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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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überraschender ist es, wenn man erkennt, wie mächtig und
grandios die christliche Idee, wiewohl ganz in die specifisch
nationale und temporelle Form gefaßt, schon bei den Grie-
chen hervorbricht, ja wie sie so recht eigentlich den Gipfel
und die Blüthe der ganzen antiken Poesie und Mythen-
bildung formirt, und das nicht etwa erst in Folge einer
Wendung, wodurch dieses Alterthum sich selber untreu
wurde und einem in dasselbe verändernd und verfälschend
einbrechenden fremdartigen Einfluß unterlag. Es ist na-
mentlich jenes von Alters her gegebene mythisch-symbolische
Heroenideal, es ist der allbekannte, aber noch keineswegs
genügend erkannte und ergründete Heraklesmythus, worauf
wir hinzielen, da sich in selbigem ein poetisches Analogon
und Vorspiel der Erscheinung und Geschichte Christi un-
möglich verkennen und läugnen lassen wird. Fassen wir
ihn zunächst nur ganz kurz und scharf in seinen offen da-
liegenden Haupt- und Grundzügen auf, um uns von die-
sem merkwürdigen Verhältnisse zu überzeugen!

Es ist ein wunderbar erzeugter Gottessohn und Gott-
mensch, von dem dieser Mythus spricht, der Sprößling
des griechischen Gottvaters Zeus und der liebste seiner Söhne;
ein Helfer und Heiland, wie sonst keiner war, bestimmt,
von Menschen und Göttern Unheil abzuwehren. Pallas
Athene, die Weisheit von oben, ist seine Lenkerin und Hel-
ferin. Das in ihm erscheinende Höhere, Göttliche ist aber
erniedrigt zur Knechtsgestalt; er muß einem viel schlechte-
ren Manne, dem Feigling Eurystheus, dienen, der die ihm,
dem großen Sohne des Zeus, gebührende Herrschaft in sei-
nen unwürdigen Händen hat. Der Held fügt sich darein,
weil es die Götter wollen; und so muß er kämpfen und
leiden sein Lebenlang, ja eines furchtbar schmerzlichen To-
des sterben, schwingt sich aber, indem er sich auch diesem
grausamen Schicksale willig hingibt, in verklärter Gestalt

überraſchender iſt es, wenn man erkennt, wie mächtig und
grandios die chriſtliche Idee, wiewohl ganz in die ſpecifiſch
nationale und temporelle Form gefaßt, ſchon bei den Grie-
chen hervorbricht, ja wie ſie ſo recht eigentlich den Gipfel
und die Blüthe der ganzen antiken Poeſie und Mythen-
bildung formirt, und das nicht etwa erſt in Folge einer
Wendung, wodurch dieſes Alterthum ſich ſelber untreu
wurde und einem in daſſelbe verändernd und verfälſchend
einbrechenden fremdartigen Einfluß unterlag. Es iſt na-
mentlich jenes von Alters her gegebene mythiſch-ſymboliſche
Heroenideal, es iſt der allbekannte, aber noch keineswegs
genügend erkannte und ergründete Heraklesmythus, worauf
wir hinzielen, da ſich in ſelbigem ein poetiſches Analogon
und Vorſpiel der Erſcheinung und Geſchichte Chriſti un-
möglich verkennen und läugnen laſſen wird. Faſſen wir
ihn zunächſt nur ganz kurz und ſcharf in ſeinen offen da-
liegenden Haupt- und Grundzügen auf, um uns von die-
ſem merkwürdigen Verhältniſſe zu überzeugen!

Es iſt ein wunderbar erzeugter Gottesſohn und Gott-
menſch, von dem dieſer Mythus ſpricht, der Sprößling
des griechiſchen Gottvaters Zeus und der liebſte ſeiner Söhne;
ein Helfer und Heiland, wie ſonſt keiner war, beſtimmt,
von Menſchen und Göttern Unheil abzuwehren. Pallas
Athene, die Weisheit von oben, iſt ſeine Lenkerin und Hel-
ferin. Das in ihm erſcheinende Höhere, Göttliche iſt aber
erniedrigt zur Knechtsgeſtalt; er muß einem viel ſchlechte-
ren Manne, dem Feigling Euryſtheus, dienen, der die ihm,
dem großen Sohne des Zeus, gebührende Herrſchaft in ſei-
nen unwürdigen Händen hat. Der Held fügt ſich darein,
weil es die Götter wollen; und ſo muß er kämpfen und
leiden ſein Lebenlang, ja eines furchtbar ſchmerzlichen To-
des ſterben, ſchwingt ſich aber, indem er ſich auch dieſem
grauſamen Schickſale willig hingibt, in verklärter Geſtalt

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[25/0047] überraſchender iſt es, wenn man erkennt, wie mächtig und grandios die chriſtliche Idee, wiewohl ganz in die ſpecifiſch nationale und temporelle Form gefaßt, ſchon bei den Grie- chen hervorbricht, ja wie ſie ſo recht eigentlich den Gipfel und die Blüthe der ganzen antiken Poeſie und Mythen- bildung formirt, und das nicht etwa erſt in Folge einer Wendung, wodurch dieſes Alterthum ſich ſelber untreu wurde und einem in daſſelbe verändernd und verfälſchend einbrechenden fremdartigen Einfluß unterlag. Es iſt na- mentlich jenes von Alters her gegebene mythiſch-ſymboliſche Heroenideal, es iſt der allbekannte, aber noch keineswegs genügend erkannte und ergründete Heraklesmythus, worauf wir hinzielen, da ſich in ſelbigem ein poetiſches Analogon und Vorſpiel der Erſcheinung und Geſchichte Chriſti un- möglich verkennen und läugnen laſſen wird. Faſſen wir ihn zunächſt nur ganz kurz und ſcharf in ſeinen offen da- liegenden Haupt- und Grundzügen auf, um uns von die- ſem merkwürdigen Verhältniſſe zu überzeugen! Es iſt ein wunderbar erzeugter Gottesſohn und Gott- menſch, von dem dieſer Mythus ſpricht, der Sprößling des griechiſchen Gottvaters Zeus und der liebſte ſeiner Söhne; ein Helfer und Heiland, wie ſonſt keiner war, beſtimmt, von Menſchen und Göttern Unheil abzuwehren. Pallas Athene, die Weisheit von oben, iſt ſeine Lenkerin und Hel- ferin. Das in ihm erſcheinende Höhere, Göttliche iſt aber erniedrigt zur Knechtsgeſtalt; er muß einem viel ſchlechte- ren Manne, dem Feigling Euryſtheus, dienen, der die ihm, dem großen Sohne des Zeus, gebührende Herrſchaft in ſei- nen unwürdigen Händen hat. Der Held fügt ſich darein, weil es die Götter wollen; und ſo muß er kämpfen und leiden ſein Lebenlang, ja eines furchtbar ſchmerzlichen To- des ſterben, ſchwingt ſich aber, indem er ſich auch dieſem grauſamen Schickſale willig hingibt, in verklärter Geſtalt

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/47>, abgerufen am 28.03.2024.