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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrich II.
Schlösser ist es das vorletzte (begonnen bald nach 1240 und wohl
in schnellem Zug vollendet) und von allen bei weitem das am
besten erhaltene. Dieser Vorzug, die Majestät der Erscheinung,
das geheimnisvoll Einzigartige des Planes, haben von jeher die
Aufmerksamkeit erregt; die erste eingehende kunsthistorische
Würdigung verdanken wir jedoch Bertaux und den an seine Auf-
stellung1) sich knüpfenden Erörterungen. Castel del Monte teilt
mit den älteren friderizianischen Schlössern nur das allgemeinste,
den Sinn für Einfachheit und Regelmäßigkeit. Ohne Vorgang
in der Burgarchitektur und ohne Nachfolge ist die spezielle Plan-
gestaltung als regelmäßiges Achteck mit acht aus den Erkern vor-
tretenden wieder achteckigen Türmen. Ebenso regelmäßig die
innere Einteilung: zwei Stockwerke von gleicher Höhe, jedes mit
acht immer die gleiche Gestalt wiederholenden Einzelräumen. Die
weiteren Einzelheiten sind aus den beigegebenen Abbildungen zu
ersehen. (Tafel 3.) Alt sind die leicht nach zwei Seiten abfallenden
Terrassendächer, zerstört die Wehrgänge und Turmkrönungen.
Sie werden in sehr einfachen Linien gehalten gewesen sein und an
der geschlossenen Umrißlinie wenig geändert haben. Von den
Dächern gehen Wasserableitungen aus, die sich in einem großen (jetzt
zerstörten, aber auf Abbildungen des 18. Jahrhunderts noch ein-
gezeichneten) Marmorbassin im Mittelpunkt des Hofes vereinigten;
vier Sitze waren eingehauen, woraus sich die Bestimmung als
Bad ergibt. Ein Teil der Türme war als Zisternen eingerichtet.
Bleiröhren, die man noch in den Wänden findet, verteilten das
Wasser an die inneren Gemächer. Das Äußere zeigt prachtvoll
behandelte Quaderflächen mit verschwindend kleinen Fenster-
öffnungen, im Erdgeschoß kaum mehr als Mauerschlitze, im Ober-
geschoß etwas größer und reich detailliert; nur das Portal ist
mit Pracht ausgebildet. Die Dekoration der Zimmer ist ver-
schwunden, Fragmente von weißen Marmorplatten mit Musterung
in grünem und schwarzem Email lassen einen reichen Flächen-
schmuck erraten. Mit Recht wird Castel del Monte als Lust-

1) Zuerst in den Comptes rendues de l'Academie 4e ser., t. XXI, 1897.
Vgl. hierzu H. Ehrenberg in der Kunstchronik 1899. P. Schubring in Die
Baukunst 2. Serie, 5. Heft, 1903.

Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrich II.
Schlösser ist es das vorletzte (begonnen bald nach 1240 und wohl
in schnellem Zug vollendet) und von allen bei weitem das am
besten erhaltene. Dieser Vorzug, die Majestät der Erscheinung,
das geheimnisvoll Einzigartige des Planes, haben von jeher die
Aufmerksamkeit erregt; die erste eingehende kunsthistorische
Würdigung verdanken wir jedoch Bertaux und den an seine Auf-
stellung1) sich knüpfenden Erörterungen. Castel del Monte teilt
mit den älteren friderizianischen Schlössern nur das allgemeinste,
den Sinn für Einfachheit und Regelmäßigkeit. Ohne Vorgang
in der Burgarchitektur und ohne Nachfolge ist die spezielle Plan-
gestaltung als regelmäßiges Achteck mit acht aus den Erkern vor-
tretenden wieder achteckigen Türmen. Ebenso regelmäßig die
innere Einteilung: zwei Stockwerke von gleicher Höhe, jedes mit
acht immer die gleiche Gestalt wiederholenden Einzelräumen. Die
weiteren Einzelheiten sind aus den beigegebenen Abbildungen zu
ersehen. (Tafel 3.) Alt sind die leicht nach zwei Seiten abfallenden
Terrassendächer, zerstört die Wehrgänge und Turmkrönungen.
Sie werden in sehr einfachen Linien gehalten gewesen sein und an
der geschlossenen Umrißlinie wenig geändert haben. Von den
Dächern gehen Wasserableitungen aus, die sich in einem großen (jetzt
zerstörten, aber auf Abbildungen des 18. Jahrhunderts noch ein-
gezeichneten) Marmorbassin im Mittelpunkt des Hofes vereinigten;
vier Sitze waren eingehauen, woraus sich die Bestimmung als
Bad ergibt. Ein Teil der Türme war als Zisternen eingerichtet.
Bleiröhren, die man noch in den Wänden findet, verteilten das
Wasser an die inneren Gemächer. Das Äußere zeigt prachtvoll
behandelte Quaderflächen mit verschwindend kleinen Fenster-
öffnungen, im Erdgeschoß kaum mehr als Mauerschlitze, im Ober-
geschoß etwas größer und reich detailliert; nur das Portal ist
mit Pracht ausgebildet. Die Dekoration der Zimmer ist ver-
schwunden, Fragmente von weißen Marmorplatten mit Musterung
in grünem und schwarzem Email lassen einen reichen Flächen-
schmuck erraten. Mit Recht wird Castel del Monte als Lust-

1) Zuerst in den Comptes rendues de l'Académie 4e sér., t. XXI, 1897.
Vgl. hierzu H. Ehrenberg in der Kunstchronik 1899. P. Schubring in Die
Baukunst 2. Serie, 5. Heft, 1903.
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[109/0127] Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrich II. Schlösser ist es das vorletzte (begonnen bald nach 1240 und wohl in schnellem Zug vollendet) und von allen bei weitem das am besten erhaltene. Dieser Vorzug, die Majestät der Erscheinung, das geheimnisvoll Einzigartige des Planes, haben von jeher die Aufmerksamkeit erregt; die erste eingehende kunsthistorische Würdigung verdanken wir jedoch Bertaux und den an seine Auf- stellung 1) sich knüpfenden Erörterungen. Castel del Monte teilt mit den älteren friderizianischen Schlössern nur das allgemeinste, den Sinn für Einfachheit und Regelmäßigkeit. Ohne Vorgang in der Burgarchitektur und ohne Nachfolge ist die spezielle Plan- gestaltung als regelmäßiges Achteck mit acht aus den Erkern vor- tretenden wieder achteckigen Türmen. Ebenso regelmäßig die innere Einteilung: zwei Stockwerke von gleicher Höhe, jedes mit acht immer die gleiche Gestalt wiederholenden Einzelräumen. Die weiteren Einzelheiten sind aus den beigegebenen Abbildungen zu ersehen. (Tafel 3.) Alt sind die leicht nach zwei Seiten abfallenden Terrassendächer, zerstört die Wehrgänge und Turmkrönungen. Sie werden in sehr einfachen Linien gehalten gewesen sein und an der geschlossenen Umrißlinie wenig geändert haben. Von den Dächern gehen Wasserableitungen aus, die sich in einem großen (jetzt zerstörten, aber auf Abbildungen des 18. Jahrhunderts noch ein- gezeichneten) Marmorbassin im Mittelpunkt des Hofes vereinigten; vier Sitze waren eingehauen, woraus sich die Bestimmung als Bad ergibt. Ein Teil der Türme war als Zisternen eingerichtet. Bleiröhren, die man noch in den Wänden findet, verteilten das Wasser an die inneren Gemächer. Das Äußere zeigt prachtvoll behandelte Quaderflächen mit verschwindend kleinen Fenster- öffnungen, im Erdgeschoß kaum mehr als Mauerschlitze, im Ober- geschoß etwas größer und reich detailliert; nur das Portal ist mit Pracht ausgebildet. Die Dekoration der Zimmer ist ver- schwunden, Fragmente von weißen Marmorplatten mit Musterung in grünem und schwarzem Email lassen einen reichen Flächen- schmuck erraten. Mit Recht wird Castel del Monte als Lust- 1) Zuerst in den Comptes rendues de l'Académie 4e sér., t. XXI, 1897. Vgl. hierzu H. Ehrenberg in der Kunstchronik 1899. P. Schubring in Die Baukunst 2. Serie, 5. Heft, 1903.

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/127>, abgerufen am 02.05.2024.