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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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zum Himmel empor und wird daselbst mit Hebe, dem Sym-
bole der ewigen Jugend, vermählt.

"Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte,
Ging in ewigem Gefechte
Einst Alcid des Lebens schwere Bahn,
Rang mit Hydern und umarmte Leuen,
Stürzte sich, die Freunde zu befreien,
Lebend in des Todtenschiffers Kahn.
Alle Qualen, alle Erdenlasten
Wälzt der unversöhnten Göttin List,
Auf die willigen Schultern des Verhaßten,
Bis sein Lauf geendet ist,
Bis der Gott, des Irdischen entkleidet
Flammend sich vom Menschen scheidet
Und des Aethers reine Lüfte trinkt.
Froh des leichten, ungewohnten Schwebens,
Flieht er aufwärts, und des Erdenlebens
Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt.
Des Olympos Harmonien empfangen
Den Verklärten in Kronion's Saal;
Und die Göttin mit den Rosenwangen
Reicht ihm lächelnd den Pokal." *)

Schon so viel würde genügen, um die behauptete auf-
fallende Analogie zu documentiren. Zwar hat Alles in
diesem Mythus die ganz eigenthümliche griechische Färbung
und Form; man wird nirgend versucht, zu glauben, daß
etwas daraus in das Evangelium oder aus diesem in den
Mythus gekommen; beide stehen insofern für sich in reiner
Sonderung und Selbstständigkeit da. Aber eben dies ist
das Interessante und Merkwürdige, da der Idee, dem Geiste,

*) Aus Schiller's Gedichte: "Das Ideal und das Leben." Der Kern
des Mythus ist hier auf eine bewunderungswürdige Weise herausgefaßt.

zum Himmel empor und wird daſelbſt mit Hebe, dem Sym-
bole der ewigen Jugend, vermählt.

„Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte,
Ging in ewigem Gefechte
Einſt Alcid des Lebens ſchwere Bahn,
Rang mit Hydern und umarmte Leuen,
Stürzte ſich, die Freunde zu befreien,
Lebend in des Todtenſchiffers Kahn.
Alle Qualen, alle Erdenlaſten
Wälzt der unverſöhnten Göttin Liſt,
Auf die willigen Schultern des Verhaßten,
Bis ſein Lauf geendet iſt,
Bis der Gott, des Irdiſchen entkleidet
Flammend ſich vom Menſchen ſcheidet
Und des Aethers reine Lüfte trinkt.
Froh des leichten, ungewohnten Schwebens,
Flieht er aufwärts, und des Erdenlebens
Schweres Traumbild ſinkt und ſinkt und ſinkt.
Des Olympos Harmonien empfangen
Den Verklärten in Kronion’s Saal;
Und die Göttin mit den Roſenwangen
Reicht ihm lächelnd den Pokal.“ *)

Schon ſo viel würde genügen, um die behauptete auf-
fallende Analogie zu documentiren. Zwar hat Alles in
dieſem Mythus die ganz eigenthümliche griechiſche Färbung
und Form; man wird nirgend verſucht, zu glauben, daß
etwas daraus in das Evangelium oder aus dieſem in den
Mythus gekommen; beide ſtehen inſofern für ſich in reiner
Sonderung und Selbſtſtändigkeit da. Aber eben dies iſt
das Intereſſante und Merkwürdige, da der Idee, dem Geiſte,

*) Aus Schiller’s Gedichte: „Das Ideal und das Leben.“ Der Kern
des Mythus iſt hier auf eine bewunderungswürdige Weiſe herausgefaßt.
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[26/0048] zum Himmel empor und wird daſelbſt mit Hebe, dem Sym- bole der ewigen Jugend, vermählt. „Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte, Ging in ewigem Gefechte Einſt Alcid des Lebens ſchwere Bahn, Rang mit Hydern und umarmte Leuen, Stürzte ſich, die Freunde zu befreien, Lebend in des Todtenſchiffers Kahn. Alle Qualen, alle Erdenlaſten Wälzt der unverſöhnten Göttin Liſt, Auf die willigen Schultern des Verhaßten, Bis ſein Lauf geendet iſt, Bis der Gott, des Irdiſchen entkleidet Flammend ſich vom Menſchen ſcheidet Und des Aethers reine Lüfte trinkt. Froh des leichten, ungewohnten Schwebens, Flieht er aufwärts, und des Erdenlebens Schweres Traumbild ſinkt und ſinkt und ſinkt. Des Olympos Harmonien empfangen Den Verklärten in Kronion’s Saal; Und die Göttin mit den Roſenwangen Reicht ihm lächelnd den Pokal.“ *) Schon ſo viel würde genügen, um die behauptete auf- fallende Analogie zu documentiren. Zwar hat Alles in dieſem Mythus die ganz eigenthümliche griechiſche Färbung und Form; man wird nirgend verſucht, zu glauben, daß etwas daraus in das Evangelium oder aus dieſem in den Mythus gekommen; beide ſtehen inſofern für ſich in reiner Sonderung und Selbſtſtändigkeit da. Aber eben dies iſt das Intereſſante und Merkwürdige, da der Idee, dem Geiſte, *) Aus Schiller’s Gedichte: „Das Ideal und das Leben.“ Der Kern des Mythus iſt hier auf eine bewunderungswürdige Weiſe herausgefaßt.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/48>, abgerufen am 28.03.2024.