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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
Lucera, Lagopesole und Castel del Monte. Unter ihnen nimmt
Castel del Monte in baulicher Hinsicht eine Sonderstellung ein
und wird später zu besprechen sein. Die übrigen sind unter sich
gleichartig. Der Grundriß viereckig, tunlichst, wenn das Gelände
es erlaubt, ein reines Quadrat, an den Ecken starke viereckige
Türme, durch Flügel verbunden, glatte Dächer von Wehrgängen
begleitet, nach außen sehr wenige und kleine Öffnungen, der Hof
zuweilen kreuzgangartig von Kolonnaden umgeben, Zierformen
ganz spärlich, aber stets eine sehr vornehme Mauerbehandlung
aus großen, leicht bossierten, sorgfältigst gefügten Quadern;
hauptsächlich auf diesem letzteren Merkmal, neben der grandiosen
Massenwirkung beruht das, was man den ästhetischen Charakter
dieser Bauten zu nennen hätte. Häufig haben sich, an augen-
fälligen Stellen, Inschriften erhalten, die den kaiserlichen Bau-
herrn nennen -- z. B. Sic Caesar fieri jussit opus istum --, auch
wohl den Namen des Baumeisters. Die letzteren sind Einheimische,
wie auch, was von Details vorhanden ist, romanisch im Sinne der
heimischen Schule ist.

Diese wenigen Angaben zeigen schon, daß die Schlösser
Friedrichs II. in Apulien keine Ähnlichkeit haben mit den halb-
maurischen Schlössern in Palermo, in denen er seine Jugend
zugebracht hatte, und noch weniger Ähnlichkeit mit der maleri-
schen -- von uns heute wenigstens so empfundenen -- Unregel-
mäßigkeit nordischer Burgbauten oder gar dem festlichen Glanz
unserer staufischen Pfalzen. Nichts ist an ihnen, was uns ro-
mantisch anmutet, sie atmen den Geist streng rationeller Regel-
und Zweckmäßigkeit. Da sie unter den Augen des Kaisers er-
baut, vom Kaiser bewohnt wurden, und da Friedrich ein Ver-
waltungsfürst war, der sich um das Kleinste kümmerte, so wird
der Schluß berechtigt sein, daß wir eben seinen Geist in diesen
Bauten wiederzuerkennen haben.

Eine Gruppe nordischer Burgen gibt es jedoch, auf die der
eben hervorgehobene Gegensatz keine Anwendung findet, die sogar
die frappanteste Planverwandschaft mit den Kastellen Friedrichs II.
zeigt: die Burgen des deutschen Ordens in Preußen aus der land-
meisterlichen Zeit. Auch hier finden wir dieselben einfach massigen

Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
Lucera, Lagopesole und Castel del Monte. Unter ihnen nimmt
Castel del Monte in baulicher Hinsicht eine Sonderstellung ein
und wird später zu besprechen sein. Die übrigen sind unter sich
gleichartig. Der Grundriß viereckig, tunlichst, wenn das Gelände
es erlaubt, ein reines Quadrat, an den Ecken starke viereckige
Türme, durch Flügel verbunden, glatte Dächer von Wehrgängen
begleitet, nach außen sehr wenige und kleine Öffnungen, der Hof
zuweilen kreuzgangartig von Kolonnaden umgeben, Zierformen
ganz spärlich, aber stets eine sehr vornehme Mauerbehandlung
aus großen, leicht bossierten, sorgfältigst gefügten Quadern;
hauptsächlich auf diesem letzteren Merkmal, neben der grandiosen
Massenwirkung beruht das, was man den ästhetischen Charakter
dieser Bauten zu nennen hätte. Häufig haben sich, an augen-
fälligen Stellen, Inschriften erhalten, die den kaiserlichen Bau-
herrn nennen — z. B. Sic Caesar fieri jussit opus istum —, auch
wohl den Namen des Baumeisters. Die letzteren sind Einheimische,
wie auch, was von Details vorhanden ist, romanisch im Sinne der
heimischen Schule ist.

Diese wenigen Angaben zeigen schon, daß die Schlösser
Friedrichs II. in Apulien keine Ähnlichkeit haben mit den halb-
maurischen Schlössern in Palermo, in denen er seine Jugend
zugebracht hatte, und noch weniger Ähnlichkeit mit der maleri-
schen — von uns heute wenigstens so empfundenen — Unregel-
mäßigkeit nordischer Burgbauten oder gar dem festlichen Glanz
unserer staufischen Pfalzen. Nichts ist an ihnen, was uns ro-
mantisch anmutet, sie atmen den Geist streng rationeller Regel-
und Zweckmäßigkeit. Da sie unter den Augen des Kaisers er-
baut, vom Kaiser bewohnt wurden, und da Friedrich ein Ver-
waltungsfürst war, der sich um das Kleinste kümmerte, so wird
der Schluß berechtigt sein, daß wir eben seinen Geist in diesen
Bauten wiederzuerkennen haben.

Eine Gruppe nordischer Burgen gibt es jedoch, auf die der
eben hervorgehobene Gegensatz keine Anwendung findet, die sogar
die frappanteste Planverwandschaft mit den Kastellen Friedrichs II.
zeigt: die Burgen des deutschen Ordens in Preußen aus der land-
meisterlichen Zeit. Auch hier finden wir dieselben einfach massigen

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[107/0125] Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. Lucera, Lagopesole und Castel del Monte. Unter ihnen nimmt Castel del Monte in baulicher Hinsicht eine Sonderstellung ein und wird später zu besprechen sein. Die übrigen sind unter sich gleichartig. Der Grundriß viereckig, tunlichst, wenn das Gelände es erlaubt, ein reines Quadrat, an den Ecken starke viereckige Türme, durch Flügel verbunden, glatte Dächer von Wehrgängen begleitet, nach außen sehr wenige und kleine Öffnungen, der Hof zuweilen kreuzgangartig von Kolonnaden umgeben, Zierformen ganz spärlich, aber stets eine sehr vornehme Mauerbehandlung aus großen, leicht bossierten, sorgfältigst gefügten Quadern; hauptsächlich auf diesem letzteren Merkmal, neben der grandiosen Massenwirkung beruht das, was man den ästhetischen Charakter dieser Bauten zu nennen hätte. Häufig haben sich, an augen- fälligen Stellen, Inschriften erhalten, die den kaiserlichen Bau- herrn nennen — z. B. Sic Caesar fieri jussit opus istum —, auch wohl den Namen des Baumeisters. Die letzteren sind Einheimische, wie auch, was von Details vorhanden ist, romanisch im Sinne der heimischen Schule ist. Diese wenigen Angaben zeigen schon, daß die Schlösser Friedrichs II. in Apulien keine Ähnlichkeit haben mit den halb- maurischen Schlössern in Palermo, in denen er seine Jugend zugebracht hatte, und noch weniger Ähnlichkeit mit der maleri- schen — von uns heute wenigstens so empfundenen — Unregel- mäßigkeit nordischer Burgbauten oder gar dem festlichen Glanz unserer staufischen Pfalzen. Nichts ist an ihnen, was uns ro- mantisch anmutet, sie atmen den Geist streng rationeller Regel- und Zweckmäßigkeit. Da sie unter den Augen des Kaisers er- baut, vom Kaiser bewohnt wurden, und da Friedrich ein Ver- waltungsfürst war, der sich um das Kleinste kümmerte, so wird der Schluß berechtigt sein, daß wir eben seinen Geist in diesen Bauten wiederzuerkennen haben. Eine Gruppe nordischer Burgen gibt es jedoch, auf die der eben hervorgehobene Gegensatz keine Anwendung findet, die sogar die frappanteste Planverwandschaft mit den Kastellen Friedrichs II. zeigt: die Burgen des deutschen Ordens in Preußen aus der land- meisterlichen Zeit. Auch hier finden wir dieselben einfach massigen

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/125>, abgerufen am 03.05.2024.