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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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auf eine die ganze Erde und Menschheit einheitlich um-
fassende Macht und Herrschaft gerichtete Princip verbunden
hat. Als der eigentliche Begründer der von Rom angestreb-
ten geistlichen Universalmonarchie wird Papst Gregor I.
bezeichnet -- wie merkwürdig daher, daß dieser große Papst
einem altrömischen Patriciergeschlechte seinen Ursprung ver-
dankte! Es kann dies zwar allerdings auch auf eine Weise
betrachtet werden, die einem uns hier ganz fremden opposi-
tionellen Standpunkte angehört. So hat ein Historiker
darüber folgende Bemerkung gemacht: "Derselbe italienische
Nationalcharakter, der einst die Consuln und Proconsuln
des alten Roms mit unbeugsamer Strenge auswärtigen
Königen Gesetze vorschreiben lehrte, trieb hier den Patriar-
chen des neuen zur nachdrücklichsten Behauptung seiner
angemaßten Oberherrschaft an." Wir hoffen unseren Lesern
klar zu machen, wie seicht und wie wenig im Stande, die
Räthsel der Geschichte zu lösen, dergleichen Urtheile und
Ansichten sind. Es fehlt einem so beschränkten Partei-
standpunkte die Einsicht in die innere, göttliche Berechtigung
jener angeblichen Anmaßung, in die ungeheuere Bedeutung,
welche die Umwandlung der größten weltlichen Energie,
die wir kennen, und ihres kolossalen Meisterwerkes in eine
geistliche d. h. ganz nur auf höhere Zwecke, wenn auch mit
Anwendung weltlicher Mittel, gerichtete Erscheinung und
Anstalt hat, und in die geheime, providentielle Beziehung
jener ersteren auf die letztere. Er ahnet nicht, daß sich
die Sache eher umgekehrt verhält, als er meint und will,
sofern die Kraft, das Glück und das Recht des antiken
Römerthums im Grunde darin bestand, daß es, so zu sa-
gen, das noch in der Puppenhülle verborgene, römisch-
katholische Priesterthum war, das einst dem Willen und
der Leitung der Vorsehung gemäß, aus ihm hervorgehen
und seine geistigen Schwingen entfalten sollte.

auf eine die ganze Erde und Menſchheit einheitlich um-
faſſende Macht und Herrſchaft gerichtete Princip verbunden
hat. Als der eigentliche Begründer der von Rom angeſtreb-
ten geiſtlichen Univerſalmonarchie wird Papſt Gregor I.
bezeichnet — wie merkwürdig daher, daß dieſer große Papſt
einem altrömiſchen Patriciergeſchlechte ſeinen Urſprung ver-
dankte! Es kann dies zwar allerdings auch auf eine Weiſe
betrachtet werden, die einem uns hier ganz fremden oppoſi-
tionellen Standpunkte angehört. So hat ein Hiſtoriker
darüber folgende Bemerkung gemacht: „Derſelbe italieniſche
Nationalcharakter, der einſt die Conſuln und Proconſuln
des alten Roms mit unbeugſamer Strenge auswärtigen
Königen Geſetze vorſchreiben lehrte, trieb hier den Patriar-
chen des neuen zur nachdrücklichſten Behauptung ſeiner
angemaßten Oberherrſchaft an.“ Wir hoffen unſeren Leſern
klar zu machen, wie ſeicht und wie wenig im Stande, die
Räthſel der Geſchichte zu löſen, dergleichen Urtheile und
Anſichten ſind. Es fehlt einem ſo beſchränkten Partei-
ſtandpunkte die Einſicht in die innere, göttliche Berechtigung
jener angeblichen Anmaßung, in die ungeheuere Bedeutung,
welche die Umwandlung der größten weltlichen Energie,
die wir kennen, und ihres koloſſalen Meiſterwerkes in eine
geiſtliche d. h. ganz nur auf höhere Zwecke, wenn auch mit
Anwendung weltlicher Mittel, gerichtete Erſcheinung und
Anſtalt hat, und in die geheime, providentielle Beziehung
jener erſteren auf die letztere. Er ahnet nicht, daß ſich
die Sache eher umgekehrt verhält, als er meint und will,
ſofern die Kraft, das Glück und das Recht des antiken
Römerthums im Grunde darin beſtand, daß es, ſo zu ſa-
gen, das noch in der Puppenhülle verborgene, römiſch-
katholiſche Prieſterthum war, das einſt dem Willen und
der Leitung der Vorſehung gemäß, aus ihm hervorgehen
und ſeine geiſtigen Schwingen entfalten ſollte.

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[5/0027] auf eine die ganze Erde und Menſchheit einheitlich um- faſſende Macht und Herrſchaft gerichtete Princip verbunden hat. Als der eigentliche Begründer der von Rom angeſtreb- ten geiſtlichen Univerſalmonarchie wird Papſt Gregor I. bezeichnet — wie merkwürdig daher, daß dieſer große Papſt einem altrömiſchen Patriciergeſchlechte ſeinen Urſprung ver- dankte! Es kann dies zwar allerdings auch auf eine Weiſe betrachtet werden, die einem uns hier ganz fremden oppoſi- tionellen Standpunkte angehört. So hat ein Hiſtoriker darüber folgende Bemerkung gemacht: „Derſelbe italieniſche Nationalcharakter, der einſt die Conſuln und Proconſuln des alten Roms mit unbeugſamer Strenge auswärtigen Königen Geſetze vorſchreiben lehrte, trieb hier den Patriar- chen des neuen zur nachdrücklichſten Behauptung ſeiner angemaßten Oberherrſchaft an.“ Wir hoffen unſeren Leſern klar zu machen, wie ſeicht und wie wenig im Stande, die Räthſel der Geſchichte zu löſen, dergleichen Urtheile und Anſichten ſind. Es fehlt einem ſo beſchränkten Partei- ſtandpunkte die Einſicht in die innere, göttliche Berechtigung jener angeblichen Anmaßung, in die ungeheuere Bedeutung, welche die Umwandlung der größten weltlichen Energie, die wir kennen, und ihres koloſſalen Meiſterwerkes in eine geiſtliche d. h. ganz nur auf höhere Zwecke, wenn auch mit Anwendung weltlicher Mittel, gerichtete Erſcheinung und Anſtalt hat, und in die geheime, providentielle Beziehung jener erſteren auf die letztere. Er ahnet nicht, daß ſich die Sache eher umgekehrt verhält, als er meint und will, ſofern die Kraft, das Glück und das Recht des antiken Römerthums im Grunde darin beſtand, daß es, ſo zu ſa- gen, das noch in der Puppenhülle verborgene, römiſch- katholiſche Prieſterthum war, das einſt dem Willen und der Leitung der Vorſehung gemäß, aus ihm hervorgehen und ſeine geiſtigen Schwingen entfalten ſollte.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/27>, abgerufen am 25.04.2024.