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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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mit sich vereinigende römische Kriegsgott und Staatsgenius
ist, das auf solche Weise humanistisch und idealistisch ver-
edelte und höher gestellte römische Wesen und Streben
bedeutet. Man hat ihn auch auf die Vereinigung der
Sabiner mit den Römern bezogen. Als Titus Tatius
und Romulus Frieden schlossen, da gaben sie, heißt
es, dem Janus diese zwei in einem Bilde vereinten Ge-
sichter, zum Zeichen, daß nun die zwei kämpfenden Völker-
schaften versöhnt und verbunden seien. *) Das ist unserer
Auffassung ebenfalls vollkommen gemäß. Die ganz spe-
cielle, genealogische und volksthümliche Wurzel Roms in
seiner rein weltlichen Natur und Bestimmtheit war der
latinische Stamm; die Sabiner hingegen vertraten den
Römern schon im Voraus das religiöse und sittliche Mo-
ment, das nachher aus Palästina als Christenthum ein-
wanderte und die Seele des in höherem Sinne wiederer-
stehenden und auflebenden Römerthums wurde; wie denn
schon ihr Name, so wie der des samnitischen Volksstammes,
zu dem sie gehörten, mit sebomai, sebastos, semnos ver-
wandt zu sein und ein heiliges, priesterliches Volk zu be-
deuten scheint. **) Romulus, der Sohn des Mars, und

*) Servius zum Virgil, Aen. I. 147: Postquam Romulus et T.
Tatius in foedera convenerunt, Jano simulacrum duplicis frontis
effectum est, quasi ad imaginem duorum populorum.
**) Ein sabinischer Gott hieß Sabus, Sancus, Semo, soll auch der erste
König der Sabiner und Vater des Sabinus gewesen sein. Sancus,
wobei man an das lat. sancire, sanctus erinnert wird, soll in der
Sprache der Sabiner den Himmel bedeutet haben, Ioh. Laur. Lyd.
de mens. spec.
58. Mit Semo kann samos, Anhöhe, arab. sema,
hebr. schamaim, Himmel, verglichen werden. Es läßt sich auch an
die unter den Sueven durch ihre Frömmigkeit und ihren Gottesdienst
in einem sehr heiligen Haine ausgezeichneten Semnonen, so wie an
den sich von den übrigen Brutenern durch seine sonderliche Lebensweise
und seine Andacht in einem heiligen Eichenwald unterscheidenden Stamm
des Samo denken, vergl. Tacit. Germ. c. 39. Tettau u. Temme,

mit ſich vereinigende römiſche Kriegsgott und Staatsgenius
iſt, das auf ſolche Weiſe humaniſtiſch und idealiſtiſch ver-
edelte und höher geſtellte römiſche Weſen und Streben
bedeutet. Man hat ihn auch auf die Vereinigung der
Sabiner mit den Römern bezogen. Als Titus Tatius
und Romulus Frieden ſchloſſen, da gaben ſie, heißt
es, dem Janus dieſe zwei in einem Bilde vereinten Ge-
ſichter, zum Zeichen, daß nun die zwei kämpfenden Völker-
ſchaften verſöhnt und verbunden ſeien. *) Das iſt unſerer
Auffaſſung ebenfalls vollkommen gemäß. Die ganz ſpe-
cielle, genealogiſche und volksthümliche Wurzel Roms in
ſeiner rein weltlichen Natur und Beſtimmtheit war der
latiniſche Stamm; die Sabiner hingegen vertraten den
Römern ſchon im Voraus das religiöſe und ſittliche Mo-
ment, das nachher aus Paläſtina als Chriſtenthum ein-
wanderte und die Seele des in höherem Sinne wiederer-
ſtehenden und auflebenden Römerthums wurde; wie denn
ſchon ihr Name, ſo wie der des ſamnitiſchen Volksſtammes,
zu dem ſie gehörten, mit σεβομαι, σεβαστος, σεμνος ver-
wandt zu ſein und ein heiliges, prieſterliches Volk zu be-
deuten ſcheint. **) Romulus, der Sohn des Mars, und

*) Servius zum Virgil, Aen. I. 147: Postquam Romulus et T.
Tatius in foedera convenerunt, Jano simulacrum duplicis frontis
effectum est, quasi ad imaginem duorum populorum.
**) Ein ſabiniſcher Gott hieß Sabus, Sancus, Semo, ſoll auch der erſte
König der Sabiner und Vater des Sabinus geweſen ſein. Sancus,
wobei man an das lat. sancire, sanctus erinnert wird, ſoll in der
Sprache der Sabiner den Himmel bedeutet haben, Ioh. Laur. Lyd.
de mens. spec.
58. Mit Semo kann σαμος, Anhöhe, arab. sema,
hebr. schamaim, Himmel, verglichen werden. Es läßt ſich auch an
die unter den Sueven durch ihre Frömmigkeit und ihren Gottesdienſt
in einem ſehr heiligen Haine ausgezeichneten Semnonen, ſo wie an
den ſich von den übrigen Brutenern durch ſeine ſonderliche Lebensweiſe
und ſeine Andacht in einem heiligen Eichenwald unterſcheidenden Stamm
des Samo denken, vergl. Tacit. Germ. c. 39. Tettau u. Temme,
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[85/0107] mit ſich vereinigende römiſche Kriegsgott und Staatsgenius iſt, das auf ſolche Weiſe humaniſtiſch und idealiſtiſch ver- edelte und höher geſtellte römiſche Weſen und Streben bedeutet. Man hat ihn auch auf die Vereinigung der Sabiner mit den Römern bezogen. Als Titus Tatius und Romulus Frieden ſchloſſen, da gaben ſie, heißt es, dem Janus dieſe zwei in einem Bilde vereinten Ge- ſichter, zum Zeichen, daß nun die zwei kämpfenden Völker- ſchaften verſöhnt und verbunden ſeien. *) Das iſt unſerer Auffaſſung ebenfalls vollkommen gemäß. Die ganz ſpe- cielle, genealogiſche und volksthümliche Wurzel Roms in ſeiner rein weltlichen Natur und Beſtimmtheit war der latiniſche Stamm; die Sabiner hingegen vertraten den Römern ſchon im Voraus das religiöſe und ſittliche Mo- ment, das nachher aus Paläſtina als Chriſtenthum ein- wanderte und die Seele des in höherem Sinne wiederer- ſtehenden und auflebenden Römerthums wurde; wie denn ſchon ihr Name, ſo wie der des ſamnitiſchen Volksſtammes, zu dem ſie gehörten, mit σεβομαι, σεβαστος, σεμνος ver- wandt zu ſein und ein heiliges, prieſterliches Volk zu be- deuten ſcheint. **) Romulus, der Sohn des Mars, und *) Servius zum Virgil, Aen. I. 147: Postquam Romulus et T. Tatius in foedera convenerunt, Jano simulacrum duplicis frontis effectum est, quasi ad imaginem duorum populorum. **) Ein ſabiniſcher Gott hieß Sabus, Sancus, Semo, ſoll auch der erſte König der Sabiner und Vater des Sabinus geweſen ſein. Sancus, wobei man an das lat. sancire, sanctus erinnert wird, ſoll in der Sprache der Sabiner den Himmel bedeutet haben, Ioh. Laur. Lyd. de mens. spec. 58. Mit Semo kann σαμος, Anhöhe, arab. sema, hebr. schamaim, Himmel, verglichen werden. Es läßt ſich auch an die unter den Sueven durch ihre Frömmigkeit und ihren Gottesdienſt in einem ſehr heiligen Haine ausgezeichneten Semnonen, ſo wie an den ſich von den übrigen Brutenern durch ſeine ſonderliche Lebensweiſe und ſeine Andacht in einem heiligen Eichenwald unterſcheidenden Stamm des Samo denken, vergl. Tacit. Germ. c. 39. Tettau u. Temme,

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/107>, abgerufen am 24.11.2024.