, sondern daß die rektanguläre Anlage mit Ecktürmen dem byzantinisch-orientali- schen Baugebiet überall geläufig ist. So wäre es gar nicht un- wahrscheinlich, daß Friedrich II. für seine apulischen Bauten die Anregung von dort empfangen hätte. Einwirkung palästinen- sischer Kirchenbauten auf apulische wurde schon oben festgestellt. Eine Inschrifttafel am Kastell von Trani nennt den cypriotischen Emigranten Philipp Chinard als Bauleiter. Bezieht sie sich auch nicht auf die erste Anlage von 1233, sondern auf die Erweiterung von 1249, so ist doch damit auf eine Vermittlung hingewiesen, die sehr wohl auch in früheren Fällen schon in Wirkung getreten sein kann. Somit würde sich die Ähnlichkeit der apulischen und preußischen Burgen aus Wurzelgemeinschaft erklären. Man könnte aber, ohne diese Kombination auszuschließen, auch an einen direk- ten Zusammenhang denken; hat es doch in der Zeit Friedrichs II. an Beziehungen des deutschen Ordens zu Apulien nicht gefehlt. Ein bevorzugter Ruhesitz des Kaisers in seinen letzten Lebens- 1) Die seltenen Abweichungen (Balga und Graudenz) sind ersichtlich
durch das Terrain bedingt. Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. Kastenbauten in streng quadratischer Disposition1) und mit qua-dratischen Ecktürmen. Ich kann diese Übereinstimmung nicht für zufällig halten. Der Einwand, daß so einfache Gedanken auch unabhängig voneinander auftauchen können, hat für diesen Fall keine Gültigkeit. Es handelt sich nicht um die einzelne Form, sondern um eine tiefe Verschiedenheit der Gesamtauffassung. In der Tradition des deutschen Burgenbaues lag die größte Sorg- losigkeit, ja ein Horror vor rechtwinkligen Grundrißkombinationen, vor Symmetrie der Massenverteilung. Und nun in Preußen dieser starr mathematische Geist! Das kann, ich wiederhole es, kein Zufall sein. Steinbrecht hat das Urbild in der palästinensischen Deutschordensburg Montfort gesucht. Dabei ist zu erinnern, daß Montfort nichts Alleinstehendes bietet, sondern daß die rektanguläre Anlage mit Ecktürmen dem byzantinisch-orientali- schen Baugebiet überall geläufig ist. So wäre es gar nicht un- wahrscheinlich, daß Friedrich II. für seine apulischen Bauten die Anregung von dort empfangen hätte. Einwirkung palästinen- sischer Kirchenbauten auf apulische wurde schon oben festgestellt. Eine Inschrifttafel am Kastell von Trani nennt den cypriotischen Emigranten Philipp Chinard als Bauleiter. Bezieht sie sich auch nicht auf die erste Anlage von 1233, sondern auf die Erweiterung von 1249, so ist doch damit auf eine Vermittlung hingewiesen, die sehr wohl auch in früheren Fällen schon in Wirkung getreten sein kann. Somit würde sich die Ähnlichkeit der apulischen und preußischen Burgen aus Wurzelgemeinschaft erklären. Man könnte aber, ohne diese Kombination auszuschließen, auch an einen direk- ten Zusammenhang denken; hat es doch in der Zeit Friedrichs II. an Beziehungen des deutschen Ordens zu Apulien nicht gefehlt. Ein bevorzugter Ruhesitz des Kaisers in seinen letzten Lebens- 1) Die seltenen Abweichungen (Balga und Graudenz) sind ersichtlich
durch das Terrain bedingt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0126" n="108"/><fw place="top" type="header">Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.</fw><lb/> Kastenbauten in streng quadratischer Disposition<note place="foot" n="1)"> Die seltenen Abweichungen (Balga und Graudenz) sind ersichtlich<lb/> durch das Terrain bedingt.</note> und mit qua-<lb/> dratischen Ecktürmen. Ich kann diese Übereinstimmung nicht für<lb/> zufällig halten. Der Einwand, daß so einfache Gedanken auch<lb/> unabhängig voneinander auftauchen können, hat für diesen Fall<lb/> keine Gültigkeit. Es handelt sich nicht um die einzelne Form,<lb/> sondern um eine tiefe Verschiedenheit der Gesamtauffassung. In<lb/> der Tradition des deutschen Burgenbaues lag die größte Sorg-<lb/> losigkeit, ja ein Horror vor rechtwinkligen Grundrißkombinationen,<lb/> vor Symmetrie der Massenverteilung. Und nun in Preußen dieser<lb/> starr mathematische Geist! Das kann, ich wiederhole es, kein<lb/> Zufall sein. Steinbrecht hat das Urbild in der palästinensischen<lb/> Deutschordensburg Montfort gesucht. Dabei ist zu erinnern,<lb/> daß Montfort nichts Alleinstehendes bietet, sondern daß die<lb/> rektanguläre Anlage mit Ecktürmen dem byzantinisch-orientali-<lb/> schen Baugebiet überall geläufig ist. So wäre es gar nicht un-<lb/> wahrscheinlich, daß Friedrich II. für seine apulischen Bauten die<lb/> Anregung von dort empfangen hätte. Einwirkung palästinen-<lb/> sischer Kirchenbauten auf apulische wurde schon oben festgestellt.<lb/> Eine Inschrifttafel am Kastell von Trani nennt den cypriotischen<lb/> Emigranten Philipp Chinard als Bauleiter. Bezieht sie sich auch<lb/> nicht auf die erste Anlage von 1233, sondern auf die Erweiterung<lb/> von 1249, so ist doch damit auf eine Vermittlung hingewiesen,<lb/> die sehr wohl auch in früheren Fällen schon in Wirkung getreten<lb/> sein kann. Somit würde sich die Ähnlichkeit der apulischen und<lb/> preußischen Burgen aus Wurzelgemeinschaft erklären. Man könnte<lb/> aber, ohne diese Kombination auszuschließen, auch an einen direk-<lb/> ten Zusammenhang denken; hat es doch in der Zeit Friedrichs II.<lb/> an Beziehungen des deutschen Ordens zu Apulien nicht gefehlt.</p><lb/> <p>Ein bevorzugter Ruhesitz des Kaisers in seinen letzten Lebens-<lb/> jahren war Castel del Monte. Es liegt in tiefer Einsamkeit auf<lb/> der Spitze eines sanft ansteigenden Kegels, etwa 10 Kilometer<lb/> von der Küste entfernt und 6 Kilometer von der Stadt Andria,<lb/> deren bewärte Treue Friedrich durch eine Hexameterinschrift<lb/> über einem ihrer Tore ehrte. In der Zeitfolge der kaiserlichen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [108/0126]
Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
Kastenbauten in streng quadratischer Disposition 1) und mit qua-
dratischen Ecktürmen. Ich kann diese Übereinstimmung nicht für
zufällig halten. Der Einwand, daß so einfache Gedanken auch
unabhängig voneinander auftauchen können, hat für diesen Fall
keine Gültigkeit. Es handelt sich nicht um die einzelne Form,
sondern um eine tiefe Verschiedenheit der Gesamtauffassung. In
der Tradition des deutschen Burgenbaues lag die größte Sorg-
losigkeit, ja ein Horror vor rechtwinkligen Grundrißkombinationen,
vor Symmetrie der Massenverteilung. Und nun in Preußen dieser
starr mathematische Geist! Das kann, ich wiederhole es, kein
Zufall sein. Steinbrecht hat das Urbild in der palästinensischen
Deutschordensburg Montfort gesucht. Dabei ist zu erinnern,
daß Montfort nichts Alleinstehendes bietet, sondern daß die
rektanguläre Anlage mit Ecktürmen dem byzantinisch-orientali-
schen Baugebiet überall geläufig ist. So wäre es gar nicht un-
wahrscheinlich, daß Friedrich II. für seine apulischen Bauten die
Anregung von dort empfangen hätte. Einwirkung palästinen-
sischer Kirchenbauten auf apulische wurde schon oben festgestellt.
Eine Inschrifttafel am Kastell von Trani nennt den cypriotischen
Emigranten Philipp Chinard als Bauleiter. Bezieht sie sich auch
nicht auf die erste Anlage von 1233, sondern auf die Erweiterung
von 1249, so ist doch damit auf eine Vermittlung hingewiesen,
die sehr wohl auch in früheren Fällen schon in Wirkung getreten
sein kann. Somit würde sich die Ähnlichkeit der apulischen und
preußischen Burgen aus Wurzelgemeinschaft erklären. Man könnte
aber, ohne diese Kombination auszuschließen, auch an einen direk-
ten Zusammenhang denken; hat es doch in der Zeit Friedrichs II.
an Beziehungen des deutschen Ordens zu Apulien nicht gefehlt.
Ein bevorzugter Ruhesitz des Kaisers in seinen letzten Lebens-
jahren war Castel del Monte. Es liegt in tiefer Einsamkeit auf
der Spitze eines sanft ansteigenden Kegels, etwa 10 Kilometer
von der Küste entfernt und 6 Kilometer von der Stadt Andria,
deren bewärte Treue Friedrich durch eine Hexameterinschrift
über einem ihrer Tore ehrte. In der Zeitfolge der kaiserlichen
1) Die seltenen Abweichungen (Balga und Graudenz) sind ersichtlich
durch das Terrain bedingt.
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