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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Wie nothwendig jedenfalls die Verbindung des römischen
Princips mit dem christlichen war und ist, offenbart nur
allzu genügend die Geschichte des Protestantismus, der
dasselbe in seiner abstrakten Feindschaft und Empörung
wider die alte, concrete Mutterkirche so gänzlich verschmäht
und ausgeschieden hat. Es wurde dadurch nicht nur die
angefeindete Kirche, sondern das Christenthum überhaupt,
insofern ihm eine nicht nur subjektive, individuelle, parti-
culäre, sondern auch objektiv-reale, welthistorische und uni-
versale Stellung, Existenz und Entwickelung gebührt, im
gefährlichsten Grade erschüttert, depotenzirt und in Frage
gestellt. Die eine große, allumfassende Kirche zerfiel in
Folge dessen in lauter einzelne, getrennte, zusammenhang-
lose Lokal- und Nationalkirchen; und die von Rom in
Anspruch genommene und eroberte Freiheit, Unabhängigkeit
und Superiorität der geistlichen Macht verwandelte sich in
eine unwürdige, ohnmächtige Unterordnung unter das zu-
fällig und willkührlich bestimmte weltliche Regiment, welches
vielmehr in angemessener Weise zu bestimmen, zu beschrän-
ken, zu zähmen und zu leiten, die Aufgabe des Christen-
thums und der christlichen Kirche ist. Die des römischen
Principes beraubte Kirche sank im Protestantismus zu ei-
nem bloßen Momente und dienenden Organe der sie ab-
sorbirenden politischen Macht herab, ward in eine nach
Zufall und Laune so oder so gefärbte und zugeschnittene
knechtische Staatslivree gesteckt und zum Werkzeuge äußer-
licher, unheiliger und selbstsüchtiger Interessen und Zwecke
erniedrigt. War der religiöse Trieb des Menschen hiemit
nicht zufrieden gestellt, verlangte er nach etwas Wahrerem,
Reinerem, Freierem, Wesenhafterem, als ihm eine solche
Kirche zu bieten vermag, so blieb ihm nur die einsame,
trübe Zurückziehung in's subjektive Innere des Individuums,
oder ein sektirender Abfall vom gemeinsamen Religions-

Wie nothwendig jedenfalls die Verbindung des römiſchen
Princips mit dem chriſtlichen war und iſt, offenbart nur
allzu genügend die Geſchichte des Proteſtantismus, der
daſſelbe in ſeiner abſtrakten Feindſchaft und Empörung
wider die alte, concrete Mutterkirche ſo gänzlich verſchmäht
und ausgeſchieden hat. Es wurde dadurch nicht nur die
angefeindete Kirche, ſondern das Chriſtenthum überhaupt,
inſofern ihm eine nicht nur ſubjektive, individuelle, parti-
culäre, ſondern auch objektiv-reale, welthiſtoriſche und uni-
verſale Stellung, Exiſtenz und Entwickelung gebührt, im
gefährlichſten Grade erſchüttert, depotenzirt und in Frage
geſtellt. Die eine große, allumfaſſende Kirche zerfiel in
Folge deſſen in lauter einzelne, getrennte, zuſammenhang-
loſe Lokal- und Nationalkirchen; und die von Rom in
Anſpruch genommene und eroberte Freiheit, Unabhängigkeit
und Superiorität der geiſtlichen Macht verwandelte ſich in
eine unwürdige, ohnmächtige Unterordnung unter das zu-
fällig und willkührlich beſtimmte weltliche Regiment, welches
vielmehr in angemeſſener Weiſe zu beſtimmen, zu beſchrän-
ken, zu zähmen und zu leiten, die Aufgabe des Chriſten-
thums und der chriſtlichen Kirche iſt. Die des römiſchen
Principes beraubte Kirche ſank im Proteſtantismus zu ei-
nem bloßen Momente und dienenden Organe der ſie ab-
ſorbirenden politiſchen Macht herab, ward in eine nach
Zufall und Laune ſo oder ſo gefärbte und zugeſchnittene
knechtiſche Staatslivree geſteckt und zum Werkzeuge äußer-
licher, unheiliger und ſelbſtſüchtiger Intereſſen und Zwecke
erniedrigt. War der religiöſe Trieb des Menſchen hiemit
nicht zufrieden geſtellt, verlangte er nach etwas Wahrerem,
Reinerem, Freierem, Weſenhafterem, als ihm eine ſolche
Kirche zu bieten vermag, ſo blieb ihm nur die einſame,
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[6/0028] Wie nothwendig jedenfalls die Verbindung des römiſchen Princips mit dem chriſtlichen war und iſt, offenbart nur allzu genügend die Geſchichte des Proteſtantismus, der daſſelbe in ſeiner abſtrakten Feindſchaft und Empörung wider die alte, concrete Mutterkirche ſo gänzlich verſchmäht und ausgeſchieden hat. Es wurde dadurch nicht nur die angefeindete Kirche, ſondern das Chriſtenthum überhaupt, inſofern ihm eine nicht nur ſubjektive, individuelle, parti- culäre, ſondern auch objektiv-reale, welthiſtoriſche und uni- verſale Stellung, Exiſtenz und Entwickelung gebührt, im gefährlichſten Grade erſchüttert, depotenzirt und in Frage geſtellt. Die eine große, allumfaſſende Kirche zerfiel in Folge deſſen in lauter einzelne, getrennte, zuſammenhang- loſe Lokal- und Nationalkirchen; und die von Rom in Anſpruch genommene und eroberte Freiheit, Unabhängigkeit und Superiorität der geiſtlichen Macht verwandelte ſich in eine unwürdige, ohnmächtige Unterordnung unter das zu- fällig und willkührlich beſtimmte weltliche Regiment, welches vielmehr in angemeſſener Weiſe zu beſtimmen, zu beſchrän- ken, zu zähmen und zu leiten, die Aufgabe des Chriſten- thums und der chriſtlichen Kirche iſt. Die des römiſchen Principes beraubte Kirche ſank im Proteſtantismus zu ei- nem bloßen Momente und dienenden Organe der ſie ab- ſorbirenden politiſchen Macht herab, ward in eine nach Zufall und Laune ſo oder ſo gefärbte und zugeſchnittene knechtiſche Staatslivree geſteckt und zum Werkzeuge äußer- licher, unheiliger und ſelbſtſüchtiger Intereſſen und Zwecke erniedrigt. War der religiöſe Trieb des Menſchen hiemit nicht zufrieden geſtellt, verlangte er nach etwas Wahrerem, Reinerem, Freierem, Weſenhafterem, als ihm eine ſolche Kirche zu bieten vermag, ſo blieb ihm nur die einſame, trübe Zurückziehung in’s ſubjektive Innere des Individuums, oder ein ſektirender Abfall vom gemeinſamen Religions-

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/28>, abgerufen am 26.04.2024.